Streeck-Fischer | Jugendliche zwischen Krise und Störung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

Streeck-Fischer Jugendliche zwischen Krise und Störung

Herausforderungen für die psychodynamische Psychotherapie
Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes.
ISBN: 978-3-608-12139-1
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Herausforderungen für die psychodynamische Psychotherapie

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

ISBN: 978-3-608-12139-1
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jugendliche verstehen und behandeln

- Differenziert: Was zeichnet die Adoleszenz aus und wann spricht man von einer Adoleszenzkrise?
- Anschaulich: Was die Psychotherapie mit Jugendlichen besonders macht
- Praktisch: Fallstricke in der Therapie Jugendlicher kennen und damit umgehen

Jugendliche halten Erwachsenen einen Spiegel vor. Sie machen auf gesellschaftliche Mängel aufmerksam, reagieren auf die Hypokrise der Elterngeneration und demonstrieren gegen eine Politik, die sich unzureichend um ihre Belange und ihre Zukunft kümmert. Aber was, wenn sie in ihrer Entwicklung in eine Krise geraten? Dieses Buch befasst sich mit den Fragen, die für die Psychotherapie von Jugendlichen in der Adoleszenz von Bedeutung sind:
- Sind Jugendliche heute „anders“ als früher?
- Wie wird die Adoleszenz heute bewältigt?
- Ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich, um aktuelle Erscheinungsformen von Adoleszenzkrisen und adoleszenten Störungsbildern zu verstehen?
Der erste Teil des Buches stellt psychische, soziale und neurobiologische Prozesse dar sowie daraus entstehende Entwicklungsaufgaben, Wege der Bewältigung und Risiken, die die Adoleszenz kennzeichnen. Im zweiten Teil behandelt die Autorin praxisnah die Adoleszenz- und Identitätskrisen, wie sie im psychotherapeutischen Kontext erkennbar werden. Im letzten Teil werden die besonderen Anforderungen an eine Psychotherapie von Jugendlichen ausführlich besprochen, die auf ihre psychosozialen Bedingungen ausgerichtet ist. Anhand von Therapie-Beispielen mit „schwierigen“ Jugendlichen werden schließlich häufige therapeutisch-technische Fehler diskutiert und Lösungswege vorgeschlagen.

Dieses Buch richtet sich an:
Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen aller Schulen, besonders PsychodynamikerInnen; Kinder- und JugendlichenpsychiaterInnen; SozialarbeiterInnen; PsychologInnen

Streeck-Fischer Jugendliche zwischen Krise und Störung jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1 Zur Adoleszenz Was ist Adoleszenz und warum ist sie so wichtig?
Das Jugendalter ist eine Zeit rapider körperlicher, psychischer und sozialer Veränderungen. Es umfasst mittlerweile einen Zeitraum von 12 bis 15 Jahren und länger. So beginnt die Pubertät mit 9 bis 12 Jahren, die Adoleszenz endet oft erst mit 23 bis 25 Jahren, oder auch später. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Pubertät durch die biologische Reifung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale deutlich früher beginnt, zum anderen damit, dass sich die Adoleszenz mit den psychosozialen Veränderungsprozessen immer weiter in das Erwachsenenalter (vgl. Arnett 2000) hinein verschiebt. Tabelle 1-1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz (vgl. Spano 2004; Christie, Viner 2005). Tab. 1-1 Die verschiedenen Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz. Veränderungen Biologisch Psychisch Sozial Frühe Adoleszenz Pubertät ? Brust- wachstum, Schamhaare, Wachstums- schub, Menarche ? Hoden- vergrößerung, Penis- wachstum Konkretes Denken, aber frühe moralische Konzepte, Auseinander- setzung mit sexueller Identität (sexuelle Orientierung), Neubewertung des Körperbildes Emotionale Trennung von den Eltern, Beginn ausgeprägter Identifikationen mit Gleichaltrigen, exploratorisches Verhalten, ggf, Rauchen, Gewalt Mittlere Adoleszenz ? Ende des Wachstums- schubs, Ausprägung eines weiblichen Körpers, Umverteilung des Fettgewebes ? Spermarche, nächtliche Pollutionen, Stimmbruch, Wachstums- schub Abstraktes Denken, Selbst noch eher gepanzert, wachsende verbale Fähigkeiten, Identifikation mit moralischen Werten, Begeisterung für Ideologien (religiös, politisch) Emotionale Trennung von den Eltern, starke Identifikation mit Gleichaltrigen, gesteigerte Gesundheits- risiken (Rauchen, Alkohol), beginnende berufliche Pläne Späte Adoleszenz ? Körper- behaarung, Muskel- wachstum Komplexes abstraktes Denken, Differenzierung zwischen Gesetz und Moral, verstärkte Impuls- kontrolle. Identitäts- bildung Entwicklung von sozialer Autonomie, intime Beziehungen, berufliche Perspektiven Psychotherapeuten und Jugendforscher entwerfen unterschiedliche Bilder der Adoleszenz. Während in der psychoanalytischen Literatur die Adoleszenz als eine Phase der Krise, des »Sturm und Drang« und des Aufruhrs dargestellt wird, die mit einer gewissen Ich-Schwäche einhergeht, wird in der akademischen Psychologie das Bild eines Jugendlichen beschrieben, der einen emotionalen und kognitiven Reifungsprozess durchläuft und vorwiegend adaptive Fähigkeiten zeigt, ein Jugendlicher, der neue Strategien des Umgangs mit und der Bewältigung von sozialen Bedingungen entwickelt und der über vielfältige Potenziale verfügt (Olbrich u. Todt 1984, Flammer, Alsaker 2002). Tatsächlich ist die Adoleszenz eine Zeit der biopsychosozialen Umstrukturierung, die sowohl mit der Entwicklung neuer Fähigkeiten als auch mit dem Verlust eines bisherigen inneren und äußeren Gleichgewichts einhergeht, eine Phase des Übergangs oder ein psychosoziales Moratorium4 im Sinne von Erikson (1976). Wenngleich die meisten Jugendlichen die Entwicklungsaufgaben dieser Zeitspanne erfolgreich bewältigen, geht die Adoleszenz in der Regel mit mehr Unruhe einher als die Kindheit und das Erwachsenenalter (Cicchetti, Rogosch 2002), so dass die Grenzen zwischen Normalität und Pathologie unklarer sind. Die Shellstudie (2019) kommt zu dem Ergebnis, dass die Jugend pragmatisch und tolerant in die persönliche Zukunft schaut. Das Internet ist allgegenwärtig, wird aber von zwei Drittel der Jugendlichen auch skeptisch betrachtet. Hervorgehobene Themen sind Umwelt und Klimawandel. Die unterschiedlichen Sichtweisen spiegeln nicht nur die Vielfalt der Bilder wider, die Jugendliche bieten. Sie zeigen auch, dass Psychotherapeuten und Jugendforscher jeweils eine andere Seite des Jugendlichen erfassen. Die akademische Psychologie hat mit ihren Fragebögen vor allen Dingen Zugang zu den kognitiven Strategien, den Copingstrategien und der Beschäftigung der Jugendlichen mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Demgegenüber beschäftigen sich Psychotherapeuten in erster Linie mit den emotionalen Bedingungen der Adoleszenz, die – wie epidemiologische und neurobiologische Studien zeigen – mit einigen Turbulenzen einhergeht (Dahl 2004; Blakemore et al. 2010). Lange wurde die Adoleszenz als ein Stiefkind der Psychoanalyse bezeichnet. Das ist insofern erstaunlich, als Freud (1905) zu Beginn seiner psychoanalytischen Tätigkeit mit Jugendlichen (Dora 18 Jahre, Katharina 16 Jahre sowie der namenlosen homosexuellen Jugendlichen) (Glenn 1980) gearbeitet hat. Allerdings fehlten damals sowohl Konzepte zum Verständnis dieser Entwicklungsphase und ihren Besonderheiten als auch praktische therapeutisch-technische Strategien zum Umgang mit Jugendlichen. Ab Ende der 50er Jahre verhalfen wichtige Beiträge wie die von A. Freud (1980a), Blos (1973), Erikson (1976) und Eissler (1966) der Psychotherapie Jugendlicher zu einem Durchbruch. Probleme, die sich aus dem adoleszentären Umstrukturierungsprozess und den damit verbundenen Labilisierungen ergeben, konnten nun in die Psychotherapie aufgenommen werden. In diesen frühen psychoanalytischen Beschreibungen wurde vermieden, eine klare Grenze zwischen krisenhaften und pathologischen Verläufen dieser Altersspanne zu ziehen, ein Umstand, der der Psychoanalyse wiederholt vorgeworfen wurde. Psychotische Schübe oder schwere Verhaltensstörungen wurden als »adolescent breakdown« gekennzeichnet, um diagnostische Festlegungen zu vermeiden (z. B. Laufer u. Laufer 1989; Nicolo 2003). Das war insofern sinnvoll, als damit den Entwicklungspotentialen dieser Zeitspanne Rechnung getragen und vermieden wurde, den Jugendlichen voreilig zu stigmatisieren, etwa mit der Diagnose einer Psychose. Die Vorstellung, eine Adoleszenzkrise könne sich auch in schweren Störungen der Persönlichkeitsentwicklung zeigen, ist nach heutigen Erkenntnissen obsolet (Streeck-Fischer 2014). So gehen etwa Fonagy und Target (2004) und andere davon aus, dass ein adoleszentärer Zusammenbruch das Resultat früher Entwicklungsstörungen bei einer...


Streeck-Fischer, Annette
Annette Streeck-Fischer, Prof. Dr. med. habil., Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychoanalytikerin, Hochschullehrerin an der International Psychoanalytic University Berlin (IPU). Von 1983 bis 2013 Chefärztin der Abteilung „Psychiatrie und Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen“ des Akademischen Lehrkrankenhauses Tiefenbrunn bei Göttingen. Von 2011 bis 2015 Präsidentin der ISAPP (International Society of Adolescent Psychiatry), derzeit Past-Präsidentin. Mitherausgeberin der Zeitschrift „Adolescent Psychiatry“; bis 2013 verantwortliche Herausgeberin der Zeitschrift „Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie“. Ehem. Mitglied in wissenschaftlichen Beiräten verschiedener psychotherapeutischer Zeitschriften, seit 2016 Mitglied des wiss. Beirats der französischen Zeitschrift „Cliniques“. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. zu Psychotherapie von Jugendlichen, Adoleszenz, Rechtsextremismus, Gewalt, Trauma, Misshandlung, Missbrauch, Borderlinestörungen in der Adoleszenz.

Annette Streeck-Fischer, Prof. Dr. med. habil., Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychoanalytikerin, Hochschullehrerin an der International Psychoanalytic University Berlin (IPU). Von 1983 bis 2013 Chefärztin der Abteilung „Psychiatrie und Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen“ des Akademischen Lehrkrankenhauses Tiefenbrunn bei Göttingen. Von 2011 bis 2015 Präsidentin der ISAPP (International Society of Adolescent Psychiatry), derzeit Past-Präsidentin. Mitherausgeberin der Zeitschrift „Adolescent Psychiatry“; bis 2013 verantwortliche Herausgeberin der Zeitschrift „Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie“. Ehem. Mitglied in wissenschaftlichen Beiräten verschiedener psychotherapeutischer Zeitschriften, seit 2016 Mitglied des wiss. Beirats der französischen Zeitschrift „Cliniques“. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. zu Psychotherapie von Jugendlichen, Adoleszenz, Rechtsextremismus, Gewalt, Trauma, Misshandlung, Missbrauch, Borderlinestörungen in der Adoleszenz.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.