E-Book, Deutsch, 260 Seiten
Stüber Double Challenge - Sprung ins Ungewisse
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7575-9261-5
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 260 Seiten
ISBN: 978-3-7575-9261-5
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sebastian Stüber ist Diplom-Sportmanager, Leichtathletiktrainer und Industriekaufmann. Er wurde 1986 in Aachen geboren, wuchs jedoch in Bad Honnef und der Rhein-Sieg-Region auf, wo er auch heute lebt und ehrenamtlich als Vorsitzender und Trainer für den Leichtathletikverein Bad Honnef arbeitet.
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Sie drehte sich um, war aber scheinbar so in Gedanken, dass sie die Bordsteinkante übersah und ins Leere trat. Sie geriet ins Straucheln. Von der linken Straßenseite her sah Robin einen knallroten BMW M3, mit lauter Musik und überhöhter Geschwindigkeit die Straße hochjagen. Er riss seine Fahrertür auf, war aber viel zu weit weg, um Fiona hätte erreichen und zurückziehen zu können. Panik ergriff ihn. Das Adrenalin feuerte wie eine Stichflamme in seinen ganzen Körper.
„Fiona, pass auf!“, schrie er, als er auf sie zu rannte und versuchte mit wilden Gesten die Aufmerksamkeit des Fahrers von seiner Musikanlage auf die Straße zu richten.
Es passierte alles in einem Bruchteil einer Sekunde, aber vor seinem Auge spielte sich alles in Zeitlupe ab. Fiona fiel bäuchlings auf die Straße, konnte ihren Sturz jedoch noch mit den Armen abfangen. Sie riss die Augen weit auf, als sie den BMW auf sich zukommen sah. Einen schrecklichen Moment lang befürchtete Robin, dass sie in einer Art Schockstarre liegen bleiben würde, unfähig sich zu bewegen. Dann jedoch rappelte sie sich auf und versuchte mit einem Hechtsprung zurück auf den Bürgersteig zu springen.
Den Moment, in dem der rechte Frontflügel des BMWs das rechte Bein von Fiona erwischte, würde er niemals vergessen. Erst das Geräusch eines harten Gegenstands beim Aufprall auf die Karosserie, dann das Knacken und geräuschvolle Brechen von Knochen… und dann der helle, markerschüttende Aufschrei. Doch diesmal war es Schmerz und nicht Freude, der den Schrei auslöste.
Eine Sekunde später war Robin bei ihr.
Die eine entscheidende, verdammte Sekunde zu spät.
Der Anblick brach ihm das Herz.
Er kniete sich zu ihr und nahm ihren Oberkörper in die Arme, versuchte sie zu beruhigen.
Ihr rechtes Knie stand in einem unnatürlichen, grotesk wirkenden Winkel seitlich vom Oberschenkel ab. Erst überwog der Schock die Schmerzen, doch plötzlich brachen alle Dämme. Sie klammerte sich an ihm fest und weinte vollkommen aufgelöst in sein T-Shirt. Robin hielt sie so fest er konnte, wollte ihr das Gefühl von Halt und Schutz geben. Wenigstens jetzt, wenn er schon das Unheil nicht hatte verhindern können.
Der Fahrer des BMWs hatte ein paar Meter weiter am Straßenrand gehalten und die Warnblinker eingeschaltet. Er sprang aus dem Auto und lief auf sie zu. Kreidebleich stotterte er: „Es…es tut mir leid. Ich habe sie zu spät gesehen. Es tut mir leid.“
Robin hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschrien, ihm die Visage poliert, vielleicht hatte er im ersten Moment seiner Verzweiflung sogar den Wunsch ihn zu erwürgen. Stattdessen schrie er nur: „Rufen sie den Notarzt. Machen sie schon.“
Der Typ nahm sein Handy aus der Hosentasche und wählte die 112. Nach ein paar Sekunden stotterte er, scheinbar selbst unter Schock stehend und schwer atmend, Adresse und Notfallsituation in sein Handy. Als er auflegte stand er einfach nur da. Er war schlichtweg überfordert mit der Situation. War Robin es auch? Keine Zeit darüber nachzudenken.
„Sammeln sie die Sachen auf“ sagte Robin zu ihm und deutete auf die Habseligkeiten von Fiona, die über die ganze Straße verteilt lagen.
„Ja, klar!“
Er lief auf die Straße und las Fionas Spikes, die zerplatzte Wasserflasche, die Handyteile und ihren Rucksack auf. Beide Schnallen waren abgerissen, aber das war hier und jetzt der allerkleinste Schaden.
Ein weiteres Auto kam die Straße entlang. Der Fahrer sah die Szenerie, erkannte sofort, dass etwas Schreckliches passiert war und hielt auf dem Parkplatz. Er stieg aus und humpelte zu ihnen herüber. Ein älterer Herr, Ende siebzig vielleicht, mit grauem schütterem Haar. Er bot ihnen seine Hilfe an.
„Sind sie zufällig Arzt?“, fragte Robin.
„Nein, leider nicht. Aber haben sie schon den Notarzt gerufen? Ich kann mich vorne an die Kreuzung stellen und ihm den Weg deuten.“
„Das ist super. Vielen lieben Dank.“
Und somit humpelte er, so schnell ihn seine alten Beine trugen, die Straße runter und hielt an der Kreuzung Ausschau nach dem Krankenwagen. Fiona grub derweil ihre Finger noch fester in Robins Arme. Ihr Oberkörper schien sich zu verkrampfen. Ihre Beine hatte sie die gesamte Zeit nicht bewegt. Ob aus Vorsicht, Schmerz oder einem anderen Grund vermochte Robin nicht zu sagen.
Er wollte ihr sagen, dass alles gut wird, dass sie das alles schon wieder hinkriegen würden… aber er wusste nicht, ob es der Wahrheit entsprechen würde. Also versuchte er einfach für sie da zu sein. Sie hatte die Augen fest zusammengekniffen und weinte.
„Robin, es tut so weh.“
Es war als ob ihre körperlichen Schmerzen sich auf seine Seele übertrugen.
„Ich weiß“, flüsterte er, „aber ich bin da. Ich bin für dich da und wir schaffen das gemeinsam.“
Es schnürte ihm innerlich die Brust zu, aber er durfte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen. Schließlich musste er Zuversicht, Stärke und Besonnenheit ausstrahlen, damit seine Worte kraftvoll und glaubhaft bei Fiona ankamen, obwohl sie eigentlich nichts weiter als verzweifelte Sätze der Hoffnung waren.
Plötzlich drang der schrille Klang der Krankenwagensirene an ihre Ohren. Er schoss die Straße herauf und wenig später sah Robin auch den alten Mann zu ihnen zurückhumpeln. Der Krankenwagen hielt mit Blaulicht vor dem Unfallfahrzeug am Straßenrand. Vier Sanitäter sprangen aus dem Wagen. Zwei zogen die Trage aus der Hintertür, die anderen Beiden stellten bereits ihre Taschen neben Fiona ab und stellten ihr Fragen. Robin bekam alles nur wie in Trance mit. Es schien alles zu unwirklich. Als der alte Mann ihn sachte von Fiona wegzog, damit die Sanitäter in Ruhe arbeiten konnten, war es wie ein Wachrütteln.
„Komm Junge, lass die Ärzte ihre Arbeit machen. Je schneller desto besser.“
Doch Fiona wollte ihn nicht loslassen.
„Robin!?“
„Ich bin hier Fiona. Keine Sorge, ich bleibe bei dir.“
Ein Sanitäter schaltete sich dazwischen.
„Wer sind sie?“
Allein die Nüchternheit dieser drei Worte haute Robin fast um. Aber wahrscheinlich musste man so ruhig und ausgeglichen sein, wenn man in diesem Job arbeitete.
„Ich bin ihr Trainer.“
„Wissen Sie, ob sie irgendwelche Medikamente nimmt?“
„Nein, mir ist nichts bekannt. Sie nimmt ab und zu etwas gegen Kopfschmerzen, aber nur in Akutfällen, nicht regelmäßig.“
„Allergien?“
„Nur gegen ein paar Pollen und Gräser, soweit ich weiß.“
„Okay, wir bringen sie jetzt ins Meredith-Hospital. Können sie die Eltern verständigen?“
Robin nickte kurz und griff nach seinem Handy. Während es klingelte, nahm er mit dem freien Ohr wahr wie der Notarzt auf fachchinesisch erste Diagnosen stellte.
Dann hievten die Sanitäter Fiona vorsichtig auf die Trage. Mit schmerzverzerrtem Gesicht biss sie auf die Zähne, im Versuch nicht bei jeder kleinsten Bewegung loszuschreien. Als Robin, mit Handy am Ohr, hinter ihr und den Sanitätern in den Wagen steigen wollte, schüttelte einer von ihnen den Kopf.
„Keine Handys hier. Sie können aber ins Krankenhaus nachkommen.“
Fiona hatte es mitbekommen und rebellierte.
„Er muss mit! Robin bitte, du musst bei mir bleiben! Ich brauche dich!“
Entschieden stieg Robin an dem Sanitäter vorbei in den Wagen, stellte sich an Fionas Seite und strich ihr sanft die blonde Strähne aus der Stirn.
„Hör zu, ich bin bei dir! Ich sag nur schnell deinen Eltern Bescheid und fahr mit meinem Auto direkt hinter euch her, okay?“
Sie nickte kurz.
„Danke!“
„Bis gleich.“
Er sprang aus dem Wagen und schloss die Flügeltüren hinter sich. Die Sirenen ertönten wieder und Robin musste sich das linke Ohr zuhalten, um zu hören, ob sich Fionas Eltern am anderen Ende der Leitung endlich meldeten. Der Krankenwagen wendete auf dem Parkplatz und raste Richtung Krankenhaus davon. Robin wiederum sprintete zu seinem Auto. Er sprang auf den Fahrersitz, startete den Motor und wollte gerade den Parkplatz verlassen, als die Polizei ihren Wagen genau vor ihm zum Stehen brachte. Aufgebracht ließ Robin die Scheibe runter, lehnte sich aus dem Fenster und deutete den Beamten ein Stück weiter zu fahren, doch der Polizist auf dem Beifahrersitz stieg aus, kam zu ihm und sprach in aufreizender Gelassenheit:
„Sind sie Tatzeuge? Wir müssen sie bitten hierzubleiben, damit wir ihre Aussage aufnehmen können.“
Zeitgleich meldete sich endlich Fionas Vater am Handy.
„Hallo Robin, was gibt’s?“
Er schenkte dem Polizisten vorerst keine weitere Beachtung.
„Oliver, es tut mir leid. Eure Tochter wird gerade ins Meredith-Hospital gebracht. Sie wurde angefahren. Es ist nichts Lebensgefährliches, sie ist bei Bewusstsein. Aber ihr rechtes Bein hat es voll erwischt. Kommt bitte ins Krankenhaus. Ich erzähl euch alles weitere dort.“
Er hörte wie Fionas Vater tief Luft holen musste, bevor er mit zittriger Stimme sagte:
„Okay, wir kommen sofort. Bis gleich.“
Robin drückte auf das rote Hörersymbol und wandte sich wieder dem Polizisten zu.
„Hören sie, ich reiche ihnen meine komplette Aussage gerne in schriftlicher Form nach. Meinetwegen komme ich morgen auch persönlich zu ihnen auf’s Präsidium, aber jetzt muss ich zu meiner Athletin.“
„Mo-Mo-Mo-Moment“, versuchte der Typ ihn zu beschwichtigen, „Sie können wahrscheinlich gerade sowieso nichts für sie tun. Sie ist bei den Ärzten in guten Händen. Deshalb schlage ich vor…“
„Jetzt hören sie mir mal gut zu“, unterbrach Robin ihn barsch, er schrie dem...




