E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Stremmel / Seul Darmalarm
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-95803-383-2
Verlag: Scorpio Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn die Verdauung das Leben bestimmt
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-95803-383-2
Verlag: Scorpio Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Den Verdauungstrakt wünscht man sich so, wie früher Kinder sein sollten: Am besten, man sieht und hört nichts von ihnen … Auch wenn dem Darm inzwischen sogar ein gewisser Charme zugeschrieben wird, salonfähig ist er noch lange nicht. Ganz tief drin möchten wir gar nicht so genau wissen, was "da unten" in uns brodelt. Der Darm soll seine Arbeit tun und basta. Wenn nicht … dann leiden wir, sogar mehrfach, denn er hat feinste Verbindungen zu unserer Seele. An keinem anderen Ort im Körper merken wir so schnell, dass etwas nicht stimmt, wie im Bauch. Er ist unser Wohlfühlorgan und unser zweites Gehirn. Umso wichtiger ist es, ihn zu verstehen – gerade auch in seiner vermeintlichen Launenhaftigkeit.
Der Autor nimmt uns mit auf die Reise in die geheimnisvollen Tiefen des Verdauungssystems, insbesondere des Darms, wo ein perfekt koordiniertes und aufeinander eingespieltes Abfallentsorgungsteam unermüdlich damit beschäftigt ist, dass es uns gut geht. Daraus ergibt sich fast von allein, was wir tun können, um unserem Bauch und damit uns selbst das Leben zu erleichtern.
Autoren/Hrsg.
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IM FLEISCHWOLF: WAS OBEN REIN- UND UNTEN RAUSKOMMT
Im Grunde genommen ist der Darm ein Fleischwolf. Oben in den Fleischwolf wird Nahrung eingefüllt, dann wird sie im Magen-Darm-Kanal gepresst und geknetet, und unten kommt hoffentlich kein Brei raus. Der Darm produziert Stuhl. Warum der Stuhl Stuhl heißt, werde ich manchmal gefragt. Eine gute Erklärung habe ich im Internet gefunden. Katja Vogel führt aus, dass man schon im 15. Jahrhundert zur »Erleichterung des Leibes« anstatt des eigentümlichen Abortes einen speziellen Stuhl benutzte. Dieser senkrechte Kasten war mit einem aufklappbaren Deckel versehen. Darunter ein Sitz mit einer runden Öffnung und Schüssel, verwandt unserem späteren Plumpsklo. In den medizinischen Schriften des 16. Jahrhunderts war bereits vom Stuhl die Rede. Man vermerkte beispielsweise, dass ein Patient »nicht zu Stuhl kommen könne«. Um die Sitzungen komfortabel zu gestalten, wurden später Arm- und Rückenlehnen konstruiert. Einen Designpreis bekamen diese Möbel jedoch nicht, sie standen meistens versteckt. Man nannte sie »Kammer-, Leib-, Kack-, Scheisz- oder Notdurftstuhl«. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts bürgerte sich der »Nachtstuhl« ein.1 Ein erwachsener Mensch produziert am Tag in der Regel 250 bis 300 Gramm Stuhl. Was unten rauskommt, hat keine Ähnlichkeit mit dem, was oben reinkam. Hähnchen rein, Frikassee raus … so funktioniert es nicht, meistens geht’s um die Wurst. Die ist weich und verformbar und braun. Die Farbe entsteht durch die Abbauprodukte des nicht mehr benötigten und in den Darm abgegebenen Blutfarbstoffs. Für den Geruch sind Bakterien verantwortlich, die Gas bilden. Ohne Bakterien kein Leben, man sollte sie also nicht verteufeln. Der Stuhl besteht etwa zur Hälfte aus nicht verdaubaren Fasern, also den nach Darmpassage übrig gebliebenen Restbeständen von Obst, Gemüse und Salat. Die zweiten 50 Prozent sind Bakterien. In einem Gramm Stuhl tummeln sich etwa 100 Milliarden Bakterien. Bei 300 Gramm Stuhl sind das 30 Billionen Bakterien, das entspricht ungefähr der Anzahl der Zellen in einem menschlichen Körper. Ist das nicht unfassbar? Und das alles tragen wir ahnungslos mit uns rum! Die Bakterien tun uns nichts, sie sind geduldete Mitbewohner: die kommensale Flora. Welche Funktion sie in unserem Körper übernehmen, ist noch nicht wirklich verstanden. Die Fasern von Obst, Gemüse und Salat sind, wie eben die Bakterien, nicht verdaubar. Wozu dann essen? Könnte man doch weglassen, wenn das sowieso Müll ist. Nein, eben nicht. Erstens wegen der Vitamine, und zweitens brauchen wir die Fasern zur Verdauung. Fasern binden Wasser und sorgen dafür, dass der Stuhl geschmeidig wird und kein Steinbrocken. Der würde die zarte Schleimhaut des Darms aufreißen. Das geschieht auch tatsächlich bei hartem Stuhl, und dann entstehen Risse, Fissuren genannt, im Enddarm und auch Hämorrhoiden (arterielle Gefäßgeflechte des Enddarms). Deshalb ist Trinken so wichtig: Ohne Flüssigkeit keine Verdauung. Der Wasserstand wird von der Niere kontrolliert und immer gleich gehalten. Wenn Wassermangel herrscht, spürt das der Darm zuerst und produziert in der Folge harten und trockenen Stuhl. Zur Verdauung benötigt der Darm täglich zehn Liter Flüssigkeit, davon sollen drei Liter getrunken werden. Der Rest kommt von innen: Speichel, Magensaft, Galle, Bauchspeicheldrüsen- und Darmsäfte. Sieben Liter! Der Körper holt sich im Laufe der Verdauungsprozesse aber alles wieder zurück, da geht nichts verloren. Zum Schluss sickert eine Flüssigkeitsmenge von drei Litern in den Dickdarm ein. Sie wird eingedickt zu 250 bis 300 Gramm Stuhl. Diese unglaubliche Leistung wird mithilfe von Wasserpumpen erreicht, die fast die gesamte Flüssigkeit in den Körper zurückpumpen, was 16 bis 24 Stunden dauert, manchmal auch noch länger. In dieser Zeit wird die Flüssigkeit – zum längeren Kontakt mit den Wasserpumpen – durch eine Pendelbewegung mehrfach über die Schleimhaut hin und her bewegt nach dem Prinzip: drei Schritte nach vorne, zwei zurück, bis die sogenannte Stuhlsäule mit ihrem noch großen Durchmesser schließlich in den Enddarm eintritt, der auch Mastdarm oder Rektum genannt wird. Danach erfolgt die Stuhlentleerung. Dazu stellt sich der normalerweise liegende Enddarm auf, sodass der Stuhl nach unten in die Rektumampulle fallen kann, einen bauchigen Hohlraum, der sich elastisch dehnt, um Stuhl zu sammeln. Die Ampulle dient als Reservoir. Wenn ihre Wand sich dehnt, registriert das willkürliche Nervensystem, also unser Gehirn, dass allmählich etwas am Dampfen ist. Man kann es zwar noch ein wenig zurückhalten, doch eigentlich ist jetzt Entleerung angesagt. Zu starkes Pressen sollte vermieden werden, da es zum Vorfall von Hämorrhoiden und auch Enddarmanteilen führen kann und auch der Kreislauf stark belastet wird. Wenn Menschen überraschend in ihren Wohnungen sterben, werden sie häufig auf der Toilette gefunden. Stuhlgang kann gefährlich sein! Das Pressen kann außerdem hohen Blutdruck verursachen, der einen Schlaganfall einleiten kann. Auch können Aneurysmen, so nennt man Gefäßaussackungen, im Gehirn reißen und zu Hirnblutungen führen. Das Drücken kann ferner Herzrhythmusstörungen auslösen, die in einen Kreislaufzusammenbruch münden können. Obwohl die Entsorgung von Ballaststoffen (Fasern) und Bakterien die sichtbarste Aufgabe des Darms darstellt, ist nicht sie die wichtigste im Magen-Darm-Kanal, sondern die Energiegewinnung. Dafür benötigt der Darm viel Platz. Mit seinen Anhangsdrüsen nimmt er den größten Teil unseres Körpers ein: den Bauch. Weitere Mitspieler bei der Energiegewinnung sind das willkürliche und unwillkürliche Nervensystem im Gehirn und im Rückenmark. Nichts im Körper ist isoliert zu betrachten, alles ist ineinander verzahnt in einer großartigen Komposition. Das biologische Kraftwerk
»DER MENSCH ISST, WEIL ER HUNGER HAT, UND ER ÜBERISST, WEIL ER VIEL HUNGER HAT.« Miss Piggy aus der Muppet-Show Da steht es nun, das Mahl: Schweinehaxe mit Kartoffelknödel und Salat. Dazu ein Glas Bier, 0,5 Liter. Drei Liter Flüssigkeit soll ein Mensch wie eben beschrieben am Tag zu sich nehmen, da ist also noch Luft nach oben, aber es gibt gesündere Flüssigkeiten als Bier, auch wenn das in manchen Kreisen bezweifelt wird. Das Gleiche gilt für die Schweinehaxe, die bei Vegetariern vermutlich sofort zu Magenproblemen führen würde. Unbestritten ist, dass es leichter verdauliche Nahrungsmittel gibt, doch die Geschmäcker sind verschieden – und die Gewohnheiten auch. In Mund werden Schweinehaxe und Kartoffelknödel mit starken Werkzeugen, manchmal auch aus Gold und Titan, zerlegt. Den Salat, so denkt sich der Hungrige, esse ich zum Schluss. Besser täte er daran, ihn als Erstes zu essen, denn er füllt den Magen und stillt damit den großen Hunger. Ob man aus diesem Grund auch vor dem Essen ein Getränk zu sich nehmen soll, ist Spekulation. Aber wie ist es mit einem Aperitif? Aus meiner Sicht ist dagegen nichts einzuwenden. Er kurbelt die Magensäureproduktion schon mal an. Früher war es nicht üblich, vor oder beim Essen etwas zu trinken, aber es gab meist vorweg eine Suppe. Im Mund mischen die Speicheldrüsen dem Speisebrei Flüssigkeit und kleine Mengen an Verdauungsenzymen zu. Die Amylase lässt durch Stärkespaltung die Speise leicht süßlich schmecken und bereitet den Stoffwechsel auf das kommende Zuckerangebot vor. Je länger der Aufenthalt im Mund, desto besser für die Verdauung. Wir alle wissen, wie wichtig das gute Kauen ist, und beherzigen es doch nur selten, so wie wir insgesamt oft auch zu unbewusst essen, weil wir der Speise zu wenig Aufmerksamkeit schenken und stattdessen sprechen, lesen, fernsehen, was auch immer. Wie wichtig das gründliche Kauen ist, wurde in vielen wissenschaftlichen Abhandlungen dargelegt. Es ist nun mal so, dass mit der Dauer des Kauens mehr Verdauungsenzyme zugemischt werden können und dass eine fein zerkleinerte Speise leichter die relativ dünne Speiseröhre passieren kann. »Gut gekaut ist halb verdaut«, besagt ein Sprichwort. Außerdem steigert das ruhige Kauen den Genuss. Der hastige Speisenschlinger ist zwar früher mit dem Essen fertig, aber was hat er davon? Nicht selten zahlt er die Rechnung, indem er sich verschluckt. Das habe ich selbst erst neulich wieder erlebt. Ich traf mich mit einem Bekannten zum Abendessen. Nach dem Menü bestellte er sich einen Kaffee und Pralinen. Mitten im Gespräch schmiss er die Praline ein, ich kann es nicht anders beschreiben, die dann versehentlich in die falsche Röhre, die Luftröhre, gelangte. Er lief sofort blau an und konnte weder atmen, noch sprechen oder husten. Die Augen quollen vor, und die Angst, ja Todesangst war ihm anzusehen. Ich rief nicht um Hilfe, ich leistete sie. Ich wusste ja, was geschehen war. So stellte ich mich hinter ihn und presste meine ineinander verhakten Hände mit starkem aufwärtsgerichtetem Ruck in seinen Oberbauch. Das Stück Praline schoss nach...