Tingler | Juwelen des Schicksals | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten, eBook

Tingler Juwelen des Schicksals


1. Auflage, neue Ausgabe 2012
ISBN: 978-3-0369-9165-8
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 320 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-0369-9165-8
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit der gewohnten ironischen Präzision öffnet Philipp Tingler in dieser Sammlung kleiner journalistischer Prosastücke viele Türen zu seinem Mikrokosmos aus Geist, Glamour und Witz. Er beleuchtet verschiedenste Sphären - von den Verrücktheiten in Bel Air über die unschönen Repräsentanten des Literaturbetriebs bis hin zum Heiratswunsch des durchschnittlichen Homosexuellen. Neben Prominenz, Popkultur und Ratschlägen zur Vernichtung ungewollter Geschenke, enthält der Band wertvolle Tipps dafür, wie man mit Plattitüden zurechtkommt, sich mit Anstand betrinkt, Beziehungen meistert und in Würde altert. Und wie man sich zurechtfindet, sowohl auf der Zürcher Bahnhofstrasse wie im Neuen Berlin, in St. Moritz oder auf Gran Canaria. Weiterhin wird anhand des schönsten Metzgers der Schweiz erörtert, ob Sehnsucht wahnsinnig macht sowie endlich die Frage beantwortet, was die Kessler-Zwillinge mit dem Ursprung der Materie zu tun haben.

Philipp Tingler studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Economics sowie der Universität Zürich und ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm bei Kein & Aber der Roman 'Rate, wer zum Essen bleibt' (2019). Er ist Kritiker im SRF-Literaturclub und im Literarischen Quartett des ZDF sowie Juror beim ORF-Bachmannpreis und der SRF-Bestenliste. Neben Belletristik und Sachbüchern ist er ausserdem bekannt durch das SRF-Format Steiner&Tingler und seine Essays u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung und im Autokulturmagazin ramp.
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ÜBER MICH SELBST

Natürlich ist alles, was ich schreibe, über mich selbst. Böse Menschen aber behaupten manchmal, das Beste an meinen Veröffentlichungen wäre die angehängte Biografie.

Sie geht so:

Geboren am Sonntag, den 9. August 1970 in Berlin (West).

Es gibt ein bekanntes Zitat von Frau Marlene Dietrich, das lautet:

»Heimatstadt. Meine Heimatstadt ist Berlin. Ich bin Berlinerin und bleibe Berlinerin, und ich bin dankbar, dass ich Berlinerin bin.«

Ich müsste sagen:

»Heimatstadt. Meine Heimatstadt ist West-Berlin. Ich bin West-Berliner und bleibe West-Berliner, auch wenn West-Berlin untergegangen ist, und ich bin dankbar, dass ich West-Berliner bin.«

Es ist einigermaßen schwierig, Menschen, die niemals in West-Berlin gewesen sind, zu erklären, wie es dort war. Grob gefasst könnte man sagen: So ’ne Mischung aus Drei Damen vom Grill und Neros Rom.

Ich bin nicht nur dankbar, dass ich Berliner bin, sondern ich bin auch dankbar für meinen Bauchnabel. Ich habe eine ganze Theorie über den Bauchnabel. Die Art und Form des Nabels zeigt, ob der Arzt sich Mühe gegeben hat oder nicht, und das ist nach meinem Dafürhalten schon mal ein erster Hinweis darauf, ob man irgendwie willkommen war oder nicht. Mein Bauchnabel dürfte etwa so aussehen wie der von Nastassja Kinski, denn in beiden Fällen war mein Großvater der für die Abnabelung zuständige Arzt. Legendär ist die Ohrfeige, die mein Großvater Klaus Kinski zur Beruhigung verabreichte, als Herr Kinski seine Fassung zu verlieren drohte, denn verständlicherweise war er bei der Geburt seiner Tochter sehr aufgeregt. Und falls diese Ohrfeige, wie manch andere legendäre Anekdote, bloß eine Familienfama sein sollte, möchte ich bei den Resten der Kinski-Verwandtschaft um Nachsicht bitten (einerseits ist dies sicher nicht die schlimmste Geschichte, die über Klaus Kinski kursiert; und wenn man meinen Großvater kannte, so ist es andererseits durchaus vorstellbar, dass sie stimmt).

Ich erwarb die Allgemeine Hochschulreife an der Schadow-Oberschule in Berlin-Zehlendorf, einem gründerzeitlichen preußischen Institut aus rotem Backstein, das bereits meine Mutter besucht hatte. Meinen Schuljahren verdanke ich prägende Erlebnisse sowie lebens- und weniger lange Freundschaften. Ich bin gern zur Schule gegangen. Diese Zeit erscheint mir im Rückblick als vollkommen glücklich.

Wie es dort zuging, an der Schadow-Schule, zeigt eine kleine Szene, die ich auch aus dem Grunde hier wiedergebe, weil ebendiese Szene eine meiner allerersten Veröffentlichungen darstellt: Ich schrieb sie für die Abiturzeitung meines Jahrgangs, und die Hauptfigur darinnen ist Frau Sigrun Douvier, meine alte Deutschlehrerin, die ich an dieser Stelle herzlich grüße. Das kleine Stück trägt den Titel Die Deutschstunde und liest sich wie folgt:

Die Chronologie des Deutsch-Leistungskurses weist – abgesehen von den fünf legendären Meldungen Violas und der erst kürzlich von Marcus Clauss geäußerten Einschätzung der Buddenbrooks als Trivialroman – drei Höhepunkte auf, deren zeitliche Abfolge zugleich eine Steigerung ihres Effektes bedeutet:

Oktober 1988

Frau Douvier präsentiert die offizielle und halbendgültige Fassung der obligaten Bücherliste für das dritte Semester (Manuskript-Version; die Schreibmaschine blieb unerreichbar).

November 1988

Frau Douvier erscheint in einer agavengrünen Breitcordhose.

Februar 1989

Frau Douvier bleibt an ihrem Stuhl hängen:

FRAU DOUVIER sitzt vor dem Kurs. Sie sieht aus wie immer: schwarze Flachpumps, dunkelblauer, plissierter Rock, farblich identischer Wollsiegel-Pullover (V-Ausschnitt), die Uhr um den Hals geknotet. FRAU DOUVIER ergreift nun ein vor ihr liegendes Stück Kreide, um die nie benutzte Tafel mit einem tschechoslowakischen Schriftstellernamen zu beschreiben (dringende Forderung des Kurses), will sich zu diesem Zwecke erheben, verharrt aber in der kaum angesetzten Bewegung, sitzt starr, schweigt und schaut leicht bedrückt in den Kurs.

DER KURS schweigt ebenfalls plötzlich und blickt erwartungsvoll und ein wenig irritiert auf die rührungslose FRAU DOUVIER.

FRAU DOUVIER schaut konzentriert auf DEN KURS.

YVONNE isst eine Rumkugel.

DIE ZEIT vergeht.

FRAU DOUVIER beginnt nunmehr, auf ihrem Stuhl zunächst leichte, sich in ihrer Intensität aber rasch steigernde Ruck- und Reißbewegungen auszuführen.

DER KURS starrt indigniert auf die rutschende und zerrende FRAU DOUVIER.

FRAU DOUVIER [desperately]: Ich hänge!

DER KURS [herzlich]: Hoho!

So war das damals. Ich grüße außerdem meine alte Lateinlehrerin, Frau Bettina Bergmann (die überhaupt nicht alt ist). Frau Bergmann war es nämlich, die einmal bei irgendeiner sich bietenden Gelegenheit zu mir die Worte sprach: »Philipp, Sie werden sich eines Tages nochmal um Kopf und Kragen reden!«

Danach wurde es schwieriger. Es war Ende der achtziger Jahre, und alle wollten unbedingt Denver Carrington leiten – nun, jedenfalls wollte ich das, und so begann ich an der Hochschule St. Gallen die Welt der Wirtschaft zu studieren. Später studierte ich dann auch noch an der London School of Economics und an der Universität Zürich. Meine Eltern scheuten keinen Aufwand – und ich zeigte mich nicht immer dankbar, indem ich bisweilen gar keine Ambitionen an den Tag legte; zunächst, weil die Welt der Wirtschaft viel langweiliger ist als Dynasty (das ist eigentlich auch schon wieder eine Leistung); dann aber auch, weil ich andere Sorgen hatte, zum Beispiel meine Frisur. So dass man zu Hause schon anfing, sich Sorgen zu machen. Obschon mir die Studienstiftung des deutschen Volkes ein Hochbegabten-Stipendium verliehen hatte. Bis meine Mutter mir eines Tages bemerklich machte, dass das Aufgeben und Abbrechen irgendeiner Sache, zum Beispiel eines Studiums, gar nicht zu mir passe, dass es sich für mich nicht gehöre, es mir nicht stehe, dass ich selbst es nie verwinden würde, weil Aufgeben und Abbrechen gewissermaßen etwas sei, was direktemang gegen den metaphysischen Bauplan meiner Existenz gerichtet wäre, jenen Bauplan, der entworfen wird, bevor man ins Leben tritt. So ist man nun gedacht, und so muss man leben.

Und wie so oft hatte sie Recht, me jolly ol’ mutha, Grundschullehrerin und, offenbar, leidenschaftliche Schopenhauerianerin. (Sie hatte auch noch viel früher Recht, als sie mich vor der Anschaffung fünffarbiger Schuhe warnte. Da war ich fünf.)

Und ich ward dessen inne. Die Sehnsucht nach Tat, Sieg und Macht, die Begier, das Glück auf die Knie zu zwingen, flammte kurz und heftig in meinen Augen auf. So wählte ich zur Ökonomie noch das Fach Philosophie, und ich bot meinen ganzen Willen auf, einen fragwürdigen, durch Disziplin und Reflexion erlangten Willen allerdings, der jedoch eine ganze Weile durchhielt und jedenfalls für den Studienabschluss reichte, und zwar mit Summa Cum Laude, worauf ich, da es also quasi widerwillig passierte, ebenso stolz bin wie nebenbei auf meinen Führerschein, den ich gleichfalls gegen Widerstände und auch durchaus nicht Summa Cum Laude, sondern mit Ach Und Krach erwarb. Ich habe Schwierigkeiten, links und rechts auseinander zu halten. Angeblich ist dies Problem bei Linkshändern nicht selten. Auch sterben wir im Durchschnitt früher. Dafür gibt es überdurchschnittlich viele berühmte Linkshänder. Zum Beispiel Joan Collins. Nein, nur ein Scherz. Seitdem aber fahre ich begeistert Auto. Auch mit Ach und Krach.

Weiter. Ich muss mich jetzt ein bisschen beeilen, sonst dauert das hier ewig. Also: Fotomodell. Zum Beispiel wechsle ich die Reifen in der Bedienungsanleitung für ein populäres Automobil der Kompaktklasse. Dieser Wagen trägt den unpassenden Namen Smart – und jener Job führte mich für eine Woche in die Stadt Barcelona, wo viele bemerkenswerte Dinge passiert sind; ich glaube, ich muss darüber mal ein Buch schreiben. Und, da wir vom Schreiben sprechen: Im Jahre 2000 erschien mein erstes Buch Hübsche Versuche. Im darauf folgenden Jahr war ich für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert, gewann allerdings keinen Blumentopf. Das Unternehmen war trotzdem ein dankbares. Ich glaube, ich muss ...


Tingler, Philipp
Philipp Tingler studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Economics sowie der Universität Zürich und ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm bei Kein & Aber der Roman »Rate, wer zum Essen bleibt« (2019). Er ist Kritiker im SRF-Literaturclub und im Literarischen Quartett des ZDF sowie Juror beim ORF-Bachmannpreis und der SRF-Bestenliste. Neben Belletristik und Sachbüchern ist er ausserdem bekannt durch das SRF-Format Steiner&Tingler und seine Essays u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung und im Autokulturmagazin ramp.

Philipp Tingler studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Economics sowie der Universität Zürich und ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm bei Kein & Aber der Roman »Rate, wer zum Essen bleibt« (2019). Er ist Kritiker im und im Literarischen Quartett des sowie Juror beim und der . Neben Belletristik und Sachbüchern ist er außerdem bekannt durch das SRF-Format und seine Essays u.a. in der und im Autokulturmagazin .



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