E-Book, Deutsch, 198 Seiten
Suchanek / Ulshöfer Generationengerechtigkeit als Aufgabe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-86618-127-4
Verlag: Rainer Hampp Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 198 Seiten
ISBN: 978-3-86618-127-4
Verlag: Rainer Hampp Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Angesichts demographischer, sozialer und ökonomischer Veränderungen hat das klassische "Generationenmodell", in dem die Jungen für die Alten sorgen, ausgedient. Generationengerechtigkeit bezieht sich nicht mehr ausschließlich auf die Solidarität der Jungen mit den Alten, sondern ist zum vielschichtigen Problem zwischen den Generationen geworden. Entsprechend hat sich der Begriff der "Generationengerechtigkeit" als Schlagwort in der aktuellen politischen Debatte etabliert.
Dabei ist die Intention derer, die diesen Begriff im Munde führen, durchaus unterschiedlich. Während die einen damit die Verantwortung der jetzt Lebenden für die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt und stabiler sozialer Bedingungen für die zukünftigen Generationen meinen, bezeichnet der Begriff für andere den Anspruch, einen gerechten Ausgleich zwischen den jetzt lebenden Generationen im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit herbeizuführen.
Der vorliegende Band möchte zur Klärung und inhaltlichen Aufarbeitung des Begriffs der "Generationengerechtigkeit" beitragen und die Frage nach den konkreten Möglichkeiten zur Umsetzung von Generationengerechtigkeit innerhalb der Sozial- und Wirtschaftspolitik Deutschlands aufgreifen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;VORWORT;6
2;INHALTSVERZEICHNIS;8
3;GENERATIONENGERECHTIGKEIT – zur Einführung;10
3.1;Generationengerechtigkeit als Aufgabe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft --- Michael S. Aßländer;12
4;GENERATIONENGERECHTIGKEIT – die wirtschaftliche Perspektive;20
4.1;Nachhaltigkeit als Ursache, Generationengerechtigkeit als Wirkung: Wie aber lautet der verbindende Frame? --- Georg Müller-Christ;22
4.2;Corporate Responsibility – Bloß Public Relations oder Überlebensfrage? --- Christian Berg;42
4.3;Generationengerechtigkeit aus ökonomischer Sicht --- Joachim Genosko;54
5;GENERATIONENGERECHTIGKEIT – die politische Perspektive;68
5.1;Solidarität durch Wettbewerb in der Krankenversicherung – Zur Notwendigkeit einer rationalen Gesundheitsdiskussion --- Dominique Nicole Friederich;70
5.2;Den demographischen Wandel gestalten: Zwischen Generationengerechtigkeit und Generationensolidarität --- Wolfgang Schroeder;80
5.3;Generationensolidarität als Herausforderung für Europa - Die gesellschaftliche Verantwortung von Politik und Wirtschaft --- René Schmidpeter;92
6;GENERATIONENGERECHTIGKEIT – die soziale Perspektive;106
6.1;Generationenverantwortlichkeit in Familie und Gesellschaft --- Hans-Günter Krüsselberg;108
6.2;Ungleichbehandlung von Jung und Alt in Unternehmen. Eine Frage der Generationengerechtigkeit --- Jörg Tremmel;128
6.3;Work-Life-Balance und die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen --- Nicola Benda, Gerd Mutz;146
7;GENERATIONENGERECHTIGKEIT – Ausblick: die ökologische Perspektive;158
7.1;Herausforderung Zukunft --- Michael F. Jischa;160
8;AUTOREN- UND HERAUSGEBERVERZEICHNIS;188
Solidarität durch Wettbewerb in der Krankenversicherung – Zur Notwendigkeit einer rationalen Gesundheitsdiskussion ( S. 69)
Dominique Nicole Friederich
1 Einleitung
Die Gesundheitspolitik steht unter Druck: Die demographische Entwicklung, der medizinisch-technische Fortschritt, die angespannten Finanzierungsbedingungen und vor allem auch die Unzufriedenheit der unterschiedlichen Interessengruppen stellen die gesundheitspolitischen Akteure mit zunehmender Dringlichkeit vor die Aufgabe, grundlegende Reformen anzupacken.
Entsprechend erscheint es umso verwunderlicher, dass insbesondere innerhalb des Krankenversicherungssystems trotz einer Vielzahl an ökonomisch überzeugenden Lösungsalternativen bisher keine Einigkeit für ein umfassendes Reformkonzept erzielt werden konnte, sondern Politik und Gesellschaft sich auf den Beschluss kurzfristiger Maßnahmen zur Lösung akuter Probleme beschränken und Entscheidungen für grundlegende Systemveränderungen kontinuierlich verschieben.
Analysiert man das Problem näher, ist schnell feststellbar, dass ein wesentliches Problem in der fehlenden Kompatibilität vieler ökonomisch überzeugender Reformvorschläge mit den vorherrschenden Solidaritäts- und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Gesellschaft zu bestehen scheint.
Kopf- oder Risikoprämien, Leistungskürzungen und Erhöhungen von Zuzahlungen erscheinen nur allzu häufig ungerecht und unsolidarisch und werden entsprechend nicht selten vollständig abgelehnt. Um die gesellschaftliche Akzeptanz für grundlegende Reformvorschläge erzielen zu können, ist es erforderlich, dass Vorschläge zur Reform der Krankenversicherung nicht nur technisch-institutionell überzeugend sind, sondern vor allem auch moralisch-intuitiv die Zustimmung in der Gesellschaft finden können.
Die Solidaritäts- und Gerechtigkeitsvorstellungen, konkreter: die Vermittelbarkeit der unterschiedlichen Reformvorschläge mit den moralischen Vorstellungen der Gesellschaft von Solidarität und Gerechtigkeit werden damit zu einer wesentlichen Handlungsrestriktion für eine mögliche Umsetzbarkeit. Und dies gilt umso mehr, wenn die Reformvorschläge Alteingesessenes erheblich in Frage stellen, wie es u.a. alle marktwirtschaftlichen Konzepte zur Reform der Krankenversicherung vorsehen.
Zwar verzichten auch die marktwirtschaftlich orientierten Reformkonzepte nicht auf die Einbindung normativer Leitbegriffe wie Solidarität oder Gerechtigkeit. Jedoch findet diese Einbindung i. d. R. nicht systematisch statt, was nicht selten den Eindruck hinterlässt, dass der Ökonomie der Vorzug vor Solidaritäts- und Gerechtigkeitsüberlegungen gegeben wird.
Überdies sind die Vorstellungen von Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft nicht selten problematisch und geprägt durch historisch bedingte Erwartungen, was dann dazu führt, dass oftmals weder die gezielte Verbindung zu den Bedingungen der realen Umwelt hergestellt, noch die systematischen Zusammenhänge des Krankenversicherungssystems ausreichend reflektiert werden.
Die Konsequenzen sind eindeutig: Unter Rekurs auf eine missverstandene Solidarität werden Fehlschlüsse hinsichtlich der Güte möglicher Reformkonzepte in der öffentlichen Gesundheitsdiskussion geradezu provoziert und sinnvolle Reformen des Krankenversicherungssystems systematisch verhindert.
2 Für eine rationalisierte Sichtweise von Solidarität und Gerechtigkeit
Macht man sich diese grundlegende Problematik der gesundheitspolitischen Diskussion bewusst, wird sehr schnell deutlich, dass eine nachhaltige Reform des Krankenversicherungssystems die Veränderung genau dieser problematischen Solidaritäts- und Gerechtigkeitsvorstellungen unter Einbezug der systematischen Zu- sammenhänge des Gesundheitssystems als unabdingbare, jedoch bisher nicht ausreichend berücksichtigte Voraussetzung abverlangt:
Um die allgemeine gesellschaftliche Zustimmung für mögliche Reformvorschläge erlangen zu können, ist es erforderlich, neben den im Fokus der traditionellen Gesundheitsökonomie stehenden technisch-institutionellen Handlungsrestriktionen auch normative Restriktionen systematisch in die konzeptionelle Analyse einzubeziehen, und dies erfordert nicht nur die technische Arbeit an den unterschiedlichen Reformvorschlägen, sondern in erheblichem Maße auch die Arbeit an den moralischen Vorstellungen und der Semantik der Gesellschaft im Hinblick auf relevante normative Leitbegriffe wie Solidarität und Gerechtigkeit.
Sind diese charakterisiert durch ein mangelhaftes Verständnis von Zusammenhängen, eine fehlende Berücksichtigung relevanter empirischer Rahmenbedingungen oder systematische Fehlschlüsse, kann dies die Einigung auf sinnvolle Konzepte verhindern und durch problematische Schlussfolgerungen bzgl. der Güte bestimmter Reformvorschläge gesellschaftlich unerwünschte, nichtintendierte Handlungsergebnisse provozieren.