E-Book, Deutsch, 184 Seiten
THiLo Die fliegende Schule der Abenteurer (Bd. 3)
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-649-64085-1
Verlag: Coppenrath
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Phantom aus der Unterwelt
E-Book, Deutsch, 184 Seiten
ISBN: 978-3-649-64085-1
Verlag: Coppenrath
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Exkursion nach Zagreb mit dem schrulligen Erdkundelehrer McFinnegan – was zunächst wie ein ganz normaler Tag in der fliegenden Schule aussieht, wird bald zum nächsten großen Abenteuer für die ACE Scouts. Die vier begeben sich auf die Spur eines rätselhaften Phantoms, das in den Katakomben unter dem Theater von Zagreb hausen soll. Als sie durch einen Spiegel die Unterwelt betreten, stoßen sie nicht nur auf einen sagenumwobenen Apparat des genialen Erfinders Nicola Tesla, sondern auch auf ein hundert Jahre altes Monster …
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Alte Heimat
Connor Blaze hastete durch die engen Gassen von Londons East End. Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich auf dem regennassen Pflaster. Jemand verfolgte ihn, da war Connor sich ganz sicher. BONE? Connor beschleunigte seine Schritte noch mehr. Er drehte sich um, sah aber niemanden, der sich auffällig benahm. Da waren nur junge Menschen in Feierlaune. Keiner von ihnen wirkte, als wäre er vom Weißen Schatten, dem Boss der mächtigen Verbrecherorganisation, angeworben worden. Trotzdem brach Connor der Schweiß aus. Ein klebriger Tropfen lief ihm am Hals herunter. Den Knochenknackern von BONE wollte er im Dunkeln auf keinen Fall begegnen. Weiter! An der nächsten Kreuzung bog Connor urplötzlich nach links ab, quetschte sich zwischen zwei Häusern hindurch und sprang dann über einen Lattenzaun in den Hinterhof. Zum Glück kannte Connor dieses Stadtviertel wie seine Westentasche. Kein Versteck war ihm unbekannt, keine Abkürzung fremd. In diesem Labyrinth der Straßen hatte Connor seine Kindheit verbracht. Jedes Mal, wenn er aus einem der vielen Kinderheime geflohen war, in die man ihn gesteckt hatte. Er schlief in Altpapiertonnen, trank Brunnenwasser und aß, was die Leute wegwarfen. Manchmal gab ihm Nihal von der Fish-and-Chips-Bude eine Gratismahlzeit. Anfangs hatte der kleine Connor noch seine Eltern gesucht. Er weigerte sich einfach zu glauben, dass sie längst „im Himmel“ waren, wie ihm alle erklärten. Später dann wurden die Straßen sein Jagdrevier. Hier hielt er sich mit kleinen Taschendiebstählen über Wasser. Wenn ihn die unbarmherzigen Bobbys erwischten, Londons Polizisten, wanderte Connor zurück ins Heim – nur um kurz darauf wieder auszubrechen. Seine Zeiten in Freiheit wurden immer länger. Mal brauchten sie Tage, um den kleinen Bengel wieder einzufangen, mal Wochen. Später wurden Monate daraus. Connor Blaze wurde einfach immer geschickter als Dieb. Und er war ein Meister darin, sich unsichtbar zu machen und in einem der zahlreichen Verstecke des East Ends unterzutauchen. Jetzt spähte Connor durch das Loch einer Ziegelsteinmauer auf die Nebenstraße, so wie er es in seiner Kindheit ein Dutzend Male getan hatte. Gegenüber dem Hinterhof war ein Pub mit grölenden Gästen. Das East End hatte sich ziemlich gemacht, seit Connor erstmals von seiner Heimat Schottland aus hier gelandet war. Früher war es die übelste Gegend Londons gewesen. Die Messer saßen locker, und Touristen, die sich nach Einbruch der Dunkelheit noch hier herumtrieben, waren entweder lebensmüde, stockbetrunken oder hatten sich verirrt. Der kleine Connor brachte sie gerne zur nächsten U-Bahn-Station und behielt dafür ihre Geldbörsen. So erkaufte er sich weitere Tage auf der Straße. Immer verwegener wurden seine Raubzüge. Connor war einfach ein Naturtalent im Klauen – bis er seinen Meister fand. Ein Mann erwischte ihn, obwohl er den Diebstahl perfekt eingeleitet hatte. Damals war Connor sieben Jahre alt gewesen. Von da an war alles anders geworden … Connor blickte nach links, dann nach rechts. Nichts. Niemand, der aussah, als würde er das ehemalige Phantom suchen, das nun beim ACE in der fliegenden Schule zum Abenteurer ausgebildet wurde. Connor Blaze zog sich geräuschlos auf den Rand der Mauer und sah in die Tiefe. Drei junge Frauen standen um einen Mann und lachten laut. Der Wirt erschien in der Tür der Gaststätte und forderte sie wütend auf, die Klappe zu halten oder wieder reinzukommen. Schließlich wollten die Nachbarn schlafen. Ja, das East End hatte sich verändert. Mit einem Sprung landete Connor auf der Straße. Er rutschte kurz aus, fing sich aber im letzten Moment. Noch immer schien sich keiner der Menschen rundherum für ihn zu interessieren. Bildete Connor sich alles nur ein? War er einfach so oft durch diese Gassen gerannt, dass nun das Gefühl zurückkam, wenn er sie betrat? Connor holte tief Luft und streckte sich. BONE war nicht hier, da war er sich langsam sicher. Und wenn, dann hatten sie seine Spur verloren. Connor konnte also seine Tour wie geplant fortsetzen. Noch eine Stunde. Dann würde er mit dem geborgten SpeedBike von Dr. Martinsberger nach Deep Fog Castle zurückkehren, wo die ACE-Akademie untergebracht war. Betont locker schlenderte Connor die Straßen entlang. So als müsste er sich selbst überzeugen, dass alles in Ordnung war. Endlich erreichte er sein altes Zuhause. Die Tür war wie immer verschlossen. Doch Connor nahm seinen üblichen Eingang. Er fand die Eibe auch in der Finsternis, kletterte am rissigen Stamm nach oben, hangelte sich den dicksten Ast entlang und ließ sich an seinem Ende fallen. Connor landete mit einem Fuß auf dem Grab von Henry Esquire. „Sorry, old Henry“, bat Connor und klopfte beruhigend auf den schiefen Grabstein. Streng genommen war der Mann darunter „very old Henry,“ seinen letzten Schnaufer hatte er 1836 gemacht. In diesem Teil des Tower Hamlets Friedhofs lagen die uralten Familiengräber und die Gruften. Auf dem Grab der Familie Callum Wilson stand sogar eine wuchtige Kapelle. Das alte Metallschloss war vor Jahren durch ein einfaches Zahlenfahrradschloss ersetzt worden – wer brach schon ernsthaft in Gruften ein? Connor würde die Kombination niemals im Leben vergessen. Es war das erste Schloss gewesen, das er jemals geknackt hatte. Viele Hunderte waren gefolgt, das Phantom kam überall rein. Quietschend schwang die Gittertür auf. Connor machte einen Schritt in die Kapelle hinein. Eiskalte, muffige Luft schlug ihm aus der Tiefe entgegen. Vor dem Altar deutete Connor einen Kniefall an und senkte den Kopf. Dann knipste er seine kleine Taschenlampe an und stieg die Steinstufen hinunter. Ob sein alter Schlafsack noch da war? Connor stieß geräuschvoll die Luft aus. Sicher, es gab gemütlichere Wohnungen, aber das hier war seine gewesen. Unzählige Nächte hatte Klein-Connor in dieser Gruft geschlafen. Mal mit knurrendem Magen, mal mit einer fetten Brieftasche in der Faust. Connor legte die Taschenlampe auf einen Mauervorsprung und ging weiter. Vor einem mit Moos überwucherten Steinsarkophag blieb Connor stehen. Von insgesamt zwölf Wilsons war diese Gruft die letzte Ruhestätte, doch dieser hier im Zentrum der Felsenkammer war ihr Oberhaupt. „Hi, Callum“, grüßte Connor ihn und legte die Hand auf den kalten Stein. „Lange nicht hier gewesen, hmm? Hast du unsere Gespräche vermisst? Ich schon!“ Callum antwortete nicht. Er schien eingeschnappt zu sein, weil Connor sich nicht öfter blicken ließ. Connor wollte ihn gerade besänftigen, als er einen feinen Luftzug im Nacken spürte. Langsam hob er den Kopf. Da sah er den Schatten an der Wand. Ein Arm wurde in die Höhe gestreckt, die Finger umklammerten ein Messer! Eine zweite eiskalte Hand legte sich auf Connors Schulter. Connor fuhr herum. Im Bruchteil einer Sekunde baute sein Gehirn das Bild zusammen, das die Augen ihm schickten. Hinter Connor stand ein Klops von einem Mann, genauso hoch wie breit, seine Haare waren ölig, sein Blick verschlagen. Blutrot unterlaufene Augen lagen tief im Kopf. Mit dem massigen Körper versperrte er den engen Ausgang komplett. Und das Ding in seiner Hand war eindeutig ein Messer … „Hände weg, Fettsack!“, rief Connor, so laut er konnte. Der Mann brach in schallendes Gelächter aus. Dann steckte er seinen Kamm wieder in die Tasche. Einen Wimpernschlag später stimmte Connor in das Lachen mit ein. „Mann, Fatso, du überraschst mich immer wieder!“, musste er feststellen. So gut es bei einem Mann dieser Ausmaße ging, umarmte Connor seinen alten Freund und Lehrer. „Kommst du mit in den Laden oder findest du es hier unten gemütlicher?“, wollte Fatso wissen. „Willst du eine ehrliche Antwort?“, fragte Connor grinsend. Fatso stieß ihm einen dicken Finger zwischen die Rippen. „Hey!“, beschwerte er sich. „Komm, ich habe extra aufgeräumt.“ Er drehte sich um und stieg schnaufend die Stufen an die Oberfläche zurück. „Auch eine aufgeräumte Müllkippe bleibt eine Müllkippe“, erwiderte Connor. „Aber du warst sowieso als letzte Station meiner Rückkehr in die alte Heimat eingeplant.“ Bei Fatso durfte er so reden, sein Freund und er hatten diese besondere Beziehung. Manchmal sahen sie sich Monate nicht. Aber wenn sie sich dann trafen, war es so, als wäre der eine nur kurz aus der Tür gegangen und zurückgekehrt. Connor schloss die Gruft der Wilsons wieder ab und lief Fatso hinterher. Er nahm natürlich den Haupteingang. Fatso hatte ihn mit einem seiner tausend Tricks geöffnet. Eine Viertelstunde später saßen die beiden sich bei einer Tasse Tee in Fatsos Laden gegenüber. Rundherum war Chaos, wie immer. Connor blickte durch die Schaufensterscheibe...