Stransfeld | DeutschLand zerfällt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 219 Seiten

Stransfeld DeutschLand zerfällt

Warum einige immer mehr haben und viele sich immer schlechter fühlen
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944305-28-8
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Warum einige immer mehr haben und viele sich immer schlechter fühlen

E-Book, Deutsch, 219 Seiten

ISBN: 978-3-944305-28-8
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gegen die allgemeine Verarmung, für soziale Gerechtigkeit Das Dogma eines enthemmten Wachstums in der deutschen Wirtschaftspolitik begünstigt letztlich eine kontinuierliche Umverteilung von unten nach oben. Die Verarmung weiter Bevölkerungsschichten nimmt stetig zu und das, obwohl das Grundgesetz uns vor derartigen Gefahren bewahren und uns im aristotelischen Sinne 'ein gutes Leben' gewährleisten sollte. Was läuft da schief? Das Thema Gerechtigkeit ist zum Brennpunkt der politischen Diskussion geworden.
In seiner Streitschrift plädiert der Ökonom und Soziologe Reinhard Stransfeld für eine Reform des Grundgesetzes. Denn nur auf der Basis einer geänderten Verfassung, die den Einzelnen wirkungsvoll schützt, könnten die ökonomische Gerechtigkeit und der soziale Frieden unseres Landes gewahrt werden.

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Teil II: Wie es ist Gekonnt, aber nicht gewollt Am Scheitelpunkt Mit gesellschaftlichen Veränderungen verhält es sich ähnlich wie mit dem Klima. Werden die Folgen sichtbar, ist der Wandel bereits weit vorangeschritten; dann lässt sich trefflich darüber streiten, ob eine Umkehr noch möglich ist. Ist der Wandel von Menschen herbeigeführt, sollte es jedoch keiner übermenschlichen Anstrengungen bedürfen, um neue Wege zu finden. Man müsste es allerdings wollen. Was war die Vorgeschichte, die zur Zäsur im Jahr 1973 geführt hat? Da gibt es zum einen eine eigentlich erfreuliche Botschaft. Die Synergie von Technik und industrieller Organisation hatte so gewaltige Produktivitätssprünge ermöglicht, dass der Technikhistoriker Lewis Mumford einmal konstatierte, der Versorgungsgrad eines jeden Bürgers hätte nunmehr einen Stand erreicht, der im Altertum den Einsatz von Hunderten von Sklaven erfordert hatte.18 Und so kam es Mitte des 20. Jahrhunderts zu jenem bemerkenswerten Statement: »Die materielle Existenz ist in den Industriestaaten gesichert. Hier erhebt sich manchmal sogar die Frage, ob die Bedürfnisse ausreichen, um die Wirtschaft zu immer neuer Produktivitätssteigerung anzuregen.« Eine stille Revolution hatte sich vollzogen. Denn galt nicht die Knappheit der Güter als ein Postulat von nahezu naturgesetzlicher Geltung? Den Ökonomen war es recht gewesen (sie hatten es ja auch formuliert), sicherte es ihnen doch den Vorzug öffentlicher Aufmerksamkeit und entsprechende Mittelzuwendungen. Das gesellschaftliche Wertschöpfungssystem hatte gewissermaßen den Break-even-Point19 überschritten, die Knappheit war überwunden. Damit war allerdings nicht die Maxime ökonomischen Handelns außer Kraft gesetzt, es galt und gilt nach wie vor: Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man hat, und mehr aufwenden, als es einbringt. Im Übrigen war aus einzelwirtschaftlicher Sicht der Wachstumspfad steiniger geworden, denn wer alles hat, was er braucht, wird gewöhnlich nicht seinen Konsum steigern, was sich in stagnierenden Umsätzen der Anbieter niederschlägt. Als gesellschaftliche Perspektive eröffnet sich jedoch in dem Maße, wie Existenz jenseits der Knappheit möglich ist, die Chance, neue gesellschaftliche Prioritäten zu setzen, etwa: › Arbeitszeitverkürzung für alle anstatt Entlassungen sowie Arbeitszeitausweitung für die verbliebenen Beschäftigten zur weiteren Produktivitätssteigerung, Entzeitlichung anstatt Leistungsverdichtung, › Komplementarität und Kooperation anstatt Konkurrenz, › Nachhaltigkeit anstatt Profitmaximierung. Alles das erschien möglich Schließlich ist, nach der Überwindung materieller Zwänge, Raum für die Idee einer spirituellen Entfaltung des Menschen, frei von konfektionierten religiösen Ritualen und jenseits einer Orientierung, die lediglich Markierung am eigenen Bug ist – die Vision eines tiefen Sehnens, das Streben zum »Punkt Omega«.20 Der Befindlichkeit vieler Bürger dürfte allerdings die maslowsche Bedürfnispyramide21 näher sein: Nach der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse treten die »höherwertigen« sozialen Bedürfnisse nach Geltung und schließlich der Wunsch nach Selbstverwirklichung in den Vordergrund. Öffentlichkeitswirksam blieben allerdings die Entwicklungen im Beschäftigungssystem, immerhin bescherten die 1960er-Jahre den Berufstätigen erhebliche Arbeitszeitverkürzungen. Dies allerdings weniger aufgrund gesellschaftlicher Reflexion, sondern als Reflex auf die starke Position der Gewerkschaften. Arbeitskräfte waren knapp geworden, daher das Werben um »Gastarbeiter«. Noch bildeten Outsourcing bzw. Zulieferungen aus Leistungen billiger Arbeitskräfte in Schwellenländern keine Alternative. Doch in dem Maße, wie in den 1970er-Jahren die globale Lohnkonkurrenz aus Ländern mit geringen sozialen und ökologischen Standards wirksam wurde, fügte die aufkommende Globalisierung der zuvor glänzenden deutschen Arbeitsplatzbilanz erste Riefen bei. Die »Grenzen des Wachstums« Nachdringlicher denn je wird heute »Wachstum« als Heilmittel wirtschaftlicher und sozialer Probleme beschworen, nicht zuletzt, um den befürchteten Verteilungskämpfen zuvorzukommen und um dem Staatsschuldenkollaps zu entrinnen. Doch wie steht es mit den Wachstumspotenzialen, wenn Sättigung erreicht ist? Die abnehmende Zuwachsrate des BIP für Deutschland: Jahresdurchschnittswerte in den Jahrzehnten (Quelle: Stat. Jahrbücher; Stat. Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.5. 2011, S. 28). Unbeirrbar nähert sich das Wachstum der Nulllinie (auf europäischer Ebene ist diese bereits annähernd erreicht22), und bereits in den 1970er-Jahren hatte es die industrielle Produktivitätssteigerung unterschritten. Eigentlich wären weitere Produktivitätssteigerungen nicht erforderlich gewesen, zumal bei einer gesellschaftlichen Orientierung zu höherwertigen Bedürfnissen. Dieser Weg wurde jedoch nicht eingeschlagen, stattdessen verstärkten sich – scheinbar widersinnig – die ökonomischen Zwänge. Falsche Weichenstellung Lag es › an der Bildungsexpansion der 1960er- und 1970er-Jahre, die wesentlich zur Erosion der traditionellen Arbeitermilieus beitrug, › an der vom Neoliberalismus mit den Lockrufen von Freiheit und Privatheit forcierten Individualisierung, welche die Solidarität aushöhlten, › an der erstmals spürbar gewordenen Arbeitslosigkeit, dass sich in den 1970er-Jahren ein Umschwung vollzog? Das alles sind gewiss Phänomene der damaligen Zeit, doch sind sie wohl eher Teil eines Syndroms und nicht dessen Auslöser, geschweige denn dessen Ursache. In einer heterogenen, komplexen Gemeinschaft ist es kaum möglich, alle gleichermaßen zufriedenzustellen. So waren damals nicht alle froh über die erreichte Wohlfahrt, denn sollte sich die Welt tatsächlich vom harten Grund des Notwendigen in das luftige Reich des Wünschenswerten aufschwingen, gäbe es auch Verlierer. Solange es noch Bedarfslücken gab, verschaffte eine ausgeweitete, dank moderner Technik hochproduktive Fertigung höhere Umsätze – vorausgesetzt, die »economies of scale«, die Stückkostenvorteile der Massenproduktion, konnten am Markt realisiert werden. Doch wo waren die unendlich aufnahmefähigen Märkte? Sättigung bedeutet Stagnation, ein Schreckensszenario für die große Industrie. Auf gesättigten Märkten konnten die Industriegiganten ihre Kostenvorteile gegenüber einer mittelständischen Konkurrenz nicht mehr ausspielen, ihre nunmehr überdimensionierten Fertigungskapazitäten wären nur noch ein Klotz am Bein. Industriegiganten liefen Gefahr, als Dinosaurier der Ökonomie zu sedimentieren. In der einzelwirtschaftlichen Technikfortentwicklung ist eine bestimmte Verfahrensweise nahezu selbstverständlich. Sie lautet: Vereinfachung, Verkleinerung, Verfeinerung. Auf die Volkswirtschaft übertragen, hätte nach Überwindung der Knappheit im Sinne von Schumachers »Rückkehr zum menschlichen Maß«23 eine Orientierung zu einfachen, überschaubaren und »sozialintelligenten« Strukturen nahegelegen. Makroökonomisch sinnvoll, hätte dies jedoch den Todesstoß für die große Industrie und die mit ihr verwobenen Finanzinstitutionen bedeutet. Um dem zu entkommen, gab es für die Betroffenen zwei Optionen – beide wurden genutzt. Zum einen wurden durch immer weitere Innovationen neue Bedürfnisse erzeugt,24 möglichst durch Produkte, deren Fertigung den Einsatz teurer, hochmoderner Technik erforderte, mit Investitionsvolumina, die von Mittelständlern nicht gestemmt werden konnten. Geltungsbedürfnisse wurden auf Statusprodukte umgelenkt, somit aus ihrem ursprünglich sozialen Kontext herausgelöst und materiell verflacht.25 Hier findet sich der Grund für das Anschwellen »sinnfreier Werbung [...], die überfressenen Menschen Appetit machen soll«.26 Der zweite Weg war aufwendiger, weil zunächst Einfluss auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen genommen werden musste. Das Ziel: Ausweitung der Märkte. So wurde die Entwicklungshilfe zum Türöffner in Regionen, die aufgrund eines niedrigeren Entwicklungsstands einer einmal erzeugten Abhängigkeit von technischen Produkten und Systemen (aus Deutschland) nicht mehr entrinnen konnten. Jedoch war dies ein Nebenschauplatz. Das entscheidende Match wurde an anderer Stelle ausgetragen. Die Industrie drängte auf eine Öffnung der Grenzen, zunächst in Europa. Bereits im Jahr 1960...



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