Buch, Deutsch, Band 93, 160 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm
Reihe: Reihe Lyrik
abenteuergedicht
Buch, Deutsch, Band 93, 160 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm
Reihe: Reihe Lyrik
ISBN: 978-3-948336-30-1
Verlag: Kookbooks
Krähe ist kein lyrischer Frischling. Sein erster Auftritt fällt auf den Oktober 1970, als bei Faber & Faber Ted Hughes‘ Gedichtband „Crow. From the Life and Songs of the Crow“ erscheint. Er habe mit „Crow“ eine Sammlung von Liedern „with no music, in a Super-simple and super-ugly language“ schreiben wollen, sagt Hughes – und war durchaus erfolgreich damit. „Crow“ ist in seiner Dunkelheit und seiner schwer erträglichen Gewalttätigkeit ein singuläres Ereignis in der Lyrikgeschichte, was durch die Übersetzung von Elmar Schenkel spätestens 1986 auch im deutschsprachigen Raum wahrgenommen werden konnte. Ich selbst habe das Buch ein Jahr später gelesen, war schockiert und schwer beeindruckt zugleich, und wusste, dass ich so etwas irgendwann auch einmal versuchen wollte. Bis dahin hat es nun fast vierzig Jahre gedauert – und herausgekommen ist natürlich etwas ganz anderes. „rückkehr von krähe“ ist ein langes Abenteuergedicht in 14 Abteilungen, und von Ted Hughes‘ ursprünglicher Konzeption hat eigentlich nur der Protagonist überlebt: Krähe, eine Figur, von der wir nach wie vor nicht wissen, wen wir da eigentlich vor uns haben: einen Vogel, einen Menschen (und falls ja: einen Mann oder eine Frau?), eine Trickster-Gestalt, einen Gott oder einen Teufel. Elmar Schenkel hat seinem Nachwort zur deutschen Ausgabe von „Crow“ ein Zitat aus Franz Kafkas Zürauer Aphorismen vorangestellt, und gerne würde ich diese beiden Sätze auch für „rückkehr von krähe“ in Anspruch nehmen: „Die Krähen behaupten, eine einzige Krähe könnte den Himmel zerstören. Das ist zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn Himmel bedeutet eben: Unmöglichkeit von Krähen.“
—Ulf Stolterfoht
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
in der mitte der zu beschreibenden landschaft liegt eine ausgedehnte wüstenei.
dort hat man der lyrik seit menschengedenken erfolgreich einen riegel
vorgeschoben. von den kämmen der schwäbischen alb bis tief hinein in
den thüringer wald erstreckt sich diese prosaische ödnis. hier wirst du (ich
schwöre!) nicht eine rhythmisierte zeile finden. den begriff „metrum“ kennt
.
man nur via benno von wiese. durch die düster-engen täler fließen wasser,
die schwer sind von caesium, radium, blei. die ebenen aber sind weiß von
salz – und wer das salz berührt, dem bleiben noch höchstens zwei tage. über-
wältigender eindruck von trostlosigkeit, fast wollen dich elend und unglück
erdrücken. hier wohnt schon lange niemand mehr, doch manchmal ziehen
.
erstnationen durch: schwarzfüße, lederstrümpfe, rabenleute oder gepflockte
nasen, in verfolgung von huhn, hahn und fasan. für ihre kühnheit büßten
viele bitterlich. weiterhin schleicht kojote durchs gestrüpp, steht der bus-
sard träge im pesthauch, den man hier „luft“ zu nennen beliebt. der bär liegt
höhlendunkel, das szepter aber gebühret einzig dem schwan. ansonsten regt
.
sich wenig zwischen latschenkiefer und toxischem wacholder. da mag man
noch so sehr lauschen, nichts ist zu vernehmen, nur stille, grausam lastende
stille. in ungefähr östlicher richtung schlängelt sich ein ausgetretner pfad, der
heiße wind treibt steppenhexen vor sich her. seitlich des weges liegt etwas und
schimmert vor sich hin. tritt näher und betrachte es genau! es sind knochen,
.
kleine und große, komplette schenkelgelenke darunter, die haben einst ochsen-
menschen gedient, vielleicht auch rünstigen riesenwaranen. windungen des er-
littenen hungers, die sich über hunderte meilen ziehen. am bildrand aber, auf ei-
nem abgestorbenen baum, sitzt – schwarz, gemein und ungeschlacht: jemand, der
verdächtig nach krähe aussieht und lacht. und gar nicht mehr aufhört zu lachen.