E-Book, Deutsch, 112 Seiten
Stöhr Spiritualität und Digitalisierung unserer Lebenswelt
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7583-4581-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Brauchen wir im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz eine neue Ethik?
E-Book, Deutsch, 112 Seiten
ISBN: 978-3-7583-4581-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spiritualität und Digitalisierung sind Phänomene unserer Lebenswirklichkeit. Während das Spirituelle den Menschen schon über viele Jahrtausende trägt, hat das Digitale erst im vergangenen Jahrhundert seine Wirkungskraft entfaltet. Heute ist mehr denn je die Lebenswelt des Menschen spirituell und digital durchdrungen. Spiritualität und Digitalisierung - beide können kaum unterschiedlicher sein. Was verbindet sie miteinander? Bestehen zwischen ihnen Wirkungskräfte, die sich gegenseitig beeinflussen und Veränderungen hervorbringen? Was bedeutet das für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz? Wird eine neue Ethik gebraucht? Die vorliegenden Thesen gehen Fragen nach, die gedankliche Marker für einen Diskurs über Natur, Technik und Gesellschaft, Bewusstsein, bewusstes Sein und Seinsbewusstsein, Glauben, Meinen und Wissen, Denken und Intelligenz, Spirituelles und Digitales, Spiritualität und Digitalität, spirituelle Digitalität und digitale Spiritualität, Künstliche und Emotionale Intelligenz sowie über spirituellen und digitalen Humanismus setzen. Die zentrale These heißt: Die Spiritualität wird im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) immer mehr zu einem erforderlichen Regulativ, um Gefahren einer zügellosen Digitalisierung und KI-Entwicklung begegnen zu können. Die Verantwortung des Menschen für eine nachhaltige Zukunft wird als ethisches Prinzip angemahnt. Kann ein resonanter Humanismus ein Lösungsweg sein?
Hans-Jürgen Stöhr, Jg. 1949, lebt in Mecklenburg-Vorpommern. Er studierte 1968 - 1975 Philosophie und Biologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, diplomierte, wurde promoviert und habilitierte 1980 an der Universität Rostock. Bis 1991 war er an dieser Universität tätig, lehrte im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich das Fach Philosophie und leitete eine Forschungsgruppe sowie den interdisziplinären Arbeitskreis "Philosophie und Wissenschaften" an der Universität. 1992 verließ Hans-Jürgen Stöhr als Hochschuldozent die Universität und nahm 1993 eine freiberufliche Tätigkeit am Institut für ökosoziales Management mit den Schwerpunkten, Management, Kommunikation und Ethik auf. 2012 gründete der Philosoph in Rostock eine Philosophische Praxis. Sie hatte das Ziel, das Philosophieren aus dem Universitären auf die "Straße" für jene zu holen, die Lust und Freude am Philosophieren haben, jedoch keine Philosophen von Profession sind. Zur Philosophischen Praxis gehören heute neben der Beratung verschiedene öffentlich zugängliche Veranstaltungsformate. Die Vorbereitung und Durchführung der Rostocker Philosophischen Tage seit 2016 bilden dabei einen Schwerpunkt seiner außeruniversitären philosophischen Tätigkeit. Hans-Jürgen Stöhr publizierte während der Zeit seiner Philosophischen Praxis Bücher zu Themen über das Scheitern, Begegnungen, Alter(n) und Zeit. Er ist Vater von drei Söhnen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
(1) Die Welt, mit und in der wir leben, ist zutiefst dialektisch. Nichts steht außerhalb von ihr. Sie beherbergt Natur und Technik, Mensch und Gesellschaft – Materielles und Ideelles, Objektives und Subjektives. Alles konstituiert sich in einer werdenden und entwickelnden, entstehenden und vergehenden Gegensätzlichkeit. Das Sein und Geschehen in ihrer Dialektik zu begreifen ist Grundlage dafür, die Welt sowohl zu verstehen als auch in ihr mit Erfolg zu agieren. Das Weltbild des Menschen ist unmittelbar und geschichtlich mit dem seines Menschenbildes verknüpft. Ein Bild vom Wandel der Welt führt zum Bild des Wandels menschlichen Selbstverständnisses. Die Qualität und Historie des Menschbildes sind eng mit den in der Gesellschaft einhergehenden Techniktransformationen verbunden. Sie bringen letztlich die gewandelten Menschenbilder hervor. Jede Betrachtung auf unsere Lebenswelt macht eine dialektische Sicht auf sie erforderlich, weil sie von Natur aus dialektisch ist. Jeder Blick am Dialektischen vorbei bedeutet das Verkennen ihres Naturcharakters und zeugt von philosophischer Ignoranz. Die Erkenntnis, dass es in der Welt dialektisch zugeht, ist die Voraussetzung dafür, das Dialektische im menschlichen Denken aufzunehmen und adäquat handeln zu können. Das geschieht mit dem Wissen, dass jede in den Dingen und Geschehnissen sowie im Menschen innewohnende Dialektik – an Bedingtheit und Bestimmtheit, Werden und Vergehen, Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit – ein stetiger grenzgängerischer Akt im Umgang mit unserer Lebenswirklichkeit ist. Es ist die Botschaft, das menschliche Denken und Handeln als Teil dieser dialektischen Welt zu begreifen. Eine Weltensicht im Entweder vs. Oder, Schwarz vs. Weiß oder Gut vs. Böse verklärt den erforderlichen Blick auf ein Sowohl - Als auch, auf die vielen Zwischen- bzw. Grautöne in der Lebenswirklichkeit. Aufgedeckte Ambivalenzen und Ambiguitäten versetzen menschliches Denken und Handeln in grenzwertige Dilemmata. Sie erscheinen als Gegensätzlichkeiten in der Lebenswelt und manifestieren sich als Gegensätze im Bewusstsein des Menschen. Der Mensch lebt mehr denn je in einer komplexen, dynamischen Wirklichkeit. Ihr Charakter zeigt sich im gewissen Ungewissen, mit dem er als Individuum und Gesellschaft konfrontiert wird. Als Welten des Menschen seien jene ausgewiesen, die mit dem Dasein und Wirken des Menschen verbunden sind. Es ist dessen Körper-, Geistes- und Gefühlswelt, die er sowohl reflektieren als auch auf sie Einfluss nehmen kann. Es ist jene Welt, die der Mensch mit sich selbst erfährt. Mit diesen Welten eng verbunden ist die Welt der Technik. Sie ist der Aus-Wurf des Menschen. Sie zeugt von der menschlichen Fähigkeit, Natur in Technik zu transformieren und sich gleichermaßen der Natur und Technik zu bedienen bzw. sie für sich nutzbar zu machen, was sein eigenes Werden, die Gesellschafts- und weitere Technikentwicklung beflügelt. Die Technikwelt ist die vom Menschen in seine Welt transformierte Naturwelt. Die Naturwelt ist die von Menschen beeinflusste, veränderte und für sich gestaltete Natur. Pflanzen und Tiere wurden domestiziert, Sorten und Rassen gezüchtet. Der Ur-Wald wurde vielerorts zu einem Kultur- bzw. Nutzwald geformt. Die Welt der Natur selbst ist jener Bereich der Wirklichkeit, deren Existenz nicht von der menschlichen Lebenswelt abhängig ist. Sie entwickelt sich und geht ihre Wege (Gesetze) ohne Zutun des Menschen. Die Natur braucht den Menschen nicht. Menschliche Lebenswelten sind dagegen überall dort zu finden, wo der Mensch sich durch sein Wirken verändernd, gestaltend einbringt. Die physischen Berührungen, Einflussnahmen, die vom Menschen hervorgebrachten Entwicklungen und Kreationen lassen die Welt des Menschen zur Welt des menschlichen Lebens werden. Mit zunehmender Wirkungsmacht wird die Welt des Menschen zu einer vom Menschen bestimmenden Lebenswelt. Sie ist die vom Menschen gewandelte Welt, zu der er gestalterischen Zugriff hat, auf sie Macht ausübt, sie verändert, kontrolliert und damit beherrscht. Sie ist jener Teil der Menschenwelt, der sich durch des Menschen Geist und Hand zu einer Kultur menschlichen Lebens entwickelte. Diese Weltendifferenzierung in eine Welt des Menschen zum einen und in die einer menschlichen Lebenswelt zum anderen, hilft den Blick auf das Wesen und den Charakter des Spirituellen und Digitalen zu schärfen und angemessen zuzuordnen. Beide sind sie Phänomene in der Welt des Menschen, als solche mit und durch den Menschen existent und zugleich wirksam mit hoher menschlicher Gestaltungskraft. Spirituelles und Digitales sind gleichermaßen Welten des Menschen und menschliche Lebenswelten. Das Spirituelle steht dem Bewusstsein sehr nahe und auch wieder nicht, weil es zum einen im und zum anderen außerhalb des menschlichen Bewusstseins angesiedelt ist (wird). Es verkörpert sowohl den Charakter des menschlichen Geistes als auch die mit ihm gebrauchten Artefakte und Verhaltensweisen – und ggf. auch als Geist außerhalb des menschlichen Bewusstseins. Für das Digitale ist ebenso ein weltenbezogener Doppelcharakter auszumachen. Das Digitale ist zum einen eine Entwicklungsform desTechnischen, gewachsen aus der Kreativität des menschlichen Bewusstseins, und zum anderen ein vom Menschen gewandeltes Naturprodukt. Technik ist durch den Menschen geformte Natur, die außerhalb des menschlichen Seins und des Bewusstseins steht. Spirituelles und Digitales bewegen sich in unserem Denken und im Umgang mit ihnen zwischen der Welt der Natur und des menschlichen Bewusstseins. Es ist eine gegensätzliche Weltenbegegnung, die in der Schaffung und Beherrschung gezielt vom Menschen Aufmerksamkeit abverlangt. Das Menschenbild ist ein Produkt menschlichen Selbst-Seins, und Verantwortungsbewusstsein das sich in der Auseinandersetzung des Menschen mit Natur und Umwelt, Technik und Gesellschaft formierte. In ihm bilden sich seine geistig-kreativen Fähigkeiten zur Naturaneignung und -beherrschung, zur Konstruktion, Entwicklung und Handhabung von Werkzeugen, die Vorstellungen und das praktische Zusammenleben mit und unter anderen Menschen ab. Das Menschenbild folgt Veränderungen menschlicher Lebensweisen. Es ist nicht statisch, sondern wie die Gesellschaftsgeschichte selbst dynamisch angelegt. Das Menschenbild wandelt sich mit grundlegenden Veränderungen in Natur, Technik und Gesellschaft. Das Menschenbild versteht sich als ein geschichtlich gewonnenes und geronnenes Verständnis über den Menschen selbst. Es bildet das Wesen des Menschen in einem zeitlich-geschichtlichen Kontext ab und vermittelt eine Orientierung im Umgang mit sich und seiner Lebenswelt. Mit ihm sind Annahmen und Überzeugungen verbunden, die der Mensch in seinem Denken und Handeln zum Ausdruck bringt. Es ist das Bild, das der Mensch in Gestalt von Leit- und Handlungsmotiven für sich selbst bereitstellt. Als solches übt es eine wichtige normative Leitfunktion im und für das Zwischenmenschliche, den Umgang mit Natur und Technik, die Lebenswelt als Ganzes aus. Die Geschichte von Mensch, Technik und Gesellschaft spiegelt sich in der Geschichte transformierter Menschenbilder wider. Die Geschichte des Homo sapiens ist zudem eine Geschichte eines Homo technicus, gewandelt zu einem Homo digitalis. Alle Kraft ist sinnstiftend eingesetzt, wenn das Spirituelle des Menschen sich mit dem Digitalen nachhaltig verbindet. (2) Unsere Welt ist nicht nur in Bewegung, Veränderung und Entwicklung begriffen. Sie zeigt sich durch menschliches Hinzutun in einem steten Wandel. Der Wandel stellt alles Bisherige in den Schatten erfahrbarer Welten-Realität. Er versteht sich als Ausdrucksform der Welt in ihrer Besonderheit an Entwicklung und Komplexität, menschlicher Gestaltungskraft und Wirksamkeit. Es ist wert, den Begriff des Wandels angesichts heutiger Dynamik in Natur und Technik, Mensch und Gesellschaft hervorzuheben, der das vom Menschen Gemachte in sich trägt. Gewandeltes ist vom Menschen Entwickeltes (Bewegtes, Verändertes). In den Weltenwandlungen mischen sich Zeitenwende und Wendezeit, die auf erforderliche Entscheidungs- und Handlungsoptionen aufmerksam machen. Sie signalisieren Umbrüche, die das menschliche Verantworten in besonderer Weise herausstellen. Der Weltenwandel vereint heute vier zusammenhängende Transformationsprozesse: Globalisierung, Digitalisierung, Klima-(Natur)-wandel und Weltgesundheit. Keine der Transformationen steht für sich. Sie sind miteinander vernetzt, beeinflussen sich gegenseitig und agieren in einer wechselseitigen Weltabhängigkeit. Eine von ihnen ausgehende Wandlung ist Resultat einer und Bedingung für eine jeweils andere. Sie repräsentieren die Einheit der Welt in ihren Wandlungen. Wandlungen zeigen sich durch vom Menschen hervorgebrachte Weltenentwicklungen und sind gleichsam von kultureller Natur. Sie sind vom Menschen geprägt, von ethischen Werten und Normativen bestimmt. Im Wandel verbirgt sich angesichts heutiger Zeit der Charakter der Zeitenwende. Dahinter zeigt sich eine im Wandel hervortretende Zeit erforderlicher Wendungen....




