E-Book, Deutsch, Band 1524, 64 Seiten
Reihe: Notärztin Andrea Bergen
Thanneck Notärztin Andrea Bergen 1524
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7040-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Notfall auf der MS Rheinkristall
E-Book, Deutsch, Band 1524, 64 Seiten
Reihe: Notärztin Andrea Bergen
ISBN: 978-3-7517-7040-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Es sollte das Fest ihres Lebens werden. Bei einer stimmungsvollen Schifffahrt auf dem Rhein wollten Sophie und Leo mit ihren Gästen ihre Verlobung feiern. Doch die Party auf der glamourösen MS Rheinkristall wird zum Albtraum.
Ein Feuer bricht aus, dichter Rauch und Flammen überziehen das Schiff, die Gäste geraten in Panik. Rettungskräfte eilen herbei, doch die Angst, dass nicht alle überleben, wächst mit jeder Minute. Inmitten der Katastrophe bangt Sophie um das Leben ihres schwer verletzten Vaters.
Und während das Chaos tobt, wird ihr eines klar: Selbst wenn ihr Vater gerettet wird, selbst wenn alle Gäste überleben, wird Leo vielleicht nicht mehr Teil ihrer Zukunft sein. Denn die Ereignisse dieses Abends haben große Zweifel an ihrer Liebe gesät ...
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Notfall auf der MS Rheinkristall
Schon von Weitem sehe ich den roten Feuerschein über dem Rhein – die MS Rheinkristall steht lichterloh in Flammen! An Bord: die Gesellschaft einer Verlobungsfeier, die durch den Brand ein jähes Ende gefunden hat. Als wir Rettungskräfte das Ufer erreichen, bietet sich uns ein Bild des Grauens. Unzählige Menschen sind in Panik ins Wasser gesprungen und kämpfen sich mit letzter Kraft ans rettende Rheinufer! Einsatzkräfte der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks versuchen verzweifelt, sie aus der Strömung zu retten. Schreie von Deck hallen durch die Nacht ...
Nach Stunden des verzweifelten Kampfes um Menschenleben begegne ich der jungen Braut Sophie. Sie ist völlig aufgelöst! Ihr kranker Vater befindet sich noch auf dem brennenden Schiff! Etwas Schreckliches muss zwischen ihm und dem jungen Bräutigam Leo geschehen sein. Sophie will zurück an Bord – sie ist nicht mehr aufzuhalten! Und ich rechne mit dem Schlimmsten ...
»Wagen Zweiundachtzig-vier, Einsatzbereitschaft herstellen«, kam es über Funk. »Wagen Zweiundachtzig-vier, bitte.«
»Hier Wagen Zweiundachtzig-vier«, gab Mandy zurück und warf einen Blick zu Dr. Andrea Bergen, die sich soeben auf den Beifahrersitz des Notarzteinsatzfahrzeugs sinken ließ, den Gurt anlegte und ihr mit einem erhobenen Daumen Bereitschaft signalisierte. »Einsatzbereitschaft ist hergestellt. Wo geht es hin?«
»Ich leite die Zieladresse an euch weiter. Fahrt vorsichtig. Die Straßenverhältnisse sind zum Fürchten.«
»Verstanden.« Die junge Fahrerin, die ebenso wie die Notärztin Einsatzkleidung mit Leuchtreflektoren trug, warf einen kurzen Blick auf das Navigationssystem. »Adresse ist angekommen. Wir machen uns auf den Weg.« Sie startete den Motor, steuerte das Noteinsatzfahrzeug, kurz NEF, hinunter zur Straße und gab Gas.
Bald blieb das hell erleuchtete Elisabeth-Krankenhaus hinter ihnen zurück, und sie tauchten ein in ein weißes Wirbeln aus Schneeflocken. Seit Weihnachten schneite es immer wieder kräftig. Der Räumdienst war seit dem frühen Morgen unterwegs, schaffte es aber kaum, der weißen Massen Herr zu werden. Die Straßen waren weiß. Der Schnee knirschte unter den Reifen, und immer wieder sprang das ABS an und verhinderte, dass die Räder blockierten.
Mandy steuerte das Fahrzeug mit ruhiger Hand durch die Straßen der Stadt am Rhein. Zwischendurch warf sie einen Blick zur Notärztin. »Alles gut bei dir? Du bist ein bisschen blass um die Nase.«
»Alles gut. Ich hatte nur noch kein Mittagessen.«
»Wem sagst du das? Zurzeit geht es wirklich Schlag auf Schlag. Bei dem Wetter kommt ein Unfall nach dem anderen.« Mandy seufzte.
»Wenn wir zurück sind, brauche ich dringend einen Kaffee und ein Stück von dem Himbeer-Nuss-Kuchen in der Cafeteria, von dem alle schwärmen.«
»Der war vor ein paar Stunden schon alle, fürchte ich.« Mandy setzte den Blinker und bog in die Uferstraße ein. Das NEF schlitterte kurz. Mandy zog den Atem ein. »Eigentlich hatte ich nicht vor, eine Schneewehe als Parkplatz anzusteuern.« Sie brachte den Wagen wieder unter Kontrolle und gab Gas. »Die winterlichen Straßen sind nichts für Nervenschwache.«
Andrea Bergen murmelte etwas Zustimmendes.
Mandy drehte den Kopf und warf ihr ein Lächeln zu, bevor sie den Blick wieder auf die Straße richtete. »Ich wette, du lädst mich auf einen heißen Kaffee ein, wenn wir's heil schaffen.«
»Abgemacht. Ein Kaffee, wenn wir ohne einen Stunt ankommen«, sagte Andrea Bergen.
»Dann mach dich mal bereit, den Kaffee zu spendieren.« Ein Lächeln schwang in der Stimme der Fahrerin mit. Mandy saß nicht nur hinter dem Steuer, sie hatte auch eine Ausbildung zur Rettungsassistentin absolviert. Mit ihrer unverblümten Art, den kurzen Haaren, die auf einer Seite abrasiert waren, und den Tattoos, die sich über ihre Hand schlängelten, wirkte sie auf den ersten Blick ein wenig ruppig, aber unter ihrer rauen Schale verbarg sich ein Herz aus Gold. Sie war immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wurde.
»Wenigstens haben wir in diesem Jahr an Silvester frei«, sagte Mandy. »Die schlimmste Nacht von allen.«
»Beschrei es nur nicht.«
»Wieso? Glaubst du, es klappt nicht mit dem Freimachen?«
»Das weiß man nie genau.« Andrea Bergen freute sich auf den Silvesterabend mit ihrer Familie, aber sie war realistisch genug, um zu wissen, dass immer noch etwas dazwischenkommen konnte. »Gehst du mit guten Vorsätzen ins neue Jahr?«
»Nur mit einem.« Mandy bog in eine Gasse ab, an deren Ende eine weiße Kirche stand. »Ich habe den Vorsatz, keine guten Vorsätze mehr zu haben.«
Andrea lächelte. »Also bist du zufrieden mit deinem Leben?«
»Das auch, aber vor allem brauchen Veränderungen Zeit, um zu wachsen. An Silvester sollte man es krachen lassen und sich amüsieren. Für alles andere ist später immer noch Zeit.« Mandy zuckte mit den Schultern. »Was ist mit dir? Irgendwelche Vorhaben für das neue Jahr?«
»Jede Menge.« Andrea Bergen lachte. »Meine Familie bestürmt mich seit Wochen mit Ideen für Ausflüge und Urlaubsziele für das neue Jahr. Wie es aussieht, werde ich mir allerhand Zeit für meine Lieben frei schaufeln müssen, wenn wir auch nur einen Bruchteil davon schaffen wollen.«
»Kann ich mir vorstellen.« Mandy kicherte leise. Dann bremste sie das Einsatzfahrzeug sacht ab. »Wir sind da.« Sie waren vor einem hübschen gelben Mietshaus zum Stehen gekommen. Das Dach war tief verschneit, und auch der Vorgarten schlummerte unter einer weißen Decke dem Sommer entgegen.
Eine weißhaarige Frau stand am Gartentor und winkte ihnen.
Andrea Bergen stieg aus und biss unwillkürlich die Zähne zusammen, als ihr der bitterkalte Wind unter Jacke und Pullover kroch und ihr einen Schauer über den Rücken sandte. Der Winter zeigte sich in diesem Jahr von seiner frostigen Seite. Seit Tagen schneite es beinahe unablässig, und die Temperaturen blieben weit unter null.
Das kalte Winterwetter brachte nicht nur zahlreiche Einsätze für das Rettungsteam des Elisabeth-Krankenhauses, sondern auch einen hohen Krankenstand unter den Kollegen. Andrea Bergen hatte in den vergangenen Wochen viele Überstunden angesammelt – und von einem freien Tag konnte sie momentan nur träumen.
»Da sind Sie ja endlich!« Ein leiser Vorwurf schwang in der Stimme der Seniorin mit, als sie heftig winkte. »Kommen Sie! Bitte! Er ist hier!«
»Er« war ein graubärtiger Mann, der sich im Schnee unter einem zerbrochenen Fenster krümmte. Sein Gesicht hob sich kaum von dem weißen Flockenwirbel ab, so bleich war er. Scherben glitzerten um ihn herum im Schnee. Und unter ihm zeichnete sich eine tiefrote Lache im Weiß ab ...
Die Notärztin registrierte mit Bestürzung die Menge des Blutes. »Ich bin Dr. Andrea Bergen«, stellte sie sich vor und setzte ihre Einsatztasche ab. »Ich werde mich um Sie kümmern. Können Sie mir sagen, was passiert ist?«
»Carl Hofer«, ächzte der Verletzte. »Bin ... Hausmeister hier.«
»Ich habe Herrn Hofer gebeten, meine Jalousie zu reparieren«, warf die Seniorin ein. »Die klemmt immer. Während er gearbeitet hat, habe ich uns Kaffee gekocht. Da höre ich es plötzlich klirren und seinen Schrei. Mein Leben lang werde ich den nicht mehr vergessen. Ich dachte wirklich, er würde ermordet.«
»Ich hab das Gleichgewicht verloren und bin von der Leiter gefallen«, murmelte der Hausmeister. »Geradewegs durch das Fenster ...« Er presste einen Lappen auf seine Seite. Der Stoff mochte früher einmal blau gewesen sein, aber jetzt war er dunkel vor Blut. Die Lache unter ihm wurde größer und größer.
Er würde verbluten, wenn er nicht schleunigst Hilfe bekam!
»Wir brauchen einen Rettungswagen für den Transport in die Klinik«, wandte sich Andrea Bergen an ihre Begleiterin.
»Ich hänge mich gleich ans Funkgerät.« Mandy nickte und strebte zurück zum NEF.
Derweil vergewisserte sich Andrea Bergen, dass von dem zerbrochenen Fenster keine weitere Gefahr mehr ausging. Dann machte sie sich daran, sich einen Überblick über die Verletzungen des Mannes zu verschaffen.
Er hatte mehrere tiefe Schnittwunden. Teilweise steckten noch Scherben in seinem Fleisch, aber darum konnten sich später die Chirurgen kümmern. Jetzt galt es, seine Blutungen zu stillen und den Kreislauf zu stabilisieren.
Andrea legte einen Druckverband an seiner Seite und ein Tourniquet an seinem rechten Bein oberhalb des Schnittes, um die Blutung zu stoppen. Carl Hofers Atmung war schnell und flach, seine Haut kaltschweißig, sein Herz raste. Er stand kurz vor einem Schock!
Mandy kehrte mit einer Rettungsdecke zurück, die sie über seinen Beinen ausbreiteten, um ihn halbwegs warm zu halten. »Der Rettungswagen wird in vier Minuten hier sein.«
»Danke dir.« Andrea Bergen bereitete eine Infusion vor und versorgte ihren Patienten...




