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E-Book, Deutsch, Band 3, 304 Seiten

Reihe: Ein Kommissar-Eschenbach-Krimi

Theurillat Sechseläuten


10001. Auflage 2010
ISBN: 978-3-548-92026-9
Verlag: Ullstein-Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 3, 304 Seiten

Reihe: Ein Kommissar-Eschenbach-Krimi

ISBN: 978-3-548-92026-9
Verlag: Ullstein-Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Roman, der hinter die Kulissen der FIFA führt - visionär und brandaktuell! Mit dem Sechseläuten treibt man in Zürich den Winter aus. Bei diesem offiziellen Anlass wird eine Mitarbeiterin der FIFA niedergestochen - nur unweit von Kommissar Eschenbach. Neben der Leiche steht zitternd ein kleiner Junge. Hat er etwas gesehen? Was für Eschenbach als spontaner Einsatz beginnt, wird zu einer erschütternden Reise in die Vergangenheit.

Michael Theurillat, geboren 1961 in Basel, studierte Wirtschaftswissenschaften, Kunstgeschichte und Geschichte und arbeitete jahrelang erfolgreich im Bankgeschäft. Die Romane mit Kommissar Eschenbach sind eine der beliebtesten Krimiserien der Schweiz. 2012 wurde Rütlischwur mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Michael Theurillat lebt mit seiner Familie in der Nähe von Zürich.
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Kommissar Eschenbach von der Kantonspolizei Zürich hatte Pause. »Suspendiert« war der Fachjargon, den Elisabeth Kobler vier Tage zuvor verwendet hatte.

Trotzdem hatte der Kommissar weitergemacht. Erst gestern noch war er mit Rosa bei den Fahrenden in Seebach gewesen, hatte Gespräche geführt, bis die Kollegen kamen: Und wie sie gekommen waren. Mit Blaulicht und Sirene! Ein Einsatzwagen der Abteilung Sicherheit, inklusive Begleitfahrzeug. Insgesamt acht Mann. Und das alles wegen eines kleinen Jungen!

Dass seine Chefin auf diese Weise durchgreifen würde, hätte Eschenbach nie für möglich gehalten. Dazu an einem Sonntag, wenn andere Leute in die Kirche gingen.

Heute war Montag – und vielleicht der Zeitpunkt gekommen, etwas anderes zu tun, dachte er. Aber was, wenn Kraft und Mut dazu fehlten? Überhaupt, warum waren Neuanfänge immer dann ein Thema, wenn das Alte in Schutt und Asche lag? Auf dem Höhepunkt seiner Karriere aufhören – das hatte er gewollt. Nun war er weiter denn je davon entfernt.

Eigentlich hatte er von der Polizeichefin des Kanton Zürich Schützenhilfe erwartet. Wenn man als Polizeibeamter von außen unter Druck gerät, so wie er bei diesem Sechseläuten-Fall, steht die Kommandantin normalerweise hinter einem.

Erwartete Kobler etwa, dass er kündigte – in Schmach und Schande?

Wenn schon aufhören, dann freiwillig, dachte der Kommissar. Am Ende eines gelösten Falles den Hut nehmen und in den Sonnenuntergang reiten wie Lucky Luke.

Eschenbach saß auf der kleinen Terrasse seiner Stadtwohnung, sah in die dunklen Wolken eines späten Morgens und wurde die Gedanken, die ihn plagten, nicht los. Er stand auf, ging ins Wohnzimmer zurück und machte sich an der Stereoanlage zu schaffen. Wieder einmal erklang Mahlers Neunte.

Sein Seufzen gesellte sich zum Andante comodo, das in
D-Dur aus den Boxen kroch. Er humpelte in die Küche, nahm ein Ibuprofen
600. Am liebsten wäre er aus der Haut gefahren. Oder aus dem Gips, der bleischwer an seinem linken Fuß
hing.

Endlich war Frühling. Wie ein Kind hatte sich Eschenbach darauf gefreut: auf das erste Grün der Blätter und auf die Möwen, die am Bürkliplatz kreischend um die Wette flogen. Er hatte sich ausgemalt, wie er an den Wochenenden mit Kathrin und Corina (falls sie Zeit hatten) ein Picknick am Horgener Bergweiher machen oder durch das Niederdorf bummeln würde (mit anschließendem Spaghettiplausch in der Commihalle). Auf seine Liege auf der Terrasse hatte er sich gefreut, und auf die Samstagmorgen, die er lesend verbringen wollte: mit einem Glas Tessiner Merlot und der Wochenendausgabe der Neuen Zürcher Zeitung.

Endlich war Frühling. Und kaum etwas von alldem hatte er unternommen. Dazu der Gips, der alles noch zusätzlich verkomplizierte. »Du bist nicht genießbar«, hatte seine Frau am Telefon gesagt. Und so, wie es schien, war Corina froh, dass sie im Moment getrennt lebten und jeder seine eigene Wohnung hatte.

Kobler hatte ihm Alterssturheit vorgeworfen. Mit Sturheit hätte er noch leben können, aber das war zu viel gewesen.

Wieder ging er hinaus auf die Terrasse, setzte sich auf die
alte Teakholzliege und sah mürrisch auf die umliegenden Dächer.

Wie die Zürcher Polizeibehörde gestern mitteilte, wurde die Untersuchung im Todesfall Bischoff eingestellt. Charlotte Bischoff, Mitarbeiterin des Zentralsekretariats der FIFA, war beim Sechseläuten auf tragische Weise zu Tode gekommen. Kommissar Eschenbach, Leiter der Kriminalpolizei des Kanton Zürich, musste sich seitens der Angehörigen wegen seines krassen Fehlverhaltens schwere Vorwürfe gefallen lassen. Er wurde auf unbestimmte Zeit von seinem Dienst suspendiert, hieß es.

Der Weltfußballverband begrüßte diesen Schritt. Zu den Ergebnissen der Voruntersuchung bezog niemand Stellung. Das Interesse gelte nun ganz der EURO 08, wurde betont.

Auf die Frage eines Journalisten, was nun künftig auf seiner Agenda stünde, antwortete Eschenbach lakonisch: »Brot und Spiele.«

Von all dem, was in der vergangenen Woche über den Fall geschrieben worden war, war dies noch der sachlichste Kommentar; und dennoch war er falsch. Es gab keine Untersuchungsergebnisse, jedenfalls keine, die Eschenbach bekannt gewesen wären. Es gab nur Vermutungen, angenommene Zusammenhänge und Ungereimtheiten, denen er nicht hatte nachgehen können. Alles war auf ein Machtspiel hinausgelaufen, auf Erpressung. Dass er alldem den Rücken gekehrt und den Kampf verweigert hatte, half ihm nicht. Es schmerzte wie die übelste Niederlage.

Eschenbach konnte die Niederlage verdrängen; aber vergessen konnte er sie nicht. Fußball hat seine eigenen Gesetze. Doch so, wie es aussah, hing in den Fluren der Demokratie nun das Regelwerk des Spiels. Eine Zeitlang wenigstens. Und deshalb hatte er sich die zweite Halbzeit sparen wollen.

Mitten in Mahlers erstem Satz läutete es. Das Hornregister blies in voller Stärke. Eschenbach zögerte. Er erwartete niemand.

Als die Glocke zum zweiten Mal erklang, humpelte der Kommissar zur Tür, öffnete sie und horchte.

»Ich bin’s!«, hörte er von unten. Es war die vertraute Stimme von Rosa Mazzoleni. Groß, vollschlank und mit einem türkisfarbenen Kaschmirkleid stand Eschenbachs Sekretärin etwas später im Halbdunkel der Diele. Schnaufend. Hinter ihrem Rücken versteckte sich ein kleiner Junge mit dunklen Locken.

Rosa hebelte am Lichtschalter: »Sie müssen die Glühbirnen ersetzen, Kommissario«, sagte sie. »Sonst knallen Sie hin mit Ihrem Gips.«

»Sind Sie deswegen hier?«, fragte Eschenbach. Er suchte die Augen des Jungen. Was war los mit dem Kleinen, kannte er ihn nicht mehr?

»Draußen wird es gar nicht hell. Und hier drinnen ist auch alles zappenduster …« Energisch nahm Rosa den Jungen bei der Hand, und gemeinsam marschierten sie an Eschenbach vorbei ins Wohnzimmer.

Rosa machte Licht. Sie knipste die Leselampe neben der Couch an, ging in die Küche und stürzte sich auch dort auf alle Schalter, die irgendwie mit Licht in Verbindung standen.

»Jetzt sieht man wenigstens etwas«, sagte sie zufrieden und zupfte dabei an ihrer Frisur. Seit ein paar Tagen trug sie ihr pechschwarzes Haar kurz, drapierte die kleinen, mit viel Gel gezähmten Strähnen um ihr altersloses, hell gepudertes Gesicht. Einen Moment standen sie sich gegenüber. Rosa, wie eine Madonna des einundzwanzigsten Jahrhunderts; der Kleine, den Blick auf den Fernseher gerichtet, und Eschenbach, gestützt auf eine Krücke (die zweite hatte er in der Eile nicht gefunden).

Der Junge schenkte ihm einen misstrauischen Blick.

Besorgt musterte Rosa Eschenbachs Bein. »Geht es?«, fragte sie leise. Dann glitt ihr Blick nach oben. »Und Ihrer Nase auch?« Ihre Stimme klang auf eine ungewohnte Art brüchig. Doch dann schickte sie ein »Ma, Kommissario!« hinterher. »Sie lassen sich doch wegen so was nicht hängen, oder?!« Herausfordernd sah sie ihm in die Augen.

Eschenbach humpelte zur Stereoanlage und drehte Mahler den Strom ab. »Es geht prima«, sagte er. Dann ging er zur Couch, sammelte Pullover, Socken und ein paar Bücher ein. »Setzt euch hin, Herrgott!«

»Ich kann uns auch einen Kaffee kochen.« Rosa hielt noch immer den Jungen an der Hand, der wie ein scheues Jungtier die Umgebung musterte.

»Er kennt mich doch.«

Rosa zuckte die Schultern. »Die haben ihn gestern gleich ins Heim gefahren. Frau Dr. Kirchgässner hat mich angerufen, sie meint, er habe immer noch einen Schock …«

»Kunststück«, fuhr Eschenbach dazwischen, dem die Szene vom Vortag noch bestens in Erinnerung war.

Zögerlich, von einer kindlichen Neugier getrieben, löste sich der Junge von Rosas Hand und begann sich umzusehen. Auf dem Couchtisch lagen Stapel von Akten und Bücher. Halbvolle Gläser standen herum und eine Schale mit Früchten; auf dem Holzboden zwei leere Weinflaschen.

»Er muss sich doch erinnern«, sagte Eschenbach.

»Am besten, wir lassen ihn«, meinte Rosa. Langsam gingen sie zur Küche, die durch eine kleine Bar vom Wohnraum getrennt war.

»Und wie geht es nun weiter?«, wollte Eschenbach wissen.

»Frau Kirchgässner wird weiterhin … Sie denkt, es brauche Zeit. Und so, wie die Dinge im Moment liegen …« Rosa wollte den Satz nicht beenden.

Eschenbach nickte und stopfte dabei Pulver in den Kolben der Espressomaschine. »Jetzt verläuft es einfach im Sand.«

»Vermutlich.« Rosa nahm eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank. »Trinken Sie auch dieses grässliche Zeug?«

»Kathrin, meine Tochter … sie trinkt es, wenn sie mich mal besuchen kommt.« Eschenbach seufzte. Er sah zu, wie schwarzer Ristretto brummend in eine Mokkatasse tröpfelte. »Der Junge ist der Einzige, der uns weiterhelfen könnte.«

»Sie glauben also immer noch, er hat etwas gesehen?«

»Er stand direkt daneben. Irgendetwas muss er gesehen...


Theurillat, Michael
Michael Theurillat, geboren 1961 in Basel, studierte Wirtschaftswissenschaften, Kunstgeschichte und Geschichte und arbeitete jahrelang erfolgreich im Bankgeschäft. Die Romane mit Kommissar Eschenbach sind eine der beliebtesten Krimiserien der Schweiz. 2012 wurde Rütlischwur mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Michael Theurillat lebt mit seiner Familie in der Nähe von Zürich.

Michael Theurillat, geboren 1961 in Basel, studierte Wirtschaftswissenschaften, Kunstgeschichte und Geschichte und arbeitete jahrelang erfolgreich im Bankgeschäft. Die Romane mit Kommissar Eschenbach sind die erfolgreichste Krimiserie der Schweiz. 2012 wurde Rütlischwur mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Michael Theurillat lebt mit seiner Familie in der Nähe von Zürich.



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