Strotmann / Schrader-Bewermeier | "Grenzen überschreiten - Verbindendes entdecken - Neues wagen" | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 77, 308 Seiten

Reihe: Stuttgarter Biblische Beiträge (SBB)

Strotmann / Schrader-Bewermeier "Grenzen überschreiten - Verbindendes entdecken - Neues wagen"

"Festschrift für Hubert Frankemölle zum 80. Geburstag"
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-460-51073-9
Verlag: Katholisches Bibelwerk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

"Festschrift für Hubert Frankemölle zum 80. Geburstag"

E-Book, Deutsch, Band 77, 308 Seiten

Reihe: Stuttgarter Biblische Beiträge (SBB)

ISBN: 978-3-460-51073-9
Verlag: Katholisches Bibelwerk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Entsprechend dem "grenzüberschreitenden" Engagement von Hubert Frankemölle versammelt der Band Beiträge zur methodischen und literarischen Rezeption biblischer Texte, zur Bedeutung von TaNaCH/Altem Testament und frühjüdischer Literatur für das "jüdische" Neue Testament und zum christlich/ katholisch-jüdischen Dialog. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den jüngsten Konflikten um die Veröffentlichungen von Papst em. Benedikt XVI. – Joseph Ratzinger zum katholisch-jüdischen Verhältnis.

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Ein Text entsteht im Kopf des Lesers – Die Bedeutung der Rezeptionsästhetik für die biblische Exegese
HEIKE BEE-SCHROEDTER Als ich von den Herausgeberinnen um einen Beitrag für diese besondere Festschrift zu Ehren meines Doktorvaters und langjährigen Chefs Hubert Frankemölle gebeten wurde, musste ich nicht lange überlegen. In meiner fast 10-jährigen Zusammenarbeit mit ihm als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Biblische Theologie – Neues Testament an der Universität Paderborn habe ich sehr viel von und mit ihm gelernt. Besonders nachhaltig ist mir hier unsere intensive Beschäftigung mit wissenschaftsmethodischen hermeneutischen Fragestellungen in Erinnerung. Als Forschender, der sich mit der Auslegung von biblischen Texten befasst, stößt man immer wieder auf die letztlich für das eigene Tun und für das Selbstverständnis relevante methodisch hermeneutische Frage: Wie analysiert und interpretiert man als Exeget einen Text? Welche Vorgänge lassen sich dabei erkennen und beschreiben? Und wie ist dann die so reflektierte exegetische Textanalyse sprachlich angemessen zu vermitteln? Dass wir uns hier als Doktoranden und auch der Jubilar selbst intensiv mit diesen grundlegenden Fragen exegetischer Arbeit mittels sprachwissenschaftlicher Literatur in Oberseminaren und im privaten Studium auseinandergesetzt haben, ist vor allem den Anregungen von Hubert Frankemölle und seiner Offenheit für interdisziplinäres Arbeiten und gegenüber den Erkenntnissen anderer Forschungsbereiche zu verdanken. Er regte uns zu diesen Überlegungen an, leitete uns mit dem Hinweis auf literaturwissenschaftliche Forschungsbeiträge zu einem Blick »über den fachwissenschaftlichen Tellerrand« und damit zu interdisziplinärer Arbeitsweise an. Die gewonnenen Erkenntnisse wandte ich dann für mein Promotionsvorhaben methodisch an und so gewann meine interdisziplinär angelegte Forschungsarbeit einen grundlegend rezeptionsorientierten Ansatz.1 Das damals vor gut 20 Jahren so intensive wissenschaftspropädeutische, hermeneutische Studium hat mich bis heute – auch in meiner aktuellen Vermittlungstätigkeit im Diözesanmuseum Paderborn – entscheidend geprägt. Und so möchte ich hier in diesem Beitrag noch einmal wesentliche Erkenntnisse einer literaturwissenschaftlichen Forschungsrichtung zum Lesen und Interpretieren eines Textes vorstellen und ihre nach wie vor aktuelle Bedeutsamkeit für die fachexegetische Arbeit im Bereich der Bibelwissenschaft und auch für vermittelnd pädagogische Arbeit insgesamt skizzieren. Gemeint ist hier die sogenannte Rezeptionsästhetik aus dem Bereich der Literaturwissenschaft: Ihre Vertreter versuchten das Phänomen höchst unterschiedlicher wissenschaftlicher, d. h. methodengeleiteter Interpretationen zu einem literarischen Werk zu erklären. Besondere Aktualität gewann diese Reflexion durch die Nachkriegsliteratur seit der Mitte des letzten Jahrhunderts. Sie entzog sich durch ihren oft fragmentarischen Charakter, die Brechungen und Perspektivwechsel einer einheitlichen Sinnzuschreibung. Die Publikation höchst unterschiedlicher Interpretationen zu einem Werk war die Folge, die die Literaturwissenschaft theoretisch nicht erklären konnte.2 1.Methodik und Erkenntnisse der Rezeptionsästhetik
Vorab war man davon überzeugt, als Literaturwissenschaftler mit einem möglichst umfassenden Wissen über den Autor und die Entstehungszeit des Textes eine eindeutige »richtige« Interpretation desselben durchführen zu können. Wie lange diese Auffassung präsent war und in Vermittlungsprozessen noch immer ist, zeigen die uns allen sicherlich noch bekannten Interpretationsfragen: Was will der Autor uns mit diesem Text sagen? Welche Intention hatte der Autor? Und auch in neueren fachwissenschaftlich-exegetischen Beiträgen ist die autororientierte, oft redaktionskritische Arbeitsweise mit entsprechenden Formulierungen aus der Sicht des Evangelisten dominant.3 Die Rezeptionsästhetik verlagert demgegenüber den Schwerpunkt der Textbetrachtung und nimmt den Rezipienten bei der Interpretationsarbeit in den Blick: So formuliert Iser folgende Frage als die zentrale Frage literaturwissenschaftlich methodischer Forschung: Wie werden Texte aufgenommen?4 Indem so deutlich zwischen literarischem Text einerseits und der Rezeptionstätigkeit des Interpreten andererseits unterschieden wird, können die unterschiedlichen Interpretationen zu einem Werk theoretisch erklärt werden.5 Der Interpret nimmt den Text nicht in Form einer reinen Abbildung an sich wahr, sondern – so stellt Iser heraus – er ist zunächst einmal ein Leser, der mit seinen kognitiven und emotionalen Voraussetzungen den Text im Lesevorgang aufnimmt. Diese je eigenen Dispositionen der Leser sind letztlich für die Unterschiedlichkeit der nachfolgenden Interpretationen verantwortlich.6 Das Lesen und die Interpretation eines Textes als einen solchen, vom Leser her letztlich determinierten und aktiven Vorgang zu verstehen, deckt sich mit der Auffassung von Lern- und Wahrnehmungsprozessen der gegenwärtigen kognitiven Entwicklungspsychologie.7 Besonders einleuchtend und evident erscheint mir hier die Interpretation sogenannter Kippbilder:8 Warum erkennen in diesen Bildern die einen Betrachter eine alte Frau, die anderen eine junge Frau im rückwärtigen Profil? Oder zwei einander zugewandte Profile von Menschen oder einen Pokal? Das Bild an sich ändert sich nicht, die Zuweisung und Interpretation der hellen und dunklen Farbflächen geschieht allein im Kopf des Betrachters. Die Rezeptionsästhetik hat es sich zur Aufgabe gemacht nachzuweisen, dass die so beschriebene Mitarbeit des Lesers und Interpreten – bzw. hier im Beispiel der Bilder: des Betrachters – kein Manko und kein Defizit derselben ist, sondern wesenhaft zum Text – respektive der Zeichnungen – gehört.9 Während einige Literaturwissenschaftler vom Charakter des Textes her die Aktivität des Lesers als logische Folgerung zu begründen versuchen, bemühen sich andere darum, dies mit Hilfe der Dokumentation und Auswertung von Textinterpretationen nachzuweisen. Einer der bekanntesten Vertreter der ersten Richtung, der sogenannten ›Wirkungsästhetik‹ ist der bekannte italienische Sprachwissenschaftler und Romanautor Umberto Eco.10 Als Semiotiker definiert er Texte als Zeichensysteme.11 Indem er Zeichen generell eine Kommunikationsfunktion zuweist und damit als Mittel zur Verständigung zwischen Sender und Empfänger charakterisiert, verortet er auch Texte primär in einem grundlegenden Kommunikationsmodell, das aus Sender, Botschaft und Empfänger besteht.12 Die damit verbundene Betonung der pragmatischen Dimension der Zeichen findet ihren plakativen Ausdruck in folgendem Satz: »Ein Text will, dass ihm jemand dazu verhilft zu funktionieren.«13 Aufgabe des Lesers ist es dabei, diese Zeichen zu aktualisieren. Durch die Eigenart der Zeichen wird die Intensität der postulierten Mitarbeit gesteigert: Im Gegensatz zu Stimuli, auf die der Empfänger nur eine mögliche Reaktion zeigen kann, besitzen Zeichen symbolischen Charakter, das heißt, sie stehen für etwas Abwesendes. Folgendes Beispiel verdeutlicht das: Während auf den Stimulus ›Knieschlag‹ im Rahmen eines biologischen Reiz-Reaktions-Schemas nur die Reaktion ›Beinheben‹ folgen kann, löst das Wort ›Rose‹ je unterschiedliche Bedeutungszuweisungen bei Lesern aus, die von dessen Vorerfahrungen geprägt sind und die sich von der Vorstellung des Autors nochmals unterscheiden können.14 Die strenge Betonung der Verwiesenheit von Texten auf diese Tätigkeit der Empfänger führt bei Eco zur Schlussfolgerung: Der Text selbst muss die Mitarbeit der Leser miteinplanen. Damit Kommunikation über Worte und Texte jedoch gelingen kann – und das führt Eco ebenfalls aus – ist ein gewisser, beim Autor und seinen potentiellen Lesern gemeinsamer Grundkonsens über die Bedeutung derselben und über ihre Beachtung im Rezeptionsvorgang unabdingbar.15 Iser nimmt in der Nachfolge Ecos noch genauer literarische Texte und ihre Interpretationen methodologisch in den Blick. Als solche lassen sich ja auch biblische Texte letztlich verstehen. Er differenziert dabei in seiner Erläuterung der pragmatischen Funktion ästhetischer Texte zwischen Text und Werk: »Der Text als solcher hält nur verschiedene ›schematisierte Ansichten‹ parat, durch die der Gegenstand des Werkes hervorgebracht werden kann. […] denn das Werk ist mehr als der Text, da er erst in der Konkretisation sein Leben gewinnt.«16 In literarischen Texten potenziert sich dieser Verweischarakter: Denn »dem imaginären Gegenstand fiktionaler Texte […] fehlt die Qualität...



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