Taschinski | Caspar und der Meister des Vergessens | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Taschinski Caspar und der Meister des Vergessens


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86274-751-1
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-86274-751-1
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Caspars Eltern sind geniale Puppenspieler. Doch ihr Erfolg hat seinen Preis: Seit Generationen muss die Familie ihr jüngstes Kind dem Meister des Vergessens opfern. Eines Tages verschwindet Caspars Bruder Till, auch aus den Erinnerungen der Erwachsenen. Nur Caspar und seine Schwester können ihn retten. Denn der Meister hat ein kaltherziges Ziel: Mit Hilfe aller verschwundenen Kinder will er die perfekte Puppe erschaffen und zum Leben erwecken."Caspar und die Meister des Vergessens" von Stefanie Taschinski kombiniert zeitlos und atmosphärisch Kinderalltag und Fantastik.

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1. Kapitel
Caspar warf die Tür so heftig hinter sich zu, als wollte er das alte Haus zum Einstürzen bringen. Die hell erleuchteten Schaufenster neben dem Eingang bebten, und der silberne Falter, der über dem Eingang des Theaters hing, tanzte an seinen Fäden. Er fror sofort. Die winzigen Schneekristalle brannten auf seinem Gesicht, und die Worte seines Vaters gingen ihm nicht aus dem Sinn. »Ach, Caspar. Anatol kommt auch gut ohne dich zurecht.« Schnaubend zog Caspar seine Mütze tiefer über die Ohren. Als ob! Vor zehn Minuten hatte er sich noch so darauf gefreut, zu Anatol in die Theaterwerkstatt zu gehen, um ihm beim Schnitzen des Bühnenbilds zu helfen. Das neue Stück seiner Eltern hieß Noah, und die Karten waren seit Wochen ausverkauft. Caspar war so glücklich gewesen, als der Werkstattgeselle ihn um Hilfe gebeten hatte. »Du hast eine gute Hand zum Schnitzen«, hatte Anatol gesagt. Zum ersten Mal durfte Caspar sogar mit den scharfen Profimessern arbeiten, und begeistert hatte er jede freie Minute in der Werkstatt verbracht. Doch das konnte er jetzt wohl vergessen. Denn wenn es nach Mama und Papa ging, hatte er seinen kleinen Bruder bis zum Ferienende an der Backe und würde überhaupt nicht mehr in die Werkstatt kommen. Angefangen hatte alles beim Mittagessen. Sein Vater, Greta, Till und er hatten gerade die letzten Pfannkuchen aufgeteilt, als seine Mutter in die Küche gelaufen kam. »Kleine Planänderung«, hatte sie verkündet. »Die Redakteurin vom Radio kommt schon um eins statt um drei.« »Was?« Sein Vater ließ die Gabel sinken. »Aber die Programme sind noch nicht gefaltet, und die neuen Fotos müssen auch noch auf unsere Internetseite.« Caspar sah auf die Uhr. Es war genau zwanzig Minuten vor eins. Für einen kurzen Moment lehnte seine Mutter sich erschöpft gegen den hohen Kühlschrank und blickte kopfschüttelnd auf die lange To-do-Liste, die dort hing. »Es ging nicht anders, Kolja.« Sie seufzte. »Heute Nachmittag kommt das Fernsehteam, und die große Lichtprobe steht auch noch an.« Sie blickte Hilfe suchend zu Greta. »Schatz, könntest du vielleicht die Fotos einsetzen und dich um die Programme kümmern? Das wäre großartig!« Seine dreizehnjährige Schwester lächelte stolz. »Na klar, Mamsi. Kein Problem.« Greta war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Beide hatten das gleiche wellige, dunkelbraune Haar und das herzförmige Gesicht, das ihnen ein verschmitztes Aussehen gab. Und obwohl sie nur knapp zwei Jahre älter war als Caspar, behandelten ihre Eltern sie schon fast wie eine Erwachsene. »Wir wollten doch eislaufen gehen«, unterbrach Till Caspars Gedanken. »Du hast es versprochen, Greta!« Caspar sah, wie sein Vater die Stirn runzelte, und wusste sofort, was kommen würde. »Tut mir leid, Till, aber wir brauchen heute Gretas Hilfe.« Er schob die runde Brille auf der Nase zurecht und blickte zu ihm. »Caspar kann mit dir eislaufen gehen.« »Wieso ich?« Caspar schüttelte den Kopf. »Ich hab erst gestern auf Till aufgepasst.« Er sah zu seiner Schwester. Warum sagte sie nichts? Till, der im Herbst sechs Jahre geworden war, wischte mit einem Stück Pfannkuchen durch den Zucker und strahlte. »Dann machen wir ein Wettrennen, Caspar. Das wird cool.« Während Greta ihrer Mutter ähnlich sah, hatte der Kurze dieselben wachen, braunen Augen wie ihr Vater und eine kleine Knubbelnase. Seine Wangen glühten in der Vorfreude, seinen großen Bruder den ganzen Nachmittag für sich zu haben. »Vielleicht morgen oder übermorgen«, sagte Caspar. »Nur heute geht es echt nicht.« Er blickte zu seinen Eltern. »Anatol braucht meine Hilfe in der Werkstatt. Sonst bekommen wir das Bühnenbild bis zur Aufführung nicht mehr fertig.« »Ach, Caspar.« Sein Vater schob den Stuhl zurück und stand auf. »Anatol kommt auch gut ohne dich zurecht.« Seine Mutter wuschelte ihm durchs Haar. »Mach euch noch eine Kanne heißen Kakao, mein Großer. Draußen ist es eiskalt.« Und mit diesen Worten waren seine Eltern aus der Küche gerauscht. Und hier stand er nun und versuchte, mit seiner Enttäuschung klarzukommen. Warum nur war alles, was Greta tat, großartig und wichtig, und was er tat, zählte nicht für zwei Kronen? Vor ihm auf der Straße krochen die Autos durch tiefe Schneefurchen. Der Fahrradweg war ganz unter weißen Massen begraben, und auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig glitten zwei Frauen auf Langlaufskiern vorbei. Durch den dichten Schnee konnte Caspar ihre Gesichter kaum erkennen, aber ihre fließenden Bewegungen erinnerten ihn unwillkürlich an die Marionetten seines Vaters. Ein guter Puppenspieler, das wusste er, konnte seine Puppe so bewegen, dass es ganz natürlich aussah. Und sein Vater, Kolja Winter, war einer der besten. Caspar und seine Geschwister waren es gewohnt, dass ihre Eltern jedes Jahr für mehrere Wochen mit ihren Puppen auf Tournee gingen. Dann kümmerte sich Anatol um sie. Und wie heute kam das Fernsehen regelmäßig in ihr Theater, um seine Eltern zu interviewen oder eine Vorstellung aufzuzeichnen. An einen Bericht erinnerte sich Caspar noch ganz besonders gut. Es war kurz nach Tills Geburt gewesen, als sein Vater alle Holzmarionetten, sogar den Feuerspucker, das Nashorn und das Skelett von der Bühne, auf den Dachboden des Theaters in den Fundus verbannt hatte, um – wie Papa sagte – etwas vollkommen Neues zu beginnen. Das Neue waren Puppen aus Pappe, mit kantigen Gesichtern und Körpern, die bis zu zwei Meter groß sein konnten und ein magisches Spektakel auf die Bühne zauberten. »Genialer Theatermacher erfindet das Puppenspiel neu!«, »Brillant!«, »Federleicht und unvergesslich – Marionettentheater reloaded!« So titelten die Zeitungen, und sein Vater und seine Mutter erhielten für ihr allererstes Stück Der Natzman sogar den großen Preis der königlichen Theaterakademie. Wie es sich anfühle, zu einer so alten und berühmten Puppenspielerfamilie zu gehören, hatte ihn eine der Journalistinnen gefragt. »Verdammt gut!«, hatte Caspar stolz geantwortet und damit alle zum Lachen gebracht. In letzter Zeit war dieses »Verdammt gut« allerdings ganz schön eingedampft. Wenn sie ihn heute gefragt hätten, wäre wohl eher etwas wie »Na ja, geht so« oder ein halbherziges »Okay« rausgekommen. Denn in letzter Zeit hatte Caspar immer wieder das Gefühl, dass er gar nicht richtig dazugehörte. Wütend trat er nach dem Schnee und kickte ihn gegen die Reifen eines parkenden Wagens, als sich wie aus dem Nichts eine Hand auf seine Schulter legte. Sie war kräftig, trotz der Kälte ohne Handschuh und zog Caspar von der Straße weg. Caspar wusste, wer hinter ihm stand, noch ehe er sich umdrehte. »Anatol«, rief er hoffnungsvoll. »Soll ich doch in die Werkstatt kommen?« Wortlos schüttelte der Geselle den Kopf und hielt ihm seinen Schal und Rucksack entgegen. »Da.« Vermutlich hatte seine Mutter ihn Caspar hinterhergeschickt. Anatol war nicht besonders groß, aber der kräftigste Mann, den Caspar kannte, mit breiten Schultern, muskulösen Beinen und starken Händen, die morgens an der Kreissäge Holz für neue Kulissen zuschnitten und abends mit feinem Pinsel geschickt das Gesicht einer neuen Marionette bemalten. Hände, die schnitten, schliffen und schnitzten, solange Caspar denken konnte. Sein Vater war es gewesen, der mit ihm das erste Holztier geschnitzt hatte. Aber Anatol hatte ihm gezeigt, wie man Holz lesen konnte; wie man in dessen Maserung die Geschichte eines Esels oder Zauberers fand. Niedergeschlagen nahm Caspar die Sachen entgegen. »Immer muss ich auf den Kurzen aufpassen. Das ist nicht fair!« Orangerot glomm die Zigarette zwischen den Schneeflocken auf. »Ich weiß«, brummte Anatol. Eine silberne Wolke stieg von seinen Lippen auf. »Familie ist wichtig, Caspar.« »Hm, klar.« Caspar nickte unwillig. Das Letzte, was er von Anatol jetzt hören wollte, war eine Predigt, dass er ein guter Bruder sein sollte. Er wusste selbst, dass es nicht Tills Schuld war. Ihre Eltern hatten halt so mega viel um die Ohren. Aber trotzdem … Der Blick unter den buschigen Augenbrauen ließ ihn nicht los. »Wenn ihr wieder zurück seid, kommst du zu mir.« Erneut glomm die Glut auf. »Ich brauche dich nachher in der Werkstatt, hörst du?« Mit einem Mal fühlte sich Caspar leichter ums Herz. Anatol war es doch wichtig, dass er kam und ihm beim Schnitzen half! »Du kannst dich auf mich verlassen«, sagte er und atmete tief durch. »Ich … ich war einfach nur genervt von dem Kurzen.« Hinter ihnen flog die Tür des Theaters auf. »Ich bin fertig!«, rief Till fröhlich und kam mit dem Schlitten über den Bürgersteig auf sie zugetrabt. Innerhalb weniger Sekunden waren seine grüne Bommelmütze und die darunter hervorblitzenden roten Haare voller Schnee. Caspar konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als er sah, dass an Tills Jacke noch ein paar Popcornkrümel vom letzten Kinobesuch klebten und sein kleiner Bruder wieder mal die Schuhe vertauscht hatte. »Du hast Entenfüße.« Till sah auf seine neongrünen Boots. »Ist doch piepenhagen!« »Komm, zieh die Schuhe richtig an, bevor wir hier einschneien!« Till schob trotzig das Kinn vor. »Das ist nur passiert, weil du so schnell los bist!« Caspar lachte. »Anscheinend nicht schnell genug, um dem Entenfußmonster zu entkommen.« »Wie meinst du das?« »Ich will einfach los, du Schneekopf!« »Blödknopf!«, murmelte Till und stieg aus dem ersten...


Stefanie Taschinski, 1969 geboren, studierte Geschichte, Soziologie und Drehbuch. Sie schreibt Kinderbücher, Theaterstücke und Drehbücher. Mit den Büchern rund um die "Die kleine Dame" hat sie einen zauberhaften Kinderbucherfolg veröffentlicht, der inzwischen für das Kino verfilmt wird. "Funklerwald" ist ihr erstes Buch bei Oetinger. Die Kinderbuchautorin lebt mit ihrem Mann, zwei Töchtern und Labradordame Molly in Hamburg.

Cornelia Haas, 1972 bei Augsburg geboren, machte zunächst eine Ausbildung zur Schilder- und Lichtreklameherstellerin. Danach studierte sie Grafikdesign an der FH Münster. Im Bewusstsein, dass Bildermalen viel schöner ist als Schildermalen, illustriert sie nun mit großem Spaß und bildlichem Vergnügen Kinder- und Jugendbücher. Sie wirkt und lebt in Münster.



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