Streminger | David Hume | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 798 Seiten

Streminger David Hume

Der Philosoph und sein Zeitalter

E-Book, Deutsch, 798 Seiten

ISBN: 978-3-406-71859-5
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Zusammen mit John Locke und George Berkeley zählt David Hume (1711– 1776) zu den Hauptvertretern des englischen Empirismus. Mit seinem Plädoyer für eine 'experimentelle', allein auf Beobachtung und Erfahrung gegründete Methode, mit seiner radikalen Kritik gängiger Meinungen und metaphysischer Spekulationen avancierte Hume zu einem der einflussreichsten Denker des 18. Jahrhunderts.
Detailliert und anschaulich zeichnet Streminger in seiner großen Biographie, der einzigen umfassenden Darstellung in deutscher Sprache, Humes ereignisreichen Werdegang nach und entwirft zugleich das politische, gesellschaftliche und kulturelle Panorama einer ganzen Epoche: von Humes Kindheit im streng calvinistischen Süden Schottlands über seine Reisejahre und seine Tätigkeit als Bibliothekar in Edinburgh bis zu seinem Diplomatenleben in Paris, wo er mit den französischen Aufklärern um Diderot und d’Alembert in Kontakt kam. Streminger verknüpft die Lebenserzählung des schottischen Philosophen, Ökonomen und Historikers mit ebenso fundierten wie verständlichen Einführungen in sämtliche Schriften Humes und macht deutlich, warum seine Fragestellungen noch heute herausfordern. Ein besonderes Augenmerk gilt Humes weitreichender Religionskritik. Die kommentierte Erstübersetzung des Reisejournals von 1748, in dem Hume seine Gesandtschaftsreise durch die Niederlande, Deutschland, Österreich und Norditalien beschreibt, rundet dieses Standardwerk ab.

'Ein packendes Buch' (Patrick Bahners, FAZ)

'Streminger präsentiert Hume als einen Ahnherrn moderner Philosophie, der es nie ertragen hat, Denken und Leben zynisch auseinanderfallen zu lassen.'
(Kurt Oesterle, Süddeutsche Zeitung)
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;798
4;Über den Autor;798
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Prolog;13
8;1. Kapitel Historischer Hintergrund;19
8.1;Zur Frühgeschichte Schottlands;19
8.2;Christianisierung;25
8.3;Maria Stuart und John Knox;27
8.4;Die Lehre von John Knox;35
8.5;Ausblick;39
9;2. Kapitel Kindheit;54
9.1;Familie;54
9.2;Familienbesitz;57
9.3;Religion in Chirnside;64
9.4;The Whole Duty of Man;69
10;3. Kapitel Jugend;73
10.1;Edinburgh;73
10.2;Universität;76
10.3;Unterricht;79
10.4;Studium der Rechte;85
10.5;Streben nach Gleichmut;89
11;4. Kapitel Philosoph und Gelehrter;92
11.1;‹Letter to a Physician›;94
11.2;Der Ursprung der Philosophie Humes;99
11.3;‹Early Memoranda›;102
11.4;Agnes Galbraith;108
12;5. Kapitel Abschied von Schottland;111
12.1;Kaufmannsgehilfe in Bristol;113
12.2;Paris;116
12.3;Reims;119
12.4;La Flèche, ein einsames Dorf in Anjou;120
12.5;London;125
12.6;Publikationsfieber;129
13;6. Kapitel A Treatise of Human Nature;134
13.1;Ausgangspunkt;134
13.2;Book I. Of the Understanding;136
13.2.1;Grundlagen;136
13.2.2;Raum und Zeit;140
13.2.3;Ursache und Wirkung;143
13.2.4;Das Problem der Einbildungskraft;145
13.2.5;Induktionsproblem;146
13.2.6;Substanzanalyse;150
13.2.7;Ich-Analyse;154
13.2.8;«Nachtgedanken eines Zweifl ers»;156
13.3;Book II. Of the Passions;161
13.3.1;Empirische Seelenforschung;162
13.3.2;Sympathie;167
13.3.3;Freiheit und Notwendigkeit;169
13.3.4;Motive des Handelns;172
14;7. Kapitel Arbeit an Buch III;175
14.1;«Totgeboren aus der Druckerpresse»;175
14.2;Abstract;180
14.3;Der Anatom;183
14.4;Book III. Of Morals;187
14.4.1;Tatsachen und Werte;187
14.4.2;Moralische Empfi ndungen;190
14.4.3;Die Rolle der Phantasie;192
14.4.4;Künstliche Tugenden;194
14.4.5;Natürliche Tugenden;198
15;8. Kapitel Essays Moral and Political;203
15.1;Vorbemerkung;203
15.2;Erster Teil;206
15.3;Zweiter Teil;211
16;9. Kapitel Leben in Schottland;222
16.1;Religiöse Erweckungsbewegung;222
16.2;Bewerbung um einen Lehrstuhl;226
16.3;A Letter from a Gentleman;227
16.4;Akademische Illusion;229
16.5;Tod der Mutter;231
17;10. Kapitel Wanderjahre;233
17.1;Der unglückliche Tutor;233
17.2;Jakobitische Rebellion;237
17.3;Kriegsgerichtsrat;243
17.4;«Historische Projekte»;248
17.5;Irland, London, Ninewells;250
18;11. Kapitel Gesandtschaftsreise;253
18.1;Niederlande;253
18.2;Deutschland;255
18.3;Österreich;259
18.4;Ein Steirer in Turin;262
19;12. Kapitel An Enquiry Concerning Human Understanding;268
19.1;Menschenbild;270
19.2;Theorie des Glaubens;273
19.3;Über Wunder;277
19.4;Erkenntniskritik;283
20;13. Kapitel Three Essays;288
20.1;Of the Original Contract;289
20.2;Of Passive Obedience;291
20.3;Of National Characters;292
21;14. Kapitel An Enquiry Concerning the Principles of Morals;296
21.1;Ausgangspunkt;299
21.2;Kritik am Calvinismus und Egoismus;304
21.3;Kritik am Rationalismus;307
21.4;Kritik am Objektivismus und Relativismus;310
21.5;Natürliche Lebensform;313
21.6;Zusammenfassung;316
22;15. Kapitel Bürger Edinburghs;318
22.1;Lebensumstände;318
22.2;Neuerliche akademische Illusion;323
22.3;Bibliothekar;324
23;16. Kapitel Political Discourses;329
23.1;Politische Ökonomie;330
23.2;Wirtschaftspsychologie;330
23.3;Wirtschaftslehre;333
23.4;Wirtschaft und Ethik;340
23.5;Politische Philosophie;344
23.6;Demographie;347
24;17. Kapitel Tätigkeiten in Edinburgh;349
24.1;Streit in der Bibliothek;350
24.2;Friedensstifter;354
24.3;Freunde in Schottland;356
24.4;Select Society;363
24.5;Die Opposition sammelt sich;366
25;18. Kapitel The History of England (Die Herrschaft der Stuarts);369
25.1;Vorgeschichte;369
25.2;Erster Band;371
25.3;Zweiter Band;376
26;19. Kapitel Four Dissertations;380
26.1;Publikationsgeschichte;380
26.2;The Natural History of Religion;385
26.2.1;Ursprung des Polytheismus;385
26.2.2;Ursprung des Monotheismus;388
26.2.3;Die Wiederkehr des Gleichen;389
26.2.4;Monotheismus oder Polytheismus?;391
26.2.5;Künstliche Lebensform;394
26.2.6;Religiosität, eine Bedrohung für Moralität;396
26.2.7;Schlussbetrachtung;399
26.2.8;Of the Passions;401
26.2.9;Of Tragedy;401
26.2.10;Of the Standard of Taste;403
27;20. Kapitel Auseinandersetzungen mit der Kirche;409
27.1;Der Barde und die Puritaner;412
27.2;Förderer der Künste;417
27.3;Neuauflage der Essays and Treatises on Several Subjects;420
28;21. Kapitel History of England (Von Julius Cäsar bis Elisabeth I.);423
28.1;Schottlands Tacitus;423
28.2;Arbeit an den restlichen Bänden;427
28.3;Dritter und vierter Band;431
28.4;Zusammenfassung und Kritik;435
29;22. Kapitel Schottland für Immer?;439
29.1;Unstimmigkeiten;441
29.2;Der Streit um Ossian;443
29.3;Kontrapunkt zur Aufklärung;446
29.4;Das gelobte Land;448
29.5;La Grande Dame;450
30;23. Kapitel Der Ruf Frankreichs;457
30.1;Das Idol der Gallier;460
30.2;Pariser Salon;463
30.3;Der bewunderte Philosoph;465
30.4;Comtesse de Boufflers;469
30.5;Les philosophes;478
30.6;Botschaftssekretär und Geschäftsträger;483
30.7;Irland?;486
31;24. Kapitel Streit mit Jean-Jacques Rousseau;489
31.1;Ankunft in Paris;491
31.2;Land der Freiheit;493
31.3;«Der schwärzeste und abscheulichste Schurke»;497
31.4;Rousseaus Rechtfertigung;501
31.5;Jahrhunderte danach;503
32;25. Kapitel Unterstaatssekretär in London;512
32.1;«Alle Geheimnisse des Königreichs»;513
32.2;Wertewandel;517
32.3;Edinburgh oder Paris?;520
33;26. Kapitel «Die Schönste Zeit Meines Lebens»;527
33.1;Lebensabend;527
33.2;Saint David;532
33.3;Familie;535
33.4;Nancy Ord;537
33.5;Ruhestörer;538
34;27. Kapitel Tod Eines Philosophen;552
34.1;Letzte Aktivitäten;552
34.2;Testament;555
34.3;Reise nach Bath;558
34.4;Die letzte Befragung;562
34.5;«Der liebste Freund»;564
34.6;Die Würde der menschlichen Natur;569
35;28. Kapitel Kritik der Religion;574
35.1;Of Suicide;574
35.2;Of the Immortality of the Soul;577
35.3;Dialogues concerning Natural Religion;580
35.3.1;Ausgangspositionen;581
35.3.2;Philos Kritik;583
35.3.3;Problem des Übels;586
35.3.4;Religion und Moral;588
36;Anhang;591
36.1;Nachbemerkung zur Neuauflage;593
36.2;Schriften Humes in chronologischer Reihenfolge;594
36.3;Zwei Neu aufgefundene Briefe David Humes;599
36.4;Reisejournal aus dem Jahre 1748;603
37;Siglenverzeichnis;627
38;Anmerkungen;629
39;Literaturverzeichnis;763
40;Abbildungen;783
41;Personenregister;785


PROLOG
Bleib’ nüchtern und vergiss’ nicht, skeptisch zu sein![1] David Hume war ein Mensch mit heftigen Affekten und ruhigen Gefühlen, und er besaß einen überaus kühnen Verstand. In seinem Jugendwerk, dem Treatise of Human Nature,[2] analysierte er eine Reihe philosophischer Probleme mit einer Überzeugungskraft und Eleganz, die heute noch auf größtes Interesse stoßen: das Induktionsproblem, die Kausalanalyse, die Frage nach der Existenz einer Außenwelt und des Ichs, das Problem der Einbildungskraft, die Sein-Sollens-Dichotomie, die Verträglichkeit von Freiheit und Notwendigkeit sowie der Ursprung von Recht und Moral. Hume folgte in der Ausarbeitung dieser Themen ohne Rücksicht auf religiöse Traditionen und Autoritäten allein der Logik seiner Gedanken; und diese führten ihn in seiner Erkenntnistheorie vom vergleichsweise idyllischen Hafen eines dogmatischen Empirismus in den Wirbelsturm eines universellen Zweifels. Nach Jahren einsamen Denkens über die Fragwürdigkeit des Gedachten hatte Hume den Boden unter den Füßen verloren. Zwar konnte er mühelos durchschauen, welch mangelhafte Ware Dogmatiker am Markt der Ideen feilboten, aber der Verstand vermochte keine Sicherheit mehr zu geben; nicht-intellektuelle, instinktive Antriebe mussten den jungen Philosophen aus einer lebensgefährlichen Krise retten.[3] Nach dieser Erfahrung, die er im Schlusskapitel des ersten Buches des Treatise of Human Nature eindrucksvoll schildert, gab Hume eine spezifische Form des Skeptizismus auf und erlaubte seinem Bedürfnis nach Geselligkeit, sich zu entfalten. Hume wurde ein kontaktfreudiger Mensch, ehrlich, herzlich, freigebig und überaus humorvoll ohne jedes künstliche Getue. Hume, der unverheiratet geblieben war, liebte Gespräche mit Freunden, genoss das ‹Fest der Vernunft› mit einigen Auserwählten – und solide Mahlzeiten. Nirgendwo sehen wir ihn auf sein überlegenes Genie pochen oder mit seinen Einsichten hausieren gehen. Hume war zufrieden, wenn er an seinen philosophischen Ideen arbeiten, am gesellschaftlichen Leben der Stadt, in der er gerade lebte, teilnehmen und darüber hinaus sich selbst und anderen Freude bereiten konnte. Mehrfach berichten Zeitgenossen voll Staunen, wie rasch intellektuelle Gegner ihre Vorurteile ihm gegenüber ablegten, sobald sie den Philosophen persönlich kennengelernt hatten. Humes Fähigkeit, auch über sich selbst, insbesondere über seine enorme Leibesfülle lachen zu können, ließ ihn leicht Freunde gewinnen; und die Tatsache, dass dem unbestechlichen Skeptiker im zwischenmenschlichen Kontakt praktisch jedes Misstrauen fehlte, machte ihn ausgesprochen liebenswert. Dieser Mangel an gesundem Misstrauen hatte allerdings auch seine Schattenseiten, wie in der berühmten Querele mit Jean-Jacques Rousseau besonders deutlich wurde. Im Vergleich zu seinen empiristischen Vorgängern war Hume ungleich moralischer als Francis Bacon, weitaus praktischer als George Berkeley und viel fröhlicher als John Locke. Nur Ungerechtigkeiten und die Arroganz von Fanatikern – vor allem dann, wenn sie sich mit dem Willen Gottes bestens vertraut wähnten –, vermochten ihn zeitlebens zu empören und kurzfristig auch zu verbittern. Trotz seines ausgeprägten Sinns für Geselligkeit kehrte Hume immer wieder zu seinen Studien und der damit verbundenen Einsamkeit zurück. Nach der Veröffentlichung des Treatise of Human Nature, den Hume weitgehend in Frankreich, und zwar in Sichtweite jenes Jesuitenklosters geschrieben hatte, in dem René Descartes erzogen worden war, wandte er sich auch gedanklich praktischeren Dingen zu. Hume verfasste eine Reihe von Essays über politische, ökonomische, literarische und religionsphilosophische Themen, die seinen Ruhm als bedeutendster englischsprachiger Schriftsteller seiner Zeit begründeten. Hume verkörperte für viele das Ideal von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit inmitten ideologischer Gehässigkeiten. Durch den Erfolg der Essays Moral and Political[4] ermutigt, entschloss sich Hume, seinen unglücklichen, von der Öffentlichkeit entweder geschmähten oder gänzlich ignorierten Treatise of Human Nature in einer sprachlich gefälligeren Form zu überarbeiten. Mit Akribie vermied Hume in der Enquiry concerning Human Understanding und der Enquiry concerning the Principles of Morals jene Spuren von Weltfremdheit und Versponnenheit, die dazu geführt hatten, dass sein Jugendwerk als eine Form des philosophischen Skeptizismus abgetan wurde, die niemand ernst nehmen müsse. Den beiden überarbeiteten Versionen sieht man die skeptischen Stürme des Treatise of Human Nature nicht mehr an, vielmehr sind sie auf der Basis des common sense, des ‹gesunden Menschenverstandes› geschrieben. Nach der Veröffentlichung seiner Philosophie arbeitete Hume fast zehn Jahre lang an der History of England. Er versuchte darin, die Geschichte Englands aus kosmopolitischer Sicht zu schreiben. Obwohl auch diese Arbeit zunächst einen wahren Sturm der Entrüstung auslöste, wurde sie schließlich eine der einflussreichsten Geschichtsdarstellungen, die je verfasst wurden. Humes History of England dürfte sogar eines jener wenigen Bücher sein, deren Leserkreis einmal den Großteil der lesenden Öffentlichkeit Großbritanniens einschloss. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts sah Theodor Fontane Humes Werke «in endloser Reihe»[5] in englischen Wohnzimmern stehen, und bis heute wurden von der History of England allein auf Englisch mindestens 100 Ausgaben publiziert. Im 19. Jahrhundert zählte man Hume in britischen Bibliotheken zumeist zu den Historikern und nicht zu den Philosophen (wie etwa im Katalog des British Museum). Kein Philosoph seines Rangs besitzt einen vergleichbaren Status als Historiker.[6] Da Hume Schotte war, musste er in England in Zeiten ausgeprägt anti-schottischer Ressentiments zahlreiche Erniedrigungen ertragen. Es bedurfte wohl der Werke von Walter Scott, bis größere Teile der englischen Öffentlichkeit bereit waren, sich einzugestehen, dass ihre Nachbarn im nördlichen Teil der Insel gleichberechtigte Partner seien.[7] Und Hume war nicht bloß Schotte, sondern obendrein wortgewaltiger Befürworter gefährlicher, nämlich religionskritischer Ideen. Deshalb war er, auch in seiner engeren Heimat, derben Attacken von christlicher Seite ausgesetzt. Zweimal war es dem schottischen Klerus gelungen zu verhindern, dass Hume auf einen Universitälslehrstuhl berufen wurde, so dass er nicht-akademischen Tätigkeiten nachgehen musste. Zunächst wurde er Privatlehrer eines geisteskranken englischen Marquis, danach Sekretär eines schottischen Generals, den er auf eine militärische Expedition nach Frankreich sowie auf eine Gesandtschaftsreise an die Höfe in Wien und Turin begleitete.[8] Trotz neuerlicher Widerstände von Seiten religiösorthodoxer Kreise wurde einer der größten Philosophen, die je gelebt haben, schließlich Bibliothekar in Edinburgh, danach Sekretär und für einige Zeit chargé d’affaires, also Geschäftsträger, in der britischen Botschaft in Paris. Jahrelang war Hume dort Mittelpunkt der aufgeklärten Salons und des Hofes in Versailles. Trotz ausgedehnter Reisen und längerer Auslandsaufenthalte verbrachte Hume den Großteil seines Lebens in Schottland, wo sich um ihn die heute so berühmten Schottischen Aufklärer versammelten. In dieser höchst bemerkenswerten Gruppe an Gelehrten wurde Humes Genie vollständig gewürdigt, wenn auch nicht vollständig gebilligt. Adam Smith, der große Moralphilosoph und Ökonom, war einer der wenigen, die sich problemlos in der Gedankenwelt Humes zurechtfinden konnten.[9] Aber auch er lehnte den intellektuellen Radikalismus seines Freundes ab. Während die französischen Aufklärer, trotz aller Wertschätzung, Humes engagierten, gelegentlich sogar kämpferischen Agnostizismus immer noch für zu wenig atheistisch hielten, wiesen die schottischen Freunde wesentliche Teile seiner Religions- und Erkenntniskritik als zu atheistisch zurück. Die Schottischen Aufklärer waren ausnahmslos dem Deismus nahegestanden, jener Religion der Aufklärung, die sich auf empirische Erfahrung stützen und zwischen Religion und der neu entstandenen Naturwissenschaft vermitteln wollte. Hume, der gelernt hatte, mit vielen Fragen und wenigen Antworten zu leben, dürfte sich daher zeitlebens intellektuell einsam gefühlt haben.[10] Nach einer kurzen Tätigkeit als Unterstaatssekretär in London kehrte er im Alter von 58 Jahren endgültig nach Edinburgh zurück. Hoch geachtet verbrachte Hume dort den Lebensabend im Kreis der Freunde und starb, ohne den angeblichen Trost der Religion in Anspruch zu nehmen, zur herben Enttäuschung religiöser Fanatiker vollkommen ruhig und gelassen. «Sowohl zu Lebzeiten wie auch seit seinem Tod», so beschloss Smith das Epitaph auf seinen Freund, «habe ich ihn immer für denjenigen gehalten, der sich dem Ideal eines vollkommen weisen und moralischen Menschen so weit näherte, als es die Unvollkommenheit der menschlichen Natur vielleicht überhaupt zulässt.»[11] Humes französische...


Gerhard Streminger, geb. 1952, lehrte Philosophie an der Karl-Franzens-Universität in Graz und an der University of Minnesota in Minneapolis. Zu seinen Büchern zählen u. a. „Adam Smith“ (1989) sowie „Gottes Güte und die Übel der Welt. Das Theodizeeproblem“ (1992).


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