Tavakoli / Eisenberg / Jautz | Rechtsfälle aus dem Wirtschaftsprivatrecht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Falltraining

Tavakoli / Eisenberg / Jautz Rechtsfälle aus dem Wirtschaftsprivatrecht

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Falltraining

ISBN: 978-3-8114-6121-5
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die bewährte Fallsammlung wurde für diese Neuauflage vollständig überarbeitet und aktualisiert. Gesetzesänderungen und wichtige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts wurden eingearbeitet. Das am 1. Januar 2024 in Kraft tretende MoPeG wurde in mehreren Fällen eingebunden. Behandelt werden insbesondere die Rechtsgebiete Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Wettbewerbs- und Markenrecht sowie das Arbeitsrecht.

Die Fallsammlung verfolgt zwei Ziele. Anhand eines einheitlichen Aufbaus wird dem Leser zum einen die Technik der Falllösung anschaulich vermittelt. Zum anderen führt eine nach didaktischen Gesichtspunkten getroffene Auswahl in die systematischen Zusammenhänge der prüfungsrelevanten Rechtsgebiete ein. Die Sachverhalte sind aus dem "täglichen Wirtschaftsleben" gegriffen und orientieren sich an grundlegenden Entscheidungen. Um der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft Rechnung zu tragen, sind inzwischen auch Fälle aus dem internationalen Recht aufgenommen worden.
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Zielgruppe


Studierende der Wirtschafts- und Rechtswissenschaft an Universität und Fachhochschule.

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Anleitung zur Lösung von Fällen
Gehen wir von folgendem Fall aus: Ein Bauherr stellt fest, dass die Fenster seines Neubaus immer undichter schließen. Der Glaser hat offensichtlich zu grünes Holz verarbeitet. Der Bauherr drängt auf Mängelbeseitigung vor dem nächsten Winter. Er wird von seinem Glaser von Mal zu Mal vertröstet. Deswegen nervös geworden, fragt er sich – Mitte August –, ob er vom Vertrag mit diesem Glaser zurücktreten kann. Er beabsichtigt dann, die Fenster von der Konkurrenz in Ordnung bringen zu lassen. Wie finden wir die Antwort auf diese Frage? Wir müssen uns zunächst vergegenwärtigen, dass in unserem Staat der Gesetzgeber in vielen Gesetzen nahezu alles geregelt hat. Diese Gesetze sind generell gefasst. Sie bringen also nicht für jeden Einzelfall eine Regelung, sondern für ganze Fallgruppen. Das hat den Vorteil, dass die Gesetze kürzer werden und mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Lücken haben. Aber der Laie oder Anfänger weiß oft nicht, welche gesetzlich geregelte Fallgruppe den zu beurteilenden Einzelfall betrifft. Das wird besonders schwierig, wenn das Gesetz eigene technische Begriffe verwendet, um eine solche Fallgruppe zu umreißen. Der erste Arbeitsschritt wird damit deutlich: Es muss die gesetzliche Entscheidungsgrundlage gesucht werden. Dazu müssen wir die gestellte Frage sorgfältig aufnehmen. Wir müssen sehen, dass hier ein Bauherr gegenüber seinem Bauhandwerker etwas ganz Bestimmtes – Rücktrittsrecht vom Vertrag – ausüben möchte. Dann müssen wir bedenken, welche Gesetzesstelle dazu etwas sagen könnte. Gesetzeskenntnis hilft dabei. Wer weiß, dass ein Bauvertrag grundsätzlich ein Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB ist, hat bereits halb gewonnen. Man muss dann nämlich nur noch in diesem Bereich weiterlesen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Bauvertrag nach § 650a Abs. 1 BGB, für den ergänzend die §§ 650a ff. BGB gelten. Das Mängelgewährleistungsrecht bestimmt sich aber auch beim Bauvertrag nach den allgemeinen werkvertraglichen Regelungen. §§ 633 ff. BGB bringen die Regelung zur Schlechterfüllung, also zum hier interessierenden schlechterfüllten Bauvertrag. § 634 Nr. 1 BGB räumt dem Bauherrn das Recht auf Nacherfüllung gem. § 635 BGB ein, nämlich nach Wahl des Glasers Neuherstellung des Werkes oder Mangelbeseitigung. Das Letztere ist das Recht, das unser Bauherr bisher vergeblich verlangt hat und von dem er jetzt abrücken möchte. An folgenden Rechten hat der Bauherr ebenfalls kein Interesse: bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen hätte er nach § 634 Nr. 2 BGB ein Selbstbeseitigungsrecht und könnte Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen; nach § 634 Nr. 3 BGB könnte er die Vergütung mindern; nach § 634 Nr. 4 BGB hätte er den Anspruch auf Schadensersatz. Das vom Bauherrn gewünschte Rücktrittsrecht enthält § 634 Nr. 3 BGB. § 634 Nr. 3 BGB ist also die gesuchte gesetzliche Grundlage. In dieser Vorschrift wird nur beschrieben, ob ein Rücktrittsrecht besteht. Nicht behandelt wird dagegen die Frage, wie das Rücktrittsrecht vollzogen wird und welche Folgen es hat. Das steht in den §§ 346 ff. BGB. Für unsere weitere Arbeit müssen wir uns jetzt die Architektur einer gesetzlichen Normierung, wie des § 634 Nr. 3 BGB, verdeutlichen. Es zeigt sich dabei immer das gleiche Bild. Die gesetzliche Norm nennt bestimmte Voraussetzungen, unter denen ganz Bestimmtes gelten soll. So zählt § 634 BGB Voraussetzungen auf und verweist in Nr. 3 auf die §§ 636 und 323 BGB. Als Folge legt § 634 Nr. 3 BGB fest: der Besteller kann vom Vertrag zurücktreten. Die gesetzliche Norm macht also die interessierende Rechtsfolge – Rücktritt – jeweils von genau bestimmten Voraussetzungen abhängig. Der zweite Arbeitsschritt ist damit vorgezeichnet: Es müssen die Kriterien der gefundenen Gesetzesgrundlage ermittelt werden. Dazu müssen wir den fraglichen Paragraphen, hier also unseren § 634 BGB und seine Nr. 3, genau lesen und erfassen. Wir müssen erkennen, dass der Rücktritt zunächst offensichtlich von folgender Voraussetzung abhängt: der Mangelhaftigkeit der Bauleistung. Die Bauleistung ist nach § 633 Abs. 2 BGB mangelhaft, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung eignet. Außerdem darf nicht ein anderes bestimmt sein. Die Rechte des Bauherrn nach § 639 BGB dürfen nicht ausgeschlossen oder beschränkt sein. Die weiteren Voraussetzungen sind durch die Verweisung auf die §§ 636, 323 BGB genannt. § 323 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Bauherr eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat, die erfolglos abgelaufen ist. Außerdem verlangt § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB für den Rücktritt, dass der Werkmangel erheblich war. Die Verweisung auf § 636 BGB zeigt allerdings, dass die Fristsetzung nicht erforderlich ist, wenn die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert wurde, fehlgeschlagen oder unzumutbar ist oder der Unternehmer gem. § 323 Abs. 2 BGB die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hat oder besondere Umstände vorliegen, die den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Unser Recht zum Rücktritt nach § 634 Nr. 3 BGB hat also drei Voraussetzungen: Werkvertrag, Mangelhaftigkeit der Bauleistung, Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 BGB, nämlich Erheblichkeit des Mangels und erfolgloser Ablauf einer zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Damit ist der zweite Schritt zur Lösung der gestellten Frage bewältigt. Dritter und letzter Arbeitsschritt ist die Prüfung, ob diese Voraussetzungen der Entscheidungsgrundlage nach dem zu beurteilenden Sachverhalt gegeben sind oder nicht. Entweder besteht dann das Recht – hier also die Möglichkeit, zurückzutreten – oder nicht. Dazu müssen wir jede einzelne Voraussetzung gesondert anhand des gegebenen Sachverhalts durchgehen. Dass hier ein Werkvertrag vorliegt und die Bauleistung mangelhaft ist, kann nicht fraglich sein. Der Sachverhalt sagt ja, dass der Glaser zu grünes Holz verarbeitet hat und deshalb die Fenster immer undichter schließen. Das ist eine Mangelhaftigkeit der Bauleistung, wie sie nach § 633 BGB nicht vorliegen darf. Dieser Mangel ist auch erheblich, weil Fenster in Neubauten nicht undicht sein dürfen. Die Mängelrechte des Bauherrn sind nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Die nächste Voraussetzung liegt allerdings nicht vor: zwar hat der Bauherr dem Glaser eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, nämlich vor Einbruch des Winters. Diese Frist ist aber nicht erfolglos abgelaufen. Die Fristsetzung war auch nicht entbehrlich nach § 636 BGB. Der Glaser hat die Nacherfüllung nämlich nicht wegen unverhältnismäßiger Kosten (§ 635 Abs. 3 BGB) verweigert, die Nacherfüllung ist auch nicht fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar. Auch die weiteren Ausnahmen, die durch die Verweisung durch § 636 BGB auf § 323 Abs. 2 BGB in Betracht kommen, liegen nicht vor. Nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat der Glaser die Nacherfüllung nicht ernsthaft und endgültig verweigert, sondern nur den Bauherrn vertröstet. Es liegen auch keine besonderen Umstände gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor, die den sofortigen Rücktritt rechtfertigen könnten. Durch eine Nacherfüllung vor Beginn des Winters könnte das Problem der undichten Fenster behoben werden. Unser Bauherr ist also nicht berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Er müsste erst abwarten, bis die Nacherfüllungsfrist abgelaufen ist. Die Lösungsskizze unseres Ausgangsfalles hat nach alledem folgendes Aussehen: Entscheidungsgrundlage: Der Bauherr könnte nach § 634 Nr. 3 BGB vom Vertrag zurücktreten. Voraussetzungen: § 634 Nr. 3 BGB verlangt • Werkvertrag • eine mangelhafte Werkleistung • kein Haftungsausschluss • Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 BGB, nämlich • Erheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) • Bestimmen einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung • erfolgloser Fristablauf. Überprüfung: Zwischen dem Bauherrn und dem Glaser wurde ein Werkvertrag geschlossen, weil der Glaser einen Erfolg zu erbringen hat (§ 631 Abs. 2 BGB). Die zweite Voraussetzung ist nach dem Sachverhalt erfüllt. Eingesetzte Fenster, die immer undichter schließen, sind im Sinne von § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht für die gewöhnliche Verwendung geeignet. Undichte Fenster setzen deren Gebrauchstauglichkeit beträchtlich herab und sind daher ein erheblicher Mangel. Auch liegt kein Haftungsausschluss vor. Problematisch sind die weiteren Merkmale der Voraussetzung gem. § 323 BGB. Der Bauherr hat dadurch eine Frist gesetzt, dass er Mängelbeseitigung vor Einbruch des Winters verlangt; diese Frist ist aber noch nicht abgelaufen. Nach § 636 BGB wäre eine Fristsetzung aber nicht erforderlich, wenn der Unternehmer wegen unverhältnismäßiger Kosten die Nacherfüllung verweigert hat oder wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar wäre. Diese Fälle liegen hier nicht vor. § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB enthält weitere Ausnahmen, die eine Fristsetzung entbehrlich machen. Der Glaser hat die Mangelbeseitigung nicht endgültig verweigert;...


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