Stucke | Gute Motive | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 132 Seiten

Reihe: Mörderische Frauen

Stucke Gute Motive

13 Kriminalgeschichten
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-937357-78-2
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

13 Kriminalgeschichten

E-Book, Deutsch, 132 Seiten

Reihe: Mörderische Frauen

ISBN: 978-3-937357-78-2
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Tod trägt Kittelschürze Diese Frauen haben es in sich! Frieda nutzt schmackhafte Hausmannskost zur Lösung ihrer Eheprobleme, Hannelore schafft sich mit Hilfe eines Mietwagens gleich zwei Männer elegant vom Hals und Traudel zeigt ungeahnte Heimwerkerqualitäten, um den Dorfpfarrer zur Strecke zu bringen. Nur Annabelle vermasselt es: Mord ist eben ein anspruchsvolles Metier und für Amateure nicht geeignet. Rabenschwarzer Humor und überraschende Wendungen zeichnen diesen Krimiband aus, der raffinierte Einblicke in die hohe Kunst des perfekten Verbrechens gewährt und nebenbei durchaus Verständnis für die meist weiblichen Protagonisten weckt, fordern die Opfer ihr tragisches Schicksal doch geradezu heraus. Die 13 Kurzgeschichten in 'Gute Motive' erzählen immer aus der Sicht der Mörderin (nur in einem einzigen Fall ist ein Mann der Täter), warum gerade dieser oder jener unangenehme Zeitgenosse dauerhaft von der Bildfläche verschwinden muss. Dabei sind die Tatwaffen hauptsächlich banale Alltagsgegenstände, so wie auch die Täterinnen auf den ersten Blick nichts Diabolisches an sich haben. Ganz im Gegenteil: der Tod trägt Kittelschürze und hält penibel die Kehrwoche ein. Wenn nicht gerade Wichtigeres zu erledigen ist...

Angelika Stucke, geboren 1960 im niedersächsischen Eddinghausen, arbeitete zunächst als Dip.-Sozialpädagogin in Leverkusen. Da ihr Herz aber immer schon für das Schreiben schlug, gab sie die feste Stelle auf und arbeitete als freie Mitarbeiterin beim Bastei Verlag. 1986 Stipendium der Carl Duisberg Gesellschaft, um Erfahrung als Autorin im Ausland zu sammeln. Sie berichtete für die Fernsehwoche aus Hollywood. Ende 1987 ging sie nach Spanien, wo sie bis heute als freie Autorin für deutsche und spanische Medien tätig ist.
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DAS MONTAGSKIND


Ich bin ein Montagskind. Das ist mein Elend. Eigentlich hätte ich an einem Sonntag geboren werden sollen, so zumindest hatte das der Frauenarzt meiner Mutter ausgerechnet. Aber die war zu ängstlich – ich war ja ihr erstes Kind –, kniff immer wieder zu, hielt zurück, presste nicht genug. Da wurde es dann nach Mitternacht, bis mein Köpfchen endlich zu sehen war, und das Glück der Sonntagskinder hatte sich längst einen anderen Gefährten suchen müssen. Mich beehrt es relativ selten. Wahrscheinlich fühlte es sich damals verschmäht.

Wissen Sie, was das bedeutet, an einem Montag das Licht der Welt erblickt zu haben? Man trägt das ganze Leben einen Reinlichkeitswahn mit sich herum. In unserer Gegend ist der Montag nämlich der traditionelle Waschtag. Früher knatterten Montag für Montag ungezählte Reihen blanker Laken an Wäscheleinen im Wind. Heute gibt es ja Trockner, da merkt man das nicht mehr so, aber mein erster Blick auf die Welt war geprägt davon. Makelloses Weiß.

Schon als Kleinkind machte sich bei mir deshalb ein herausragender Hang zur Sauberkeit bemerkbar. Schmierte ich mir im Matsch die Hemden und Hosen voll, schrie ich wie am Spieß. Stets achtete ich darauf, fleckenlos gekleidet zu sein. Ich weiß gar nicht, wie ich die Jahre überstanden habe, in denen ich noch in den Windeln lag. Meine Mutter meinte immer, mein Greinen läge an Blähungen und pumpte mich mit Fencheltee voll. Ich glaube eher, es war der Ekel vor den Ausscheidungen meines Körpers auf meiner vor dem direkten Kontakt nur durch Penatencreme geschützten Haut. Später dann hasste ich es, Taschentücher zu benutzen. Die hübschen, oft bestickten Quadrate aus reiner Baumwolle mit Schnupfen zu beschmutzen war mir ein Gräuel. Zum Glück überfluteten bald preisgünstige Tempos den Markt.

Mein Trieb ließ mich früh zur Zielscheibe für den Spott meiner Spielkameraden werden. »Meister Propper« nannten sie mich hinter vorgehaltener Hand. Heimlich war ich stolz auf diesen Beinamen. Er drückte alles aus, was ich im Leben zu sein anstrebte.

Einmal hatte ich dann doch großes Glück, das war, als ich von der Grundschule in die Realschule kam. Wir sollten das schönste Kind in unserer Klasse wählen. Natürlich rechnete sich besonders Sabine Maahrenholz viele Chancen aus. Mit ihren blonden Korkenzieherlocken und ihren blitzschwarzen Lackschuhen, die so schön knallten, wenn man sie zuerst zusammenstieß und dann ganz schnell wieder auseinander zog, sah sie aus wie Schörli Tempel. Sabine hatte nur einen Fehler, ihre Finger waren ständig mit Tinte verschmiert. Das kam davon, dass sie ihren Füller nicht ordentlich, nicht so wie ich, behandelte. Kurz und gut, es war eine absolute Neuheit, dass die 5a in jenem Schuljahr einen Jungen zum hübschesten Kind wählte, mich! Tagelang klimperte ich vor Glück und Stolz mit meinem 1. Preis: einem klappbaren Taschenspiegel mit Metallgehäuse. Er sollte meinen weiteren Lebensweg prägen.

Zu Hause musste ich den Spiegel verstecken, mein Vater hätte wenig Verständnis dafür gehabt. Er wollte mich zu einem richtigen Mann erziehen, und irgendwie passte meine Persönlichkeit nicht zu seinen Vorstellungen von einem ganzen Kerl. Der hatte von Montag bis Freitag das gleiche Paar Socken zu tragen, wusch sich höchstens am Sonnabend einmal und fiel in Zusammenkünften vor allem durch hingebungsvolles Popeln auf. Können Sie sich ein waschechtes Montagskind vorstellen, das in der Nase bohrt? Und noch dazu vor Publikum? Eben!

Mein Taschenspiegel begleitete mich durch die Schulzeit bis zum Realschulabschluss. Mit ihm war es mir möglich, meine heimliche Liebe, Gretchen Schwarzer, ungestört zu beobachten. Ich wählte immer einen Platz vor ihr im Schulbus und hielt meinen Spiegel dann so, dass sich ihr liebliches Gesichtchen darin reflektierte. Ich war fasziniert von Gretchen, weil sie so anders war.

Die Schwarzers waren eine Familie, die ihre Existenz am Rande dessen bestritt, was sich gehörte. Genau genommen waren sie gar keine Familie. Herr Schwarzer hatte Frau und Kinder nämlich schon vor Jahren sitzen lassen. Gretchen, mein Schwarm, war das jüngste Kind und sozusagen Schuld am Unglück ihrer Mutter. »Die war eine zu viel für den armen Jakob,« raunten die Frauen im Dorf, wenn sie ihr begegneten. Selten kam Gretchen mit heilen, geschweige denn sauberen Sachen in die Schule. Manchmal, wenn selbst ihr Haar ungekämmt um ihren Kopf abstand, konnte ich meinen Blick gar nicht mehr von ihr abwenden. Selbst im Unterricht holte ich dann meinen Klappspiegel hervor und beobachtete sie heimlich. Ich konnte meinen Drang, aufzustehen und ihre Haare zu kämmen nur mit Mühe unterdrücken. Immer weniger achtete ich auf den Stoff, den wir im Unterricht durchnahmen. Plötzlich entwickelte ich mich von einem Streber, dessen Noten vor Sehr Guts nur so strotzten zum Schlusslicht der Klasse. Das durfte nicht sein. Ich war als Montagskind doch dazu auserkoren, mit leuchtendem Beispiel voranzugehen. Etwas musste geschehen! Nur wusste ich noch nicht, was.

Gretchen schien von meiner Not nichts zu spüren. Sie lachte, wenn die anderen sie hänselten, weil ihre Strumpfhose eine Laufmasche hatte. Kümmerte sich auch nicht weiter darum, wenn auf ihrem Kleid Suppenspritzer getrocknet waren, an denen noch Nudeln klebten. Diese dünnen Teigfäden ließen mich gar nicht mehr los. Es kribbelte mir unter den Nägeln. In der Mathematikstunde musste ich mich auf meine Hände setzen, alles, um nur nicht aufzustehen und die Nudeln von Gretchens Kleid zu pulen. Ich war so gestört, dass ich meinen Spiegel ganz offen zeigte. Statt den Erklärungen von Herrn Treber zu lauschen, gaffte und gaffte ich in meinen Spiegel, um nur den Blick auf die angetrockneten Suppeneinlagen nicht zu verlieren. Ich war wie besessen.

Ein ziehender Schmerz durchzuckte mich. Breitete sich von meinen vom Schlag geröteten Fingern langsam in meinem ganzen Körper aus. In der Klasse war es so still geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Aber was da klappernd zu Boden fiel war keine Stecknadel, es war mein Schatz, mein vertrauter Freund, der Spiegel. Ohne ihn aufheben zu können, fühlte ich mich selbst am Ohr empor gezogen. Herr Treber zerrte mich bis vor die Tafel, beschmutzte dabei meinen Pulli mit Kreidestaub von seinen Fingern. Ich wand mich, wollte mich losreißen, aber mein Ohr war im festen Griff unseres Lehrers. In genau diesem peinlichen Moment schlug meine heimliche Liebe zu Gretchen in eine Woge heißen Hasses um.

Sie war an allem schuld! Wäre sie etwas achtsamer mit ihren Sachen, könnte ich heute noch auf die Auszeichnung Bester Schüler der 10a hoffen. Aber so wie die Dinge lagen, wurde ich stattdessen zum Gespött meiner Klasse, ja der gesamten Lindenauer Realschule.

Die kurze Pause verbrachte ich auf der Jungentoilette und versuchte, sämtliche Kreidespuren aus meinem Pullover zu entfernen. Das war nicht leicht. Er war aus dunkelblauer Wolle gestrickt und der weiße Staub hatte sich bis in die feinsten Maschen verkrochen. Ich schaffte es dennoch. Erst als ich wieder makellos war, fiel mir mein Spiegel ein. Ich schrieb es dem Schock über die plötzliche Beschmutzung zu, dass ich nicht eher an ihn gedacht hatte. Schnell stürzte ich zurück ins Klassenzimmer, obwohl uns das in den Pausen verboten war.

Da lag er, unter meinem Pult. Sein blank geputztes Gehäuse leuchtete im Sonnenlicht. Freudig nahm ich ihn auf, strich zärtlich über seine blitzenden Rundungen. Ich steckte ihn in meine Hosentasche und lief auf den Schulhof hinaus. Die Pause war fast zu Ende, schon klingelte es zum ersten Mal. Beim zweiten Mal hatten alle Schüler brav auf ihren Plätzen zu sitzen. Ich wollte nicht auffallen, nicht durch Ungehorsam jedenfalls. Aber ich musste doch nachsehen, ob mein Glück noch ganz war. Vorsichtig zog ich meinen Schatz aus der Hose, führte den Nagel meines rechten Daumens zwischen seine zusammengeklappten Hälften und öffnete ihn langsam. Fast entglitt er mir erneut. Da klaffte ein hässlicher Sprung inmitten seines verspiegelten Inneren. Ein Schnitt genau durch sein Herz. Ich fühlte einen stechenden Schmerz, ähnlich jenem, der mich durchzuckt hatte, als Lehrer Treber den Stock auf meine Finger hinunter hatte sausen lassen.

Dieser Spiegel war der einzige Beweis dafür, dass auch mir das Glück einmal hold gewesen war. Nun war er zerstört, nie wieder würde er so sein wie früher. Natürlich würde ich ihn weiterhin benutzen können, eine seiner Hälften war ja noch ganz, aber er würde mich stets an die Scham erinnern, an die Schande, mit kreidebeflecktem Hemd vor der ganzen Klasse gestanden zu haben. Ich hasste Gretchen in diesem Moment wie noch nie einen Menschen zuvor. Selbst meinem Vater, der mich manchmal zwang, die Socken vom Vortag zu tragen, brachte ich nicht eine solche Abscheu entgegen. Gretchens Unachtsamkeit ihrem Äußeren gegenüber verletzte mein Feingefühl weitaus mehr. Ich konnte das nicht länger dulden.

Wie viele Tage ich darüber nachsann, was ich tun sollte, weiß ich nicht mehr genau. Mein größtes Dilemma war meine Phobie jeglichem Schmutz gegenüber. Ich sagte ja schon, es ist mein Elend, an einem Montag geboren worden zu sein. Ein harmloser Lapsus meiner Mutter brachte mich schließlich auf die Lösung. Sie schickte mich in den Supermarkt und vergaß, mir...



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