E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Stevens Teestunde mit Todesfall
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95728-596-6
Verlag: Knesebeck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der zweite Fall für Wells & Wong
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-95728-596-6
Verlag: Knesebeck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Daisy und Hazel verbringen die Ferien bei Daisys Familie in Fallingford. Zu Daisys Geburtstag reist die gesamte Verwandschaft an - von der exzentrischen Tante Saskia bis zum schneidigen Onkel Felix. Nur der zwielichtige Mr Curtis passt nicht so recht ins Bild. Er scheint etwas im Schilde zu führen. Doch als Mr Curtis vor den Augen aller vergiftet wird, ist klar, dass einer der Gäste der Mörder ist. Während ein Sturm die Verdächtigen im Haus und die Polizei draußen hält, ermittelt Detektei Wells & Wong in ihrem zweiten Fall, diesmal im Kreis der eigenen Familie. Bei so vielen dunklen Geheimnissen wirkt Fallingford auf einmal gar nicht mehr so heimelig ...
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9
Nach dem Abendessen blieben die Männer im Esszimmer, um zu rauchen, während die Frauen aufstanden und sich in den Salon zurückzogen. Bertie und Stephen blieben bei den Herren, doch obwohl wir vier während des Mahls erwachsen hatten spielen dürfen, war nun mehr als deutlich, dass wir weder bei den Damen noch bei den Herren länger erwünscht waren.
»Könnt ihr nicht etwas spielen gehen, Daisy, Liebes?«, meinte Lady Hastings und winkte leichthin ab. »Die Erwachsenen wollen sich unterhalten. Miss Alston, geben Sie ihnen etwas zu spielen.«
»Das ist schon in Ordnung, Mami«, sagte Daisy liebreizend. »Wir können auf uns selbst achtgeben. Wir werden Verstecken spielen.«
»Oh, na wenn ihr sicher seid?« Lady Hastings schien erleichtert, eine Sorge weniger zu haben. »Aber spielt .«
»Ich werde von Zeit zu Zeit nach ihnen sehen.« Miss Alston sah uns ernst an, die Handtasche wie einen Schild an ihren Bauch gedrückt. Unter ihrem Blick wurde ich nervös. Mir war klar, dass Daisy etwas vorhatte – und ich fühlte mich unbehaglich, als könnte Miss Alston Bescheid wissen. Ihr merkwürdiges Verhalten erschien mir heute jedenfalls auffälliger denn je.
»Küken, du zählst«, bestimmte Daisy, sobald Lady Hastings und Miss Alston sich in den Salon begeben hatten – Miss Alston hatte uns einen letzten misstrauischen Blick zugeworfen, als sie die Tür schloss. »Ihr habt Mami gehört, wir müssen leise sein – und das bedeutet, dass wir oben bleiben, im ersten Stock und im Obergeschoss. Keiner darf ins Erdgeschoss, sonst wird sie schrecklich schimpfen. Verstanden?«
Mir war auf der Stelle klar, dass Daisy soeben dafür sorgte, dass Kitty und Küken ihren wie auch immer gearteten Plänen nicht im Weg stehen würden. Küken, die ganz aufgeregt wirkte, nickte gehorsam und Kitty, die schon den Mund geöffnet hatte, um zu widersprechen, schloss ihn seufzend wieder. Ich sah Kitty an, dass sie am liebsten bei den Erwachsenen geblieben wäre, um dem neuesten Tratsch zu lauschen – doch Küken wollte spielen, daher würde Kitty sie nicht enttäuschen. Das Ganze war von Daisy wirklich furchtbar clever eingefädelt – wie üblich.
Gemeinsam stiegen wir die Stufen zum Treppenabsatz im ersten Stock hinauf, wo sich Küken vor die ausgestopfte Eule auf der Säule stellte, sich die Augen zuhielt und anfing im gut hörbaren Flüsterton zu zählen. Kitty stieß erneut ein Seufzen aus, warf Daisy einen vielsagenden Blick zu und trottete in Richtung von Lady Hastings Zimmer im vorderen Teil des Hauses. Daisy ergriff meine Hand, zwinkerte mir zu und zog mich dann betont lärmend die Haupttreppe ins Obergeschoss hinauf, sodass hässliches Knarren durchs Treppenhaus hallte.
Sobald wir den Treppenabsatz erreicht hatten, der zum Kinderzimmer führte, huschten wir leise weiter, den Gang entlang und die Dienstbotentreppe wieder nach unten. Die Hintertreppe ist kein wirklicher Geheimgang, trotzdem scheint außer Daisy nie jemand auf die Idee zu kommen, sie zu benutzen. Sie ist nicht für gedacht, sie dient Mrs Doherty, Hetty und Chapman, ist finster, steil und kalt. Möglichst lautlos und fast ohne zu atmen, schlichen wir auf Zehenspitzen abwärts, die Hände auf den Mund gepresst, um ein Kichern zu unterdrücken. Es war herrlich, mit Daisy wieder etwas Geheimes zu unternehmen.
Neben dem Zimmer von Lady Hastings verließen wir die Treppe, schlichen an Küken vorbei, die immer noch zählte (Küken braucht zum Zählen volle Konzentration, daher bekommt sie währenddessen vom Rest der Welt nichts mit – äußerst schlau von Daisy, sie zum ersten Sucher zu erklären. Kitty hätte uns vielleicht bemerkt, doch Küken niemals). Dann bewegten wir uns auf leisen Sohlen die Haupttreppe hinunter ins schummrige Licht der Eingangshalle, wo die tickende Pendeluhr stand und blasse alte Gemälde die ausgeblichenen roten Wände zierten. Wir huschten zur geschlossenen Tür des Speisesaals und tauschten atemlos einen vielsagenden Blick. Tiefe Männerstimmen drangen durch das Holz.
Daisy grinste mich an. »Gut gemacht, Watson!«, wisperte sie. »Der erste Teil unserer Mission ist abgeschlossen. Jetzt zu Teil zwei. Nach meinen Berechnungen haben wir mindestens fünfzehn Minuten Zeit, bevor Küken überhaupt auf die Idee kommt, dass wir uns nicht an die Abmachung gehalten haben könnten und uns nicht in den oberen beiden Stockwerken versteckt haben – fünfzehn Minuten, die ich bestmöglich nutzen will. Mr Curtis’ Gerede beim Abendessen hat ihn verdächtig gemacht, das steht fest. Der ganze Quatsch, die Mingvase wäre eine Fälschung … Findest du nicht auch?«
Nun, es trifft zu, dass Daisy manchmal falschen Fährten hinterherjagt, und zwar viel zu hitzköpfig, um vernünftig denken zu können – doch in diesem Fall musste ich ihr zustimmen. Allerdings fiel mir auf, dass sie mit keinem Wort erwähnte, wie beunruhigend interessiert Mr Curtis an Lady Hastings schien.
»Er benimmt sich sehr seltsam«, sagte ich. »Was rein gar nichts heißen muss, aber –«
»Ganz genau«, unterbrach Daisy mich, als hätte ich ihr zu hundert Prozent recht gegeben. »Wenn sogar das denkst, sind wir auf jeden Fall auf der richtigen Spur. Ich mag ihn nicht, und ich mag nicht, dass er in meinem Zuhause ist. Was Menschenkenntnis angeht, ist Mami manchmal nicht die Hellste, und in diesem Fall traue ich ihrem Urteil nicht über den Weg. Wie schon gesagt, wir müssen ihn im Auge behalten – und dieses Spiel verschafft uns die perfekte Gelegenheit dazu. Falls uns jemand überrascht, können wir – vollkommen wahrheitsgemäß – sagen, dass wir Verstecken spielen. Und falls man uns nicht entdeckt, erwischen wir Mr Curtis vielleicht auf frischer Tat dabei, wie er etwas Verbotenes tut. Immerhin sollte er jeden Moment aus dem Esszimmer kommen. Alles klar?«
Ich sah sie an. Daisy hat einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, was ihre Dinge angeht, und ich dachte, ihre Worte würden allein daher rühren. Trotzdem war es seit vier Monaten der vielversprechendste Fall – wenn das hier keine Untersuchung lohnte, was dann? Und immerhin, redete ich mir ein, was auch passieren würde, Fall würde uns nicht in Gefahr bringen. Jedenfalls würde kein Mord daraus werden.
»Alles klar«, sagte ich vorsichtig.
»Noch bin ich nicht sicher«, sagte Daisy, »aber ich glaube, man kann ihm zutrauen, etwas zu stehlen, findest du nicht? Oder Mami dazu zu bringen, ihm etwas schrecklich Wertvolles zu überlassen? In unseren schönen Sachen herumzuschnüffeln und dann so zu tun, als wären sie nichts wert! Tja, vielleicht fällt Mami darauf herein, aber ich sicher nicht! Was er auch vorhat, wir müssen davon ausgehen, dass er es an diesem Wochenende durchzieht. Von wegen, er sei wegen der Feier hier! Wir müssen Onkel Felix nur ausreichend Beweise liefern, bevor dieser Schurke entwischen kann. Deshalb musst du sofort unter den Schrank dort drüben krabbeln. Ich verstecke mich unter dem Tisch hier, und dann beobachten und belauschen wir, so gut wir können.«
Ich betrachtete den Schrank. Der Raum darunter wirkte unglaublich eng. »Daisy«, setzte ich an. Doch natürlich hatte Daisy sich bereits verschanzt, und natürlich hatte sie dasjenige Versteck gewählt, dass mehr Platz bot. Ich hatte keine andere Wahl, als mich unter den Schrank zu quetschen.
Es war ungeheuer dunkel und staubig, außerdem extrem beengend. Unglücklich lag ich da, während der Geruch von Zigarren unter der geschlossenen Esszimmertür hervorwallte, sich mit dem Staub vermengte und meine Nase zu kitzeln begann.
Jedes Mal, wenn ich mich bewegte, zischte Daisy mich wie eine Gans an. Als sich die Tür endlich öffnete und zehn glänzend schwarze Schuhe an meinem Gesicht vorbeimarschierten, war ich wirklich zornig. Manchmal ist es alles andere als ein Vergnügen, der Detektei anzugehören.
»Billard?«, schlug Lord Hastings in seinem dröhnenden vollen Tonfall vor.
»Ich nicht«, lehnte Mr Curtis ab, dessen Schuhe direkt vor meiner Nase verharrten. »Ich habe noch zu tun.«
»Doch sicher nichts Geschäftliches?«, hakte Onkel Felix in seinem abgeklärtesten, kühlsten Ton nach. »Ich hoffe, Sie werden nicht von früh bis spät am Telefon hängen … Immerhin sind Sie zu Gast auf einer Feier. Vergessen Sie nicht, sich zu amüsieren.«
»Oh, machen Sie sich darüber keine Sorgen.« Mr Curtis triefte vor Arroganz. »Das Vergnügen vergesse ich nie. Und ich verspreche Ihnen, ich habe keinen Bedarf für das Telefon. Alles, was ich brauche, befindet sich hier auf Fallingford.«
Ich zuckte zusammen und der...




