E-Book, Deutsch, Band 21, 304 Seiten
Reihe: Penguin Edition
Stevenson Die Schatzinsel
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-641-29994-1
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman - Penguin Edition (Deutsche Ausgabe) – Die kultige Klassikerreihe – ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022
E-Book, Deutsch, Band 21, 304 Seiten
Reihe: Penguin Edition
ISBN: 978-3-641-29994-1
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit seiner 'Schatzinsel' schrieb der Schotte Stevenson nicht nur einen Bestseller, sondern einen der bekanntesten Romane der Weltliteratur überhaupt. Ursprünglich zur Unterhaltung für Kinder gedacht und deshalb in einem 'ganz einfachen Stil' verfasst, traf das Buch auf Anhieb einen Nerv. Die Abenteuergeschichte begeisterte seither Jung und Alt gleichermaßen und befeuerte die Fantasie vieler Generationen. Noch heute macht es Leser und Leserinnen zu willigen Komplizen von Jim Hawkins und Long John Silver.
Die Anleihen bei dieser süffigen Piratengeschichte sind übrigens so zahllos wie Sand am Meer - von Käpt'n Sharky über Käpt'n Iglo bis Fluch der Karibik - und haben sich tief in unser kollektives Bildergedächtnis eingegraben. Dass man sich Piraten am liebsten mit einem Papagei auf der Schulter und auf einem Holzbein hinkend vorstellen, haben wir Stevensons Klassiker zu verdanken, genauso dem Sehnsuchtsbild von palmenbestandenen Südseeinseln oder vergilben Schatzkarten, auf denen das X auf einen vergrabenen Schatz hinweist.
PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt. - Ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022
Robert Louis Stevenson (1850-1894), geboren in Edinburgh, wollte zunächst Ingenieur werden wie sein Vater, musste diesen Plan jedoch aufgeben, weil er schon früh an einem Lungenleiden erkrankte. Er studierte stattdessen Jura und arbeitete anschließend für verschiedene Zeitschriften. Seinen ersten großen literarischen Erfolg feierte er 1883 mit seiner Abenteuergeschichte 'Die Schatzinsel', weitere mit unheimlichen Geschichten in der Nachfolge Poes. Seine Einkünfte erlaubten dem gebürtigen Schotten lebenslanges Reisen auf der Suche nach einem Klima, das bekömmlicher war als das heimische. Er fand es auf Samoa, wo er im Alter von 44 Jahren starb.
Weitere Infos & Material
1
Der alte Seebär im «Admiral Bettbow»
Gutsherr Trelawney, Dr. Livesey und die übrigen Gentlemen haben mich gebeten, alles, was mit der Schatzinsel zu tun hatte, ausführlich aufzuschreiben, vom Anfang bis zum Ende, ohne etwas auszulassen, außer der genauen geografischen Lage der Insel, und auch diese nur, weil es da noch ungehobene Schätze gibt. So greife ich denn im Jahre des Heils 17** zur Feder und versetze mich in die Zeit zurück, als mein Vater noch den Gasthof «Admiral Benbow» führte und der braun gebrannte alte Seebär mit der Säbelnarbe sich bei uns einquartierte.
Ich erinnere mich noch, als ob es gestern gewesen wäre, wie er auf die Tür des Gasthofs zustapfte, während seine Seekiste auf einem Schubkarren hinterherkam – ein großer, stämmiger, braun gebrannte Mann mit einem verfilzten Zopf, der auf den schmuddligen blauen Rock herabhing; knorrige, verschrammte Hände mit schwarzen Fingernägeln hatte er und quer über die eine Wange diese bläuliche Säbelnarbe. Ich weiß noch, wie er in der Bucht Ausschau hielt und dabei vor sich hin pfiff, worauf er in das alte Seemannslied ausbrach, das wir in der Folge so oft von ihm hörten:
«Fünfzehn Mann auf Totmannkasten –
Jo-ho-ho, und ’ne Buddel voll Rum!»
mit der zittrigen Fistelstimme, die offenbar am Gangspill geschult worden war. Dann bullerte er mit einem Stock, nicht unähnlich einer Handspake, an die Tür, und als mein Vater öffnete, verlangte er barsch ein Glas Rum. Dieses trank er daraufhin genießerisch in kleinen Schlucken, während er immer noch die Ufergegend und unser Aushängeschild musterte.
«Eine stille Bucht», sagte er schließlich, «und ein günstig gelegenes Lokal. Viel Betrieb hier, Kamerad?»
Nein, erwiderte mein Vater, es gebe nur wenig Betrieb, leider.
«Dann ist das die richtige Bleibe für mich», erklärte der Fremde. «Du dort», rief er zu dem Mann, der den Schubkarren schob, «scher längsseits mit der Kiste und hilf sie rauftragen. Ich bleibe eine Zeit lang hier», setzte er hinzu. «Große Ansprüche stelle ich nicht; Rum und Speck mit Ei, das ist alles, was ich brauche, und diesen Felsen dort, um den Schiffsverkehr zu beobachten. Wie ich heiße? Nennt mich meinetwegen Käptn. Ach so, ich verstehe – da!», und er warf drei oder vier Goldstücke auf die Türschwelle. «Ihr könnt es mir sagen, wenn ich das durchgebracht habe», erklärte er in gebieterischem Ton.
Trotz seines unansehnlichen Aufzugs und des rüden Tons wirkte er tatsächlich nicht wie einer, der als Mann vorm Mast zur See geht; sein Auftreten war eher das eines Steuermanns oder Skippers, der gewohnt ist, Gehorsam vorzufinden oder mit Gewalt durchzusetzen. Der Mann mit dem Schubkarren teilte uns mit, der Fremde sei tags zuvor mit der Postkutsche angekommen und im «Royal George» abgestiegen; dort habe er sich nach den Gasthöfen längs der Küste erkundigt, und nachdem ihm der unsere als empfehlenswert, wenn auch abgelegen, geschildert worden war, hatte er sich für ihn entschieden. Und das war alles, was wir über unseren Gast erfuhren.
Er selber war sehr wortkarg. Den ganzen Tag hielt er sich mit einem Messingfernrohr draußen am Ufer der Bucht oder auf den Anhöhen auf, und am Abend saß er jeweils in einer Ecke der Gaststube in der Nähe des Kaminfeuers und trank Rum, fast unverdünnt. Wenn man ihn ansprach, gab er meistens keine Antwort, er schaute bloß grimmig auf und schnaubte wie ein Nebelhorn. Wir und die Leute, die bei uns aus und ein gingen, lernten bald, ihn in Frieden zu lassen. Jeden Tag, wenn er von seinem Rundgang zurückkehrte, fragte er, ob Seeleute vorbeigekommen seien. Zuerst glaubten wir, es sei der Mangel an Gesellschaft mit seinesgleichen, was ihn danach fragen ließ; mit der Zeit merkten wir jedoch, dass er ihnen aus dem Weg zu gehen trachtete. Wenn einmal ein Seemann, der auf der Küstenstraße nach Bristol unterwegs war, im «Admiral Benbow» übernachtete, dann musterte er ihn zunächst durch die verhängte Tür, ehe er in die Gaststube trat, und er verhielt sich immer mucksmäuschenstill, wenn einer anwesend war. Mich wunderte das nicht weiter, ich war gewissermaßen in seine Befürchtungen eingeweiht. Er hatte mich eines Tages beiseitegenommen und mir versprochen, ich solle am Ersten jedes Monats ein Vierpencestück erhalten, wenn ich «die Augen offenhalte nach einem einbeinigen Seemann» und es ihm melde, sobald ein solcher auftauche. Zwar kam es oft vor, wenn ich am Monatsersten meinen Lohn einfordern wollte, dass er nur ein Schnauben von sich gab und mich wortlos mit Blicken durchbohrte, bis ich mich trollte; doch besann er sich jeweils noch im Laufe der Woche eines Besseren, brachte mir mein Vierpencestück und schärfte mir abermals ein, nach dem «einbeinigen Seemann» Ausschau zu halten.
Wie dieser Einbeinige mich bis in meine Träume hinein verfolgte, brauche ich kaum zu erwähnen. In stürmischen Nächten, wenn der Wind überall am Haus rüttelte und die Brandung krachend ans Ufer schlug, sah ich ihn in tausendfacher Gestalt mit tausenderlei teuflischen Fratzen vor mir. Bald war das Bein am Knie amputiert, bald an der Hüfte, und manchmal war er eine Art Missgeburt und hatte immer nur ein Bein gehabt, nämlich in der Mitte des Körpers. Wie er mich dann verfolgte, indem er über Gräben und Hecken hinwegsetzte, das waren grässliche Angstträume. Mein monatliches Vierpencestück hatte ich mir damit redlich verdient.
Obwohl mich der Gedanke an den einbeinigen Seemann dermaßen ängstigte, hatte ich andererseits vor dem Käptn selber weitaus weniger Angst als alle andern, die ihn kannten. Es gab Abende, wo er mehr trank, als er vertragen konnte; dann saß er da und grölte seine lästerlichen alten Seemannslieder, ohne Rücksicht auf die Anwesenden. Bisweilen kam es aber vor, dass er eine Runde ausgab und die verängstigten Gäste nötigte, sich seine Geschichten anzuhören und in seinen Gesang mit einzustimmen. Oft habe ich dieses «Jo-ho-ho, ’ne Buddel voll Rum!» erschallen hören, dass das ganze Haus wackelte, weil alle in ihrer Todesangst aus Leibeskräften mitsangen, einer lauter als der andere, um bloß nicht aufzufallen. Wenn diese Anwandlungen über ihn kamen, duldete er nämlich keinen Widerspruch; er schlug dann mit der flachen Hand auf den Tisch, um Stillschweigen zu gebieten; wenn ihn einer etwas fragte, hatte das einen Wutausbruch zur Folge; manchmal brauste er auch auf, wenn keine Frage gestellt wurde, weil er daraus auf mangelnde Aufmerksamkeit schloss. Auch duldete er dann nicht, dass jemand die Gaststube verließ, ehe er sich selber schläfrig getrunken hatte und in seine Kammer torkelte.
Was die Leute aber am meisten ängstigte, das waren seine Geschichten. Grässliche Geschichten waren das; meistens handelten sie davon, wie einer gehängt wurde oder über die Planke springen musste oder im Sturm umkam, oder sonst von wildbewegten Geschehnissen auf den Inseln unter dem Wind im Karibischen Meer. Nach dem, was er selber sagte, musste er sein Leben unter den gottlosesten Menschen verbracht haben, die je die Weltmeere unsicher gemacht hatten; und die Sprache, die er dabei im Mund führte, entsetzte das biedere Landvolk fast ebenso sehr wie die Schandtaten, die er schilderte. Mein Vater meinte immer, der Fremde werde ihm noch die paar Stammgäste vertreiben; aber ich glaube, das Gegenteil war der Fall. Zwar erschauerten die Leute ein ums andere Mal, doch hinterher fanden sie, es sei doch eine willkommene Abwechslung in ihrem ereignislosen Dasein gewesen. Unter den jüngeren gab es sogar welche, die Bewunderung für ihn an den Tag legten, ihn einen «waschechten Seebären», eine «richtige alte Wasserratte» nannten und erklärten, er gehöre zu dem Schlag, der England zur Seemacht verholfen habe.
In einer Hinsicht allerdings drohte er uns doch zugrunde zu richten; er blieb nämlich eine Woche um die andere und schließlich monatelang, sodass er sein Zehrgeld längst aufgebraucht hatte; dabei brachte es mein Vater nicht über sich, auf weiteren Zahlungen zu bestehen. Wenn er je darauf anspielte, schnaubte der Käptn so laut, dass uns angst und bange wurde, und durchbohrte meinen armen Vater mit Blicken, bis der sich wortlos davonmachte. Ich habe ihn nach einer solchen Schlappe verzweifelt die Hände ringen sehen; sicher haben Ärger und ausgestandene Angst seinen vorzeitigen Tod beschleunigt.
Solange er bei uns wohnte, wechselte der Käptn seine Kleidung überhaupt nie, außer dass er einmal einem Wanderkrämer Strümpfe abkaufte. Als sich an seinem Dreispitz auf einer Seite die Krempe löste, ließ er sie von da an hängen, obwohl es ihn bei windigem Wetter sehr störte. Ich erinnere mich noch gut, wie sein Rock aussah, den er selber in seiner Kammer droben flickte, bis das Ganze aus lauter Flicken bestand. Nie schrieb oder erhielt er einen Brief; auch redete er mit keinem Menschen, höchstens mit den Nachbarn, und auch mit diesen nur, wenn er zu viel Rum getrunken hatte. Die große Seekiste hatte niemand von uns je offen gesehen.
Nur einmal zog er den kürzeren, und das geschah erst spät, als mein armer Vater bereits dahinsiechte, dem Ende seiner Tage entgegen. Eines Abends kam Dr. Livesey den Kranken besuchen, ließ sich dann von meiner Mutter etwas zu essen geben und verfügte sich in die Gaststube, um dort eine Pfeife zu rauchen, bis ihm aus dem Ort sein Pferd gebracht werde; Stallungen waren bei uns nämlich keine vorhanden. Ich folgte ihm in die Gaststube und weiß noch gut, dass mir auffiel, wie der blitzsaubere Arzt mit seiner weiß gepuderten Perücke, dem lebhaften Blick und umgänglichen Wesen sich abhob von dem ungehobelten Landvolk, unter dem sich auch jener versoffene Kerl befand. Die Arme auf den Tisch gestützt, saß er da, und plötzlich fing er an, sein...