Stucke | Gute Argumente | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 150 Seiten

Reihe: Mörderische Frauen

Stucke Gute Argumente

13 Kriminalgeschichten
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-937357-77-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

13 Kriminalgeschichten

E-Book, Deutsch, 150 Seiten

Reihe: Mörderische Frauen

ISBN: 978-3-937357-77-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Manche Menschen bereiten ihrer Umwelt mehr Freude, wenn sie tot sind, das muss mal gesagt werden. Wenn diese Erkenntnis ausreichend gereift ist, ist der Schritt vom Gedanken zur Tat dann nur noch ein Klacks: Sigrid entsorgt ihren Haustyrann umweltverträglich in der idyllischen Bergwelt, Heike hat noch eine tödliche Rechnung mit dem Dorfpfarrer offen und Soledad sitzt ihr Problem im wahrsten Sinne des Wortes aus. Angelika Stucke schließt mit 'Gute Argumente' ihre Trilogie über mörderische Frauen ab. Pointenreich und mit bitterbösem Humor führt die Autorin den Leser in den ganz normalen Alltagswahn, der sich irgendwann in Gewalt entlädt - da mischen randalierende Rentner ihr Altenheim auf wie Halbstarke, Damen jenseits der Menopause spielen russisches Roulette mit Giftcocktails oder schreiten beherzt an den Waffenschrank des Gatten. 'Gute Argumente' für ihr Tun hat nämlich jede der Täterinnen und es ist ein Vergnügen, ihren mörderischen Spuren zu folgen!

Angelika Stucke, geboren 1960 im niedersächsischen Eddinghausen, arbeitete zunächst als Dip.-Sozialpädagogin in Leverkusen. Da ihr Herz aber immer schon für das Schreiben schlug, gab sie die feste Stelle auf und arbeitete als freie Mitarbeiterin beim Bastei Verlag. 1986 Stipendium der Carl Duisberg Gesellschaft, um Erfahrung als Autorin im Ausland zu sammeln. Sie berichtete für die Fernsehwoche aus Hollywood. Ende 1987 ging sie nach Spanien, wo sie bis heute als freie Autorin für deutsche und spanische Medien tätig ist.
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Der Sammler


Eine Stille, die nach Beklommenheit schmeckt, umgibt uns ganz plötzlich. Nie zuvor hat meine Großmutter solch deutliche Worte gesprochen. Nach ihrem Ausbruch wird unser Schweigen nur hin und wieder von einem hellen Klingeln unterbrochen, immer dann, wenn einer unserer Silberlöffel zufällig gegen die zarten Porzellanwände der Teetassen stößt. Ansonsten scheinen selbst die Singvögel vor Schreck verstummt zu sein.

Wir sitzen an dem steinernen Tisch im Blumengarten, mitten zwischen hoch gewachsenen Stockrosen, den Lieblingsblumen meiner Großmutter, breitköpfigen Sonnenblumen, spitzblättrigem Bilsenkraut und leuchtend blau blühenden Wegwarten. Feine violette Adern durchziehen die schmutziggelben, trichterförmigen Blüten des Bilsenkrautes, welches schuld daran war, dass mir als Kind der Zugang zu Omas Blumengarten strengstens verboten war. Tollkraut heißt die Pflanze auch, die mit der Tollkirsche verwandt und hoch giftig ist, aber bei Asthma und Bronchitis ganz vorzüglich heilen soll.

Seinen zweiten Namen verdankt das Kraut der Tatsache, dass man im Mittelalter meinte, Hexen benützten Bilsenkraut, um liebestoll machende Tränke zu brauen. Als Kind habe ich mir oft vorgestellt, wie Großmutter aus all ihrer medizinischen Flora magische Tränke zubereitet und vor meinen Spielkameraden damit angegeben, dass sie mich in Vollmondnächten auf ihrem Besen reiten lässt. Natürlich war das gelogen; die Polizei kam aber trotzdem zu meinen Großeltern, weil besorgte Eltern Omas Giftgarten angezeigt hatten. Damals habe ich gelernt, wie wichtig es im Leben sein kann, im entscheidenden Moment lieber die Klappe zu halten. Deshalb sage ich jetzt nichts, sondern rühre nur immer wieder verlegen in meinem Tee. Ich habe das Gefühl, einem ganz entscheidenden Moment im Leben meiner Großmutter beizuwohnen. «

»Manchmal wollte ich, er wäre tot!«, hat sie so laut gesagt und dabei mit zusammengeballter Faust immer wieder auf eines der Sitzkissen eingeschlagen, dass die kleine Mönchsgrasmücke, welche in den Holunderbüschen nach bereits gereiften Beeren suchte, erschreckt davongeflogen ist. Mit ‚er’ ist natürlich August Kück gemeint, mein Großvater. Ich dachte immer, nach der Goldenen Hochzeit gibt es kaum etwas, was eine Partnerschaft noch ernsthaft erschüttern könnte, aber da habe ich mich wohl getäuscht.

»Dieser verdammte Sammeltrieb bringt mich noch um den Verstand«, erklärt Oma ihren Ausfall jetzt. »Weißt du, dass ich neulich unter dem Sofa in der kleinen Stube drei Kisten voller sorgfältig geglätteter und geknickter Suppentüten gefunden habe?«

Ich schaue sie nur mit weit geöffneten Augen an und schweige lieber weiter. Das ist ein Trick, den ich lernte, als ich noch Psychologie studierte. Schauend und schweigend bringt man die verborgensten Seiten in der Seele eines Patienten ans Tageslicht.

Nicht dass Oma meine Patientin wäre, ich habe Psychologie ja auch gar nicht zu Ende studiert, aber wenn jemand dabei ist, sein Herz auszuschütten, kann ein interessiert schweigendes Gegenüber nie schaden. Dabei ist es natürlich wichtig, interessiert den Mund zu halten und nicht etwa abwesend, träumerisch oder gar urteilend.

»Was er damit einmal wollte, weiß er selbst nicht mehr«, fährt Oma aufgebracht fort. »Ich vermute, er hortete die Tüten als zukünftiges Isoliermaterial. Solange seine Sammelleidenschaft nur den Boden oder den Keller betraf, habe ich mich damit arrangieren können. Aber jetzt müllt er mir die Wohnung voll. Das kann so nicht weitergehen!«

An der Art, wie Oma jetzt das Kissen knetet, merke ich, wie sehr ihr die Situation an die Nieren geht. Ich schweige trotzdem weiter, klingele nur ab und zu aus Versehen mit dem Silberlöffel an der Teetasse. Der Earl Grey ist schon ganz kalt geworden, aber unter keinen Umständen will ich jetzt aufstehen und frischen brühen, denn Omas Redefluss ist gerade erst in Fahrt gekommen.

Ich hatte nicht gedacht, dass Opas Leidenschaft derartige Ausmaße angenommen hat. Dass er gern etwas aufhebt, was andere Menschen sofort als Abfall eingeordnet hätten, weiß ich ja seit eh und je, schließlich bin ich bei meinen Großeltern aufgewachsen. Aber dass Oma beinahe täglich neue Verstecke ausgelöffelter Joghurtbecher oder in Plastiktüten verwahrter Suppenknochen findet, hätte ich nie vermutet.

»Oft merke ich erst am Gestank, dass er wieder ein neues Versteck ausgemacht hat«, flüstert Oma jetzt. Tränen kullern dabei über ihr faltiges Gesicht. »Kind, ich halte das nicht länger aus! Seine Vergesslichkeit wird auch immer schlimmer. Ständig muss ich hinter ihm her sein, nachsehen, dass er seine Medizin nimmt, dass er sie nicht zweimal hintereinander nimmt … Anfang der Woche musste der Notarzt kommen, weil er nach dem Mittagsschlaf meinte, es sei ein neuer Morgen und alle Pillen erneut schluckte. Es ist anstrengender als einen Sack Flöhe zu hüten!«

»Und wenn du ihn ins Heim gibst?«, wage ich vorzuschlagen.

»Das kommt gar nicht infrage«, entrüstet sich meine Großmutter, und ich bin unsagbar stolz auf sie!

Seit 53 Jahren ist sie mit ihrem August verheiratet, da würde sie ihn nie einfach so abschieben. So viel Treue gibt es weder in der Generation meiner Eltern, die ich leider kaum kenne, noch in meiner. Heute gehen Partnerschaften doch schon bei der ersten kleinen Krise kaputt. Die Frauen aus Omas Generation dagegen halten zu ihren Männern, komme was wolle!

»Hast du dich schon einmal gefragt, was so ein Heimplatz kostet?«, sagt Oma jetzt, und meine Illusionen von einer besseren Generation schmelzen dahin wie Alpengletscher unter dem Klimawandel. »Das können wir uns gar nicht leisten!«

Eigentlich hatte ich vorgehabt, meine Großeltern nur am Nachmittag zu besuchen, aber angesichts des labilen Gemütszustandes meiner Oma und des blühenden Bilsenkrautes gleich neben uns, beschließe ich, doch besser über das Wochenende zu bleiben. Eine Zahnbürste ist ja schnell gekauft und in meinem alten Zimmer müssten noch ein paar ausrangierte Klamotten von mir hängen. Die hatte Opa vor Jahren aus der Altkleidersammlung gezerrt, um sie irgendwann zu einem Flickenteppich zu verarbeiten. Entschlossen nehme ich mir vor, an diesem Wochenende mit Oma zusammen ein bisschen Klarschiff im Haus zu machen.

»Genieß du noch etwas die Sonne«, sage ich also in einem Ton, der keine Widerrede duldet. »Ich räume derweil ab und schaue nach Opa.«

»Der schläft sicher fest, ich habe ihm vorhin noch eine meiner Spezialmischungen hingestellt«, antwortet Oma.

Nach dem Abwasch schleiche ich mich trotzdem auf Zehenspitzen vor die Tür zur kleinen Stube. Ich will nur mal nach dem Rechten schauen, nicht dass Opa wieder irgendetwas anstellt.

Die Tür lehnt nur an, ist nicht eingeklinkt. Durch die Ritze lausche ich nach seinem Schnarchen. Eigentlich sollte er noch immer seinen Mittagsschlaf halten, aber in dem Raum ist es ganz still. Die unverwechselbaren Pfeiflaute, die Opa sonst um diese Zeit abgibt, sind nicht zu hören.

Seltsam!

Ich stoße die Tür auf und richtig: das Sofa ist verwaist. Wer weiß, auf welch heimliche Sammlermission mein Großvater sich begeben hat, als er Oma und mich in sicherer Entfernung wusste. Es riecht ganz sonderbar in der Stube, so kokelig. Ich schaue mich um, und hole scharf Luft: Auf dem Couchtischchen steht eine angeschlagene Untertasse, gleich daneben schmort die glühende Spitze einer Zigarre langsam aber sicher ein hässliches Loch in Omas Kreuzstichdecke. Aus dem länglichen Häufchen Asche daneben schließe ich, dass Opa sich schon vor einiger Zeit samt der zum Unterteller gehörenden Porzellantasse verdrückt haben muss. Schnell greife ich zum Gießkännchen auf der Fensterbank und lösche den Schwelbrand. Opa ist wirklich zu einer Gefahr geworden! Dann spüle ich die Untertasse, werfe die aufgeweichte Zigarre und die Tischdecke in die Tonne für Restmüll und suche schließlich noch in dem Wäscheschrank im Schlafzimmer meiner Großeltern nach einer frischen Decke. Unter ihr verstecke ich notdürftig den Fleck, der sich in die lackierte Oberfläche des Couchtischchens gebrannt hat. Ich will nicht, dass Oma sich aufregt!

Ihre Bewegungen sind so fahrig, das ist mir heute erst richtig bewusst geworden. Ihre Hände, mit welchen sie stets kräftig zupackte, zittern bei jedem Griff. Vorhin im Blumengarten hatte ich sogar befürchtet, die Teekanne könne ihr jeden Moment entgleiten.

Ihr plötzlicher Wutausbruch kam als Erleichterung. Da habe ich etwas von der energischen Frau wiederentdeckt, die ich als meine Oma kenne.

Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass sie in der Lage ist, etwas an ihrer verzwickten Situation zu ändern. Wer ist eigentlich für so etwas zuständig? Wenn der eigene Mann zu einer Gefahr für Hab und Gut wird, um nicht zu sagen, für das eigene Leben und das anderer. Was wäre zum Beispiel, wenn Opa auf die Idee käme, sich einen Tee zu machen, dafür das Gas aufdreht, dann aber vergisst, selbiges auch wirklich anzuzünden? Während ich nach meinem Großvater Ausschau halte, male ich mir alle möglichen gefährlichen Szenarios aus, die durchaus auf der Titelseite der hiesigen Lokalzeitung landen könnten.

Ich finde ihn schließlich in dem alten Geräteschuppen gleich neben den Gemüsebeeten. Seit Jahren war ich schon nicht mehr hier. Als Kind habe ich im...


Angelika Stucke, geboren 1960 im niedersächsischen Eddinghausen, arbeitete zunächst als Dip.-Sozialpädagogin in Leverkusen. Da ihr Herz aber immer schon für das Schreiben schlug, gab sie die feste Stelle auf und arbeitete als freie Mitarbeiterin beim Bastei Verlag. 1986 Stipendium der Carl Duisberg Gesellschaft, um Erfahrung als Autorin im Ausland zu sammeln. Sie berichtete für die Fernsehwoche aus Hollywood. Ende 1987 ging sie nach Spanien, wo sie bis heute als freie Autorin für deutsche und spanische Medien tätig ist.



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