Teige | Der Mann, der nicht vergessen konnte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 320 Seiten

Reihe: Kajsa Coren

Teige Der Mann, der nicht vergessen konnte

Ein Norwegen-Krimi
3. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8412-2656-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Norwegen-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 6, 320 Seiten

Reihe: Kajsa Coren

ISBN: 978-3-8412-2656-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein tödliches Familiendrama

Auf einem stillgelegten Bauernhof bei Oslo wird ein Mann tot aufgefunden. Der Fall scheint klar: Der Tote war schwerkrank und scheint auf seinen elterlichen Hof zurückgekehrt zu sein, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch Kajsa glaubt diese Geschichte nicht. Als rätselhafte Spuren gefunden werden, ist sie sicher: Hinter diesem Tod steckt mehr ... 

Hochspannung von der internationalen Bestsellerautorin: der sechste Fall für Kajsa Coren!



Trude Teige, Jahrgang 1960, ist eine bekannte Journalistin und TV-Moderatorin. Mit ihren Krimis und historischen Romanen gehört sie zu den erfolgreichsten Autorinnen Norwegens. Sie hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihrer Familie am Oslofjord. Gabriele Haefs übersetzt aus dem Schwedischen, Norwegischen, Dänischen, Englischen, Niederländischen und Irischen, wofür sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Sie lebt in Hamburg. Andreas Brunstermann übersetzt Romane und Sachbücher aus dem Norwegischen und Englischen. Er hat u. a. Roy Jacobsen, Jan-Erik Fjell und Jørn Lier Horst ins Deutsche übertragen. Er lebt in Berlin.
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1


Zwei Tage früher.

Mittwoch, 11. April 2018

Der frischgebackene Justiz-, Bereitschafts- und Einwanderungsminister sprang aus dem schwarzen Auto, sobald es vor dem Parlamentsgebäude hielt. Er hatte sein Amt vor etwas mehr als einem Monat angetreten, und ihm stand nun eine Fragestunde bevor. Die Rednertribüne des Parlaments war ihm vertraut, er war nicht nervös, sondern guter Stimmung. Er war seit acht Jahren und hundertachtundsiebzig Tagen Parlamentsabgeordneter gewesen, als er beim Staatsrat vom König die Ernennungsurkunde erhielt, und nun betrat er das Parlament als einer der dienstjüngsten Minister des Landes.

Weil seine Vorgängerin seiner Meinung nach zu wenig Feingefühl und Verständnis für Rhetorik an den Tag gelegt hatte, hatte die Ministerpräsidentin im Kabinett Veränderungen vornehmen müssen. Eine hatte darin bestanden, die Rechtsliberalen zum Verzicht auf das Justizministerium zu zwingen. Die Ministerpräsidentin wollte mehr Kontrolle, vor allem über den Bereich der Einwanderung, und deshalb sollte dieser spezielle Posten an jemanden aus ihrer eigenen Partei gehen, dem sie Vertrauen entgegenbrachte. Das Wichtigste war nun, das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition zu reparieren, nach den Vorwürfen, die die ehemalige Justizministerin dem politischen Gegner gemacht hatte, wie, dass der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei die Rechte von Terroristen höher bewerte als die nationale Sicherheit. Sie hatte sogar behauptet, der Vorsitzende der Sozialdemokraten wolle die Meinungsfreiheit knebeln, während sie sich als tapfere Barrikadenkämpferin für grundlegende demokratische Werte darstellte. Und dann hatte sie eine Aussage folgen lassen, die sie auf ein höheres Niveau heben sollte als andere Politikerinnen und Politiker: »Ich werde niemals eine Politikerin wie alle anderen sein. Ich werde ich selbst sein.« Roar Brekk war es unbegreiflich, dass eine, die ganz oben angekommen war, sich so unklug verhielt und nicht begreifen konnte, dass eben die Tatsache, dass sie sie selbst war, ihr größtes Problem darstellte. Politik war Zusammenarbeit und kein Egotrip.

Jemand musste die Aufräumarbeiten übernehmen, das politische Gleichgewicht wiederherstellen – und diese Aufgabe war ihm übertragen worden.

Die Ministerpräsidentin hatte ihn bereits 2013 in die Regierung holen wollen. Und obwohl er einen Ministerposten angestrebt hatte, hatte er dankend abgelehnt und war stattdessen zum Fraktionsvorsitzenden seiner Partei aufgerückt. Das war eine wichtige Position, und dabei wurde nicht so gründlich untersucht, ob etwas an seiner Lebensführung ihn für dieses Amt ungeeignet machen könnte.

Aber diesmal hatte er sich überreden lassen, hatte angefangen, sich zu freuen und zu entspannen, hatte gespürt, dass er diesmal die richtige Entscheidung getroffen hatte. Bis am Vortag die Mitteilung auf seinem Mobiltelefon eingelaufen war. Er hatte als Minister ein neues, vom Sicherheitsdienst überprüftes Gerät erhalten, aber die Mitteilung war auf seinem privaten Handy eingetickert und kam von einer ausländischen Nummer. Als er sich bei der Auslandsauskunft erkundigt hatte, hatte er erfahren, dass die Nummer einem Mann in Australien gehörte. Er kannte niemanden in Australien, der Name sagte ihm nichts.

Die Rache ist des Gerechten. Ich kenne dein altes, düsteres Geheimnis. Gruß, der Rächer.

Er versuchte die Unruhe zu verdrängen, zog den Schlipsknoten gerade und konzentrierte sich darauf, was er auf der Rednertribüne des Parlaments sagen wollte. Die Presseloge würde voll besetzt sein, denn das hier wäre sein erster Auftritt als Minister.

Roar Brekk schloss einen Knopf an seinem dunkelblauen Sakko und grüßte die Wächter, als er die Sicherheitsschleuse passierte, dann ging er weiter durch den engen Gang mit der Kuppeldecke, bog nach rechts ab und machte sich an die fünfundvierzig Treppenstufen hoch zur Wandelhalle. Er zählte im Gehen die Stufen, das war eine seiner Macken, so, wie er auch Fenster an Hausfassaden zählte.

Brekk war sich darüber im Klaren, dass bei Ministerwechseln mehr oder weniger kluge Köpfe in allen politischen Redaktionen versuchten, den neuen Ministern Dreck am Stecken nachzuweisen. Als seine eigene Ernennung bekannt gegeben worden war, hatten die Chefredakteure die Redaktionssitzungen garantiert mit den Worten eröffnet: »Gebt mir irgendeinen Dreck im Leben von Roar Brekk!«

Sie würden aber keinen finden. Er hatte alles getan, um sich abzusichern.

Diese verdammte Mitteilung. Stammte die von ihr? War sie nach Australien gegangen? Aber telefonische Bedrohungen, nein, dazu war sie nicht fähig, das glaubte er nicht.

Die Rache ist des Gerechten. War das nicht aus der Bibel? Bei diesem Gedanken krampfte sich sein Magen zusammen. Als er den Fuß auf die letzte Stufe setzte, fiel sein Blick auf eine NRK-Journalistin, die sich aus einem der roten Ledersessel am Rand der Wandelhalle erhob und ihm zuwinkte. Er tat so, als habe er sie nicht gesehen, strich sich seine blonden Haare aus der Stirn – die waren zu lang geworden, er würde sie sich bald schneiden lassen müssen  – und lief mit raschen Schritten durch den langen Korridor, vorbei am Büro der Parlamentsdirektorin, bog nach links ab, steigerte sein Tempo im zur Akersgate gelegenen Gang und rettete sich dann in den Ministersaal, wohin ihm die Presse nicht folgen durfte. Er hatte diese Leute noch nie leiden können. Sie waren Hyänen.

Auf dem langen, ovalen Besprechungstisch standen Getränke; er goss sich ein Glas Mineralwasser ein und leerte es in einem Zug, während er am Fenster stand und hinausschaute.

Zunächst hatte er Jura studiert und einige Jahre als Anwalt gearbeitet, ehe er in die Politik gegangen war. Er war zur Politik geboren, hatte alles, was dazugehörte, und Small Talk lag ihm ebenso wie politische Verhandlungen und Debatten. Dennoch hatte er 2013 das Angebot eines Ministerpostens ausgeschlagen – er hatte das Risiko nicht eingehen wollen.

Diesmal hatte die Ministerpräsidentin kein Nein akzeptiert. »Die meisten träumen von einem Anruf von mir. Gibt es etwas, das du mir nicht erzählt hast, von dem du fürchtest, dass es gegen dich verwendet werden könnte?«, hatte sie gefragt.

Er hatte gelacht. Nein, das nun wirklich nicht.

Danach hatte er mit seinem ehemaligen Kollegen und guten Freund Frank Johansen gesprochen. Er hatte die Lage geschildert und um Rat gebeten. Aussage gegen Aussage, keinerlei Beweise, hatte Frank gesagt. Das Problem war jedoch, dass jetzt, nach dieser vermaledeiten MeToo-Kampagne, alle den Frauen glaubten. Männer, die Beschuldigungen ausgesetzt wurden, konnten sich kaum verteidigen. In dem Augenblick, in dem die Presse davon erfuhr, war man erledigt, auch wenn man nichts verbrochen, sondern sich nur saublöd aufgeführt hatte. Es gebe zwei Alternativen, hatte Frank gemeint: keinen Posten annehmen, der dich ins Rampenlicht rückt und damit zur Zielscheibe macht, oder das Problem entfernen. Die Wahrheit ist käuflich, hatte er hinzugefügt.

Ihm hatten beide Alternativen missfallen. Es ging ihm wider die Natur, sich von solchen ehrkränkenden Anklagen freizukaufen. Sie hatte mitgemacht, hatte es gern ein bisschen grob gehabt. Was hätte er tun sollen?

Nachdem er sich die Sache überlegt hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass ihm die erste Alternative am meisten missfiel. Diesmal wollte er den Posten, und er war absolut nicht der Erste, den Frank von alten – und neuen – Anklagen befreit hatte.

Nein, die Mitteilung stammte garantiert nicht von ihr. Sie wusste sehr gut, dass er erbarmungslos vorgehen würde, wenn sie ihm nun den Dolch in den Rücken stieße.

Er beugte sich vor und musterte einen Mann vom Sicherheitsdienst, der vor dem Eingang auf der Straße stand und eine Zigarette rauchte. Der MeToo-Skandal war vielen voll ins Gesicht geknallt und hatte schwerwiegende Konsequenzen nach sich gezogen. Die politischen Parteien hatten Untersuchungen und Ermittlungen eingeleitet, hatten...



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