Taupitz Kommerzialisierung des menschlichen Körpers



Der "Rohstoff Mensch" spielt aufgrund der medizinisch-wissenschaftlichen Entwicklung eine immer größer werdende Rolle. Kaum ein Teil des menschlichen Körpers, der nicht medizinisch, wissenschaftlich oder kosmetisch genutzt werden kann. Gleichwohl sind der Ausschöpfung dieser Möglichkeiten offenbar ethische und rechtliche Grenzen gesetzt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, in welchem Umfang die Nutzung des menschlichen Körpers und seiner Teile mit finanziellen Aspekten verknüpft sein darf. So enthalten beispielsweise die Biomedizinkonvention des Europarates wie auch die europäische Grundrechtecharta ein ausdrückliches Kommerzialisierungsverbot. Danach dürfen der menschliche Körper und seine Teile als solche nicht zur Erzielung von Gewinnen genutzt werden. Dabei sind allerdings der Grund und die Reichweite dieser und zahlreicher anderer Kommerzialisierungsverbote mehr als unklar. Fragen nach dem legitimen Ausmaß einer Kommerzialisierung des Menschen stellen sich konkret etwa in der Transplantations- und Transfusionsmedizin, beim Umgang mit menschlichen Stammzellen und Embryonen wie auch bei der Körperwelten-Ausstellung, der Prostitution und der Selbstversklavung.Die Beiträge des Sammelbandes beleuchten diese und andere Problembereiche interdisziplinär, und zwar auch in historischer und kulturvergleichender Perspektive. Der Schwerpunkt liegt bei medizinethischen Fragestellungen.
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Das Verbot der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers und seiner Teile: Lässt es sich rational begründen? — Zugleich Einführung in das Tagungsthema —.- Die erste Form des Eigentums. Constantin Volney und die Genealogie moderner Bio-Ethik.- „Was die Europäer uns gebracht haben, ist der Körper.“ Von der Undenkbarkeit des Körpers als Objekt.- Kommerzialisierung des menschlichen Körpers: Nutzen, Folgeschäden und ethische Bewertungen.- Inwertsetzung der Gattung: Zur Kommerzialisierung der Fortpflanzungsmedizin.- Menschliches Blut — altruistische Spende für kommerzielle Zwecke?.- Leichen-Schau und Menschenwürde. Von Körperwelten, Kuriositätenkabinetten und Crash-Test-Dummies.- Zur Kommodifizierung menschlicher Organe im freiheitlichen Rechtsstaat.- Die Nicht-Kommerzialisierung des Organtransfers als Gebot einer Global Public Policy: Normative Prinzipien und gesellschaftspolitische Begründungen.- Gewinnverbot: Die ambivalente Verteidigung einer Kultur der Gabe.- Das Verbot der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers: mehr als Tabu? Ethische Aspekte.- Über Körper und Leiber und deren Selbstkommerzialisierung.- Zum moralischen Status des menschlichen Körpers — Eine Diskussion mit der ‚Phänomenologie der Leiblichkeit’.- Die normative Relevanz der körperlichen Verfasstheit zwischen Selbst- und Fremdverfügung.- Lebendorganspende und Selbstbestimmung. Anthropologische, ethische und rechtliche Überlegungen zum Zusammenhang von Würde und Freiheit.- Ein Modell zur Konstitution von Nutzungsrechten an menschlichem Gewebe und Körpermaterialien.- Lizenzforderungen auf Blutkonserven — Das Geschäft mit Patenten auf Bluttests.- Genetische Informationen — Nutzungsrechte und der Schutz der informationellen Privatheit.- Die Veräußerung vonKörpersubstanzen, der „Informed Consent“ und ethisch relevante Charakteristika der Handlungskontexte.- Die Person in unpersönlichen Beziehungen. Das Beispiel der Prostitution.- Freiwillige Selbstversklavung — Eine extreme Form der Kommerzialisierung.- Von der herrenlosen Sache zum kommerziellen Objekt: Leichen, Geld und Moral in der „Körperwelten-Debatte“.- Grenzen der kommerziellen und medizinischen Verfügbarkeit des menschlichen Körpers. Ein Fallbeispiel aus der chinesischen Medizinethik.- Beobachtungen zu Motiven bei der Ovum-Spende für Experimente zum Transfer des Zellkerns aus somatischen Zellen in Ova (hSCNT).- Leib als Eigentum: Zur aktuellen Diskussion in Japan.- Organtransplantation und Organhandel im Iran.- Grenzen der Verfügbarkeit über den menschlichen Körper: Das Kommerzialisierungsverbot in der Transplantationsmedizin Südkoreas.- Kommerzialisierung in der Transplantationsmedizin: Welcher Eigennutz steht dem Spender zu?.- Kommerzialisierung der Lebendorganspende und die Rolle der Lebendspendekommissionen.


Zur Kommodifizierung menschlicher Organe im freiheitlichen Rechtsstaat (S. 95-96)

Hartmut Kliemt

1. Einleitung und Überblick

Ein neues Gespenst geht um in Europa, es ist das der Kommodifizierung des menschlichen Körpers. Die viel geäußerten Sorgen, dass die Kommodifizierung auf die Gesellschaft insgesamt verheerende Auswirkungen haben könne, scheinen jedoch etwa so begründet wie die früher oft geäußerten Sorgen über die „gesellschaftszersetzenden" Wirkungen homosexueller Praktiken unter Erwachsenen. Wenn es zum viel gefürchteten Untergang des Abendlandes kommen sollte, dann gewiss nicht wegen der sexuellen Befreiung. Ebenso wenig wird es zum Niedergang unserer Zivilisation führen, wenn wir die Bürger selbst dazu ermächtigen, über die Nutzung neuer medizinischer Techniken in ihrem eigenen Leben zu befinden. Sie sollten grundsätzlich und soweit das mit Erfordernissen der Sicherung individueller Autonomie und der Bestandswahrung des Rechtsstaates vereinbar ist, Verträge darüber schließen dürfen, unter welchen Bedingungen sie Körperteile einem anderen zur Nutzung überlassen wollen.

Das gilt für Verfügungen, die eine postmortale Verwendung von Körperteilen betreffen. Es gilt für Schenkungs- ebenso wie andere Verträge über die Weitergabe von Teilen des eigenen Körpers zu Lebzeiten. Es sollte zwar gewisse Einschränkungen der Vertragsfreiheit geben, doch scheint es relativ klar, dass im Rahmen der übrigen Prinzipien, die unseren freiheitlichen Rechtsstaat prägen, die Beweislast bei denjenigen liegt, die die Einschränkungen wünschen, und nicht bei den Gegnern von spezifischen Beschränkungen. Bei der Begründung der Einschränkungen werden sie sich überdies nicht legitim auf weltanschauliche Prämissen, die eine bestimmte Lebensform jenseits der rechtsstaatlichen Grundregeln für den interpersonalen Umgang fordern, berufen können. Durch die Relativierung auf das „Sittengesetz" in Art. 2 GG, in dem es um die freie Gestaltung des eigenen Lebens geht, ist jedenfalls schon genug Schaden angerichtet worden, um insoweit zu Vorsicht und Selbstbescheidung zu mahnen.

In den nachfolgenden Ausführungen werde ich hinsichtlich der Verwendung menschlicher Körperteile für eine Ausweitung von Selbstbestimmung und Vertragsfreiheit unter mündigen Bürgern plädieren. Wie die Gegner solcher rechtli- cher Selbstbestimmung und Vertragsfreiheit werde ich mir dabei das Recht herausnehmen, bestimmte Prämissen meiner Argumentation ziemlich dogmatisch einzuführen (2.), um dann im Rest meiner Ausführungen zu sehen, wozu diese Art von Prämissen und die darauf aufbauende Argumentation im Gesamtbild führen. Zunächst werde ich Selbstbestimmung und Vertragsfreiheit verteidigen (3.). Dann wende ich mich gegen die vollkommen ungerechtfertigte Glorifizierung der Selbstlosigkeit in der Ethik im Allgemeinen und der Transplantationsmedizin im besonderen (4.). Danach geht es um die Kommodifizierung in der Gewebe- bzw. Organspende (5.). Es folgt ein knappes Schlusswort zur Aussichtslosigkeit von Reformen, die eine verstärkte Kommodifizierung erlauben würden (6.).

2. „Vorurteile"

Aus der Sicht des Autors dieser Zeilen ist die primäre Funktion des Rechts eines freiheitlichen Rechtsstaates nicht, den Menschen eine Vision vom guten Leben vorzugeben. Das Recht ist zunächst eine Fahrordnung, die den Verkehr unter Menschen, die legitimerweise ihre eigenen Ziele verfolgen, regelt. Im Zusammenwirken der Bürger hat der Rechtsstaat Freiwilligkeit und in gewissem Umfang Überlegt- und Informiertheit von Willenserklärungen zu sichern, nicht bestimmte Motive und Inhalte zu privilegieren. Willenserklärungen zwischen Erwachsenen, die sich einig sind, sollten daher unabhängig von den Inhalten grundsätzlich respektiert werden. Das gilt jedenfalls soweit die Rechte Dritter nicht unmittelbar tangiert werden und eine unzulässige Manipulation des Willens mindestens einer Partei durch Zwang, Irreführung etc. mit zufrieden stellender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Natürlich kann man andere Personen insbesondere in einer Gesellschaft mit pluralen Werten nicht beliebige Werte verwirklichen lassen. Relativismus, der meint, den eigenen Werten selbst diametral entgegengesetzte Werte, nicht kritisieren und nicht aktiv bekämpfen zu dürfen, ist unsinnig. Man kann insbesondere im vollen Bewusstsein, dass die eigenen Ziele, Zwecke oder Werte sich nicht auf eine objektive Erkenntnis stützen können, einen festen Standpunkt hinsichtlich seiner eigenen Ideale einnehmen. Was das anbelangt, gilt nach den ethischen Idealen (oder Vorurteilen) des Verfassers die Maxime der Toleranz gegenüber den Toleranten und der Intoleranz gegenüber jener Intoleranz, die sich über die Rechtsregeln hinwegsetzt. Dieser Maxime wird in abstracto in unserer Gesellschaft breit zugestimmt. Wir täten aber nach den hier vertretenen Überzeugungen ganz gut daran, nicht nur Lippenbekenntnisse zu ihr abzugeben, sondern sie in concreto umzusetzen.


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