E-Book, Deutsch, 150 Seiten
Strefford Zwischeneinander
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7546-0887-6
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 150 Seiten
ISBN: 978-3-7546-0887-6
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Was, wenn die Liebe vor einem steht, aber man nicht bereit dafür ist?
Richie setzt alles daran, seinem eigenen Glück im Weg zu stehen. Doch muss er wirklich erst sich selbst lieben, um von anderen geliebt werden zu können? Die Beziehung mit Maxi kann Richie nur anfangs genießen, denn unentwegt wartet er auf das Ende, von dem Richie sicher ist, dass es früher oder später kommen wird. Keine Liebe ist wie die andere und nichts Neues kann wachsen, so lange das Herz und die Seele noch mit dem Unkraut der Vergangenheit bewuchert sind. Aber erkennt auch Richie das früh genug?
Der zweite Roman mit Richie, bekannt aus 'Nur kurz leben', ausgezeichnet mit dem 1. Platz des tolino media Newcomerpreis 2020.
Catherine Strefford liest, gestaltet und schreibt Bücher.
Liebenswerte Antiheld*innen, ermutigendes Außenseitersein und das symbolische Licht nach der Dunkelheit - das sind die Themen in ihren Romanen.
Sie trägt überwiegend schwarze Oberteile, Tee ist ihr Kaffee und die Muse trifft sie regelmäßig beim Spazierengehen.
Ihr Debütroman "Nur kurz leben" wurde mit dem ersten Platz des tolino media Newcomerpreises 2020 ausgezeichnet.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
August 2015
»Bitte, bitte, bitte.« Stella umklammert Richies Arm, der seinen Kopf stützt, während er liest. Er liegt auf dem Bauch in seinem Bett, Stella sitzt im Schneidersitz auf dem Boden davor. Richie liebt Stella, aber kommt nicht in Frage.
»Stella«, brummt er missmutig. »Ein Doppeldate? Im Ernst?« Richie stiert weiter auf die Buchstaben seiner Unilektüre, auf die er sich aber längst nicht mehr konzentrieren kann.
Stella müsste es besser wissen. Richie findet Dates an und für sich schon ziemlich zum Kotzen. Aber auch noch mit zwei anderen Leuten. Nein, darauf hat er wirklich keine Lust. Nerviger Small Talk, einen besonders guten Eindruck hinterlassen, obwohl man gar keine längerfristigen Absichten hat, den anderen bei ihrem kitschigen Getue zuzusehen. Und die Krönung: auch noch ein Blind Date. Die Schwester des Kerls, mit dem Stella ausgeht. Die beiden treffen sich seit einiger Zeit und man sollte doch meinen, dass sie lieber zu zweit wären.
»Komm schon. Drei Mal Kino auf meine Kosten.«
»Meine Güte!« Richie staunt. »Du weißt, dass du jederzeit mit jedem Sex haben kannst, du musst dafür nicht die schwer vermittelbare Schwester deines Freundes unter Dach und Fach bringen.« Er blättert eine Seite zurück, weil er das Kapitel über Grundlagen der Szenografie noch mal von vorne lesen muss.
»Sie ist nicht schwer vermittelbar«, widerspricht Stella.
»Ja klar, und ich bin der Prinz von Wales.«
»Außerdem«, fügt Stella hinzu, »ist er nicht mein Freund.« Sie klingt jetzt weniger begeistert.
Richie hebt den Blick von seinem Buch. »Wie kommt’s?«
»Keine Ahnung.« Stella seufzt. »Ich glaub, er denkt, ich mein’s nicht ernst.«
»Und du willst ihm das Gegenteil beweisen, indem du seine schwer vermittelbare Schwester mit deinem schwer vermittelbaren besten Freund verkuppelst?«
Stella knufft Richies Schulter. »Komm schon, tu mir den Gefallen. Wer weiß, vielleicht springt ja für uns beide Sex dabei raus.« Sie grinst breit.
Geschafft legt Richie seinen Kopf auf dem Buch ab. »Aber ich mag nicht«, jammert er. »Sie verliebt sich bestimmt in mich und will dann heiraten. Ein Haus mit Garten und Kinder …«
Stella lacht über Richies völlig überzogene Dramatik.
»Na, so ein toller Typ bist du auch wieder nicht. Und ich muss es wissen.«
»Hey«, protestiert Richie und schiebt seine Arme zwischen den Kopf und das Buch, blickt Stella an wie ein treuer Hund. »Er ist dir so wichtig, hm?« Noch ehe sie »ja, sehr« sagt, erkennt Richie die Antwort in ihren Augen.
Manchmal beneidet Richie Stella ein wenig darum, dass sie sich in neue Beziehungen stürzt, ohne Angst vor Verletzungen oder Verlust. Immer voller Inbrunst und Überzeugung, trotz all der Risse, die schon in ihrem Herzen sind. Als könne rein gar nichts schief gehen.
Richie kann das nicht, es ist zu viel Stress für ihn. Nicht, dass er es in den letzten Jahren darauf angelegt hätte. Er hat es lieber locker gehalten, auf Körperliches reduziert und ist zufrieden damit. Wenn Menschen einem nicht zu nahekommen, gibt es auch nicht so viele Herzrisse.
Und auch wenn Richie nicht viel für diesen Romantik-Kram und Beziehungen übrig hat … Stella ist seit dem Kindergarten seine Freundin. Und drei Mal gratis Kino sind nicht zu verachten. Darum sagt er: »Aber nur, wenn ich die Filme aussuchen darf.«
Stella fällt ihm jubelnd um den Hals. »Danke!«
»Du weißt, dass das Erpressung ist«, murmelt Richie irgendwo zwischen ihrem Arm und ihrem Hals. »Also das, was er – wie heißt er? Daniel? – mit dir macht.«
»Ach, Quatsch«, sagt Stella und entlässt Richie aus ihrer Umarmung. »Seine Schwester ist in der Stadt und er hat gefragt, ob ich sie nicht kennenlernen mag und eines führte zum anderen …«
Mit gespielter Empörung reißt Richie den Mund auf. »Du benutzt mich schamlos, weil du Angst hast, seine Familie kennenzulernen!«
»Das ist ja auch beängstigend«, wehrt sich Stella.
»Und kompliziert«, fügt Richie nickend hinzu.
»Aber auch schön.«
»Hm«, macht Richie.
»Findest du nicht?«
Richie sieht Stella an, zieht die Stirn kraus. Was für eine Frage. »Mag sein. Den ganzen Stress ist es mir trotzdem nicht wert.«
»Man kann ja auch nicht für immer allein bleiben«, sagt Stella und der veränderte Klang in ihrer Stimme lässt die Unterhaltung etwas ernster wirken.
»Ich bin nicht allein«, sagt Richie. »Ich habe dich und Nana … und einen Riesenberg Arbeit für die Uni zu erledigen.« Demonstrativ tippt Richie auf die Buchseite vor sich.
Obwohl es ihn nicht stören sollte, denkt er immer noch über das Alleinsein nach, selbst als Stella schon lange weg ist.
Er kommt sich nicht allein vor. Im Gegenteil, er fühlt sich frei und ist zufrieden so wie es ist. Trotzdem scheinen Nana und Stella der Meinung zu sein, dass es ihm nicht guttut. Das Alleinsein, ohne festen Partner oder Partnerin. Ständig stellen sie ihm irgendwelche Leute vor, die ihrer Meinung nach toll für ihn seien. Irgendwelche Schwestern, Neffen irgendwelcher Kaffeeklatsch-Bekanntschaften, Arbeitskollegen, Sportkumpaninnen, …
Damit er eine Weile seine Ruhe hat, lässt er sich hin und wieder zu diesen Dates überreden. Manchmal unterhält er sich gut, es gibt ausgezeichnetes Essen oder einen tollen Film, mit manchen dieser Dates sogar großartigen Sex, aber keiner der Menschen klickt bei ihm. Keiner löst das in ihm aus, was offenbar Daniel in Stella auslöst oder Drees in Nana. Und wenn er einen Euro für jedes Mal bekommen hätte, als er versuchte zu verdeutlichen, dass das für ihn so okay sei; er müsste längst keine Schichten mehr bei der Tankstelle schieben.
Es passiert äußerst selten, dass Werbung oder Zeitschriften es schaffen, dass Richie sich als unzulänglich oder unnormal empfindet. Selten denkt er, dass es womöglich niemanden für ihn auf dieser Welt gibt. Und körperliche Nähe bekommt man heutzutage oft schneller, als einem lieb ist. An manchen Tagen hat Richie den Eindruck, das Internet sei ausschließlich erfunden worden, um entweder Pornos zu gucken oder Leute zu finden, die Lust auf Sex haben. Dazwischen kurz etwas aus rauskopieren, damit man doch noch irgendwas für die Seminararbeit zusammenbekommt. Nicht zu vergessen die Katzenvideos. Man kann sich kaum einsam fühlen.
Richie kann sich nicht beklagen. Tut er ja auch nicht.
Am Abend steht Richie zur verabredeten Uhrzeit auf der Straße vor Stellas Wohnung, trägt ein sauberes Shirt und passable Hosen. Nichts zu Schickes, schließlich will er Daniels Schwester keine falsche Hoffnung machen.
Mit dem Rücken an die Hauswand gelehnt beobachtet er die vorbeispazierenden Leute, als sich endlich die Haustür öffnet. Stella tritt heraus. Sie trägt ein schwarzes Kleid und hat ihre dunkelblonden Haare zu einem lockeren Zopf geflochten. Sofort fühlt Richie sich underdressed. Daniel folgt Stella und Richie stößt sich von der Wand ab, um ihm die Hand zu geben. Er trägt dunkelblaue Jeans und ein graues Poloshirt. Gutaussehender Typ, rasiert, mit Brille. Eine Mischung aus Hipster und Bankkaufmann, von dem Richie noch nicht weiß, was er davon hält. Sie haben sich erst einmal getroffen, in einer Kneipe, in der es viel zu laut war, um sich zu unterhalten. Da Stella ihn aber mag, wird er in Ordnung sein.
Daniel macht einen Schritt zur Seite und gibt den Blick auf seine Schwester frei, die ihm im Gutaussehen in nichts nachsteht. Sie stellt sich als Anne vor und schiebt sich schüchtern ihre dunklen Haare hinter die Ohren.
Sie machen sich auf den Weg durch die Innenstadt ins Hafenviertel, wo die besseren Restaurants liegen. Stella und Daniel halten sich an den Händen und Richie und Anne gehen hinter den beiden, nicht recht wissend, worüber sie reden sollen.
»Anne studiert auch«, ruft Stella über die Schulter, als sei das alles, was Richie wissen müsse.
»Und was genau?«, fragt er an Anne gewandt.
»Theologie«, antwortet Anne und steckt ihre Hände in die Taschen ihres Rocks.
Ach herrje, schießt es Richie durch den Kopf. Offenbar hat sie sein Zögern bemerkt, denn sie fügt hinzu: »Keine Sorge. Ich bin keine Gottesanbeterin oder sowas. Es interessiert mich einfach.« Sie gibt ein Kichern von sich, das wie das eines kleinen Mädchens klingt und Richie vor Unbehagen schlucken lässt. Weil der Abend aber gerade erst begonnen hat und er es Stella zuliebe wirklich versuchen möchte, rafft er sich zu einem Lächeln auf.
Am Restaurant angekommen, werden sie draußen an einen Tisch für sechs geleitet. Richie genießt die restlichen Sonnenstrahlen des Spätsommers auf seinem Gesicht. Die Unterhaltungen der anderen Gäste vermischen sich zu einem Geräuschsee, der seicht vor- und zurückschwappt, hier und da anschwillt oder manchmal fast still da liegt. Sie bestellen Getränke und Essen und geraten in ein Gespräch über nervige Professoren, Daniels Arbeit in der Tischlerei und Fernsehserien, ehe Anne sich schließlich gezielter an Richie wendet. Ihr Glas mit Weißweinschorle in der Hand, beugt sie sich zu ihm, als wolle sie ihn in einen verschwörerischen Plan einweihen.
»Du glaubst also nicht an Gott?«, greift sie das Thema Theologie erneut auf und blickt Richie an, sieht dabei ein wenig herausfordernd aus.
»Ich will seine Existenz nicht ausschließen, denn ich kann mir nicht sicher sein, aber ich denke, er hatte relativ wenig mit mir oder der Entstehung der Welt zu tun.«
»Agnostiker also.« Lächelnd nippt Anne an ihrer...