Tingler | Stil zeigen! | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 208 Seiten, eBook

Tingler Stil zeigen!


1. Auflage, neue Ausgabe 2012
ISBN: 978-3-0369-9163-4
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 208 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-0369-9163-4
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
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Wie beginnt man eine Konversation? Welche Ausdrücke sollte man vermeiden, wenn man nicht zu den bildungsfernen Schichten gerechnet werden will? Wie geht man mit reichen Leuten um? Und wie mit Menschen, die man nur flüchtig kennt, die einem aber bei gesellschaftlichen Anlässen regelmäßig um den Hals fallen?
Die Gegenwart ist verwirrend. Wir leben in einer mobilen und hochfragmentierten Gesellschaft, in der sich alles ständig zu ändern scheint. Und die Umgangsformen verrohen. Doch hier kommt Hilfe: Philipp Tingler hat ein Vademecum verfasst, das die wichtigsten Erscheinungen, Akteure und Benimmregeln der sozialen Welt unserer Tage präsentiert und erläutert – darunter auch Etikettefragen, die Ihnen sonst niemand beantwortet: Wie wimmelt man Leute ab? Zu welchen Anlässen kann man zu spät kommen? Wann ist Lügen erlaubt? Wann geboten? Daniel Müllers feinsinnige Illustrationen machen das Handbuch zu einem Geschenk für jede Gelegenheit.

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»Es gibt nicht so was auf der Welt wie ein kostenloses Mittagessen!« So lautet die lapidare Übersetzung von »There ain’t no such thing as a free lunch« – einer Maxime, die auch als TANSTAAFL-Prinzip bekannt ist und zu den Grundweisheiten der Ökonomie gehört. Jeder Student der Wirtschaftswissenschaften kriegt sie im ersten Semester zu hören. Meistens mehrfach. Grob gesagt soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass für alles immer irgendjemand bezahlen muss, sogar für die Freebie Bags nach den Shows bei Agent Provocateur (aber da trifft es wenigstens keinen Armen). Im Hinblick auf Umgangsformen gewinnt der Satz von der Unmöglichkeit des kostenlosen Mittagessens allerdings noch eine übertragene Bedeutung, nämlich: Sie müssen nett und unterhaltsam sein, gerade wenn Sie eingeladen werden. Umgänglichkeit ist der Preis, den die Gesellschaft verlangt, und auch diese Weisheit klingt auf Englisch etwas schmissiger: You got to sing for your supper.

Einen Lunch, ob free oder nicht, kann man heutzutage hinsichtlich der Tischmanieren immer noch tadellos mit einer beinahe zwei Jahrzehnte alten Ausgabe von Tiffany’s Table Manners for Teenagers überstehen – aber bei vielen anderen Phänomenen sozialer Interaktion scheint alles aus den Fugen geraten. Und das zeigt sich bereits, wenn nicht schon beim Lunch, so doch spätestens auf der Dinner Party. Denn während wir früher bei Dinner-Party-Tischnachbarn mit so altmodischen Qualitäten wie einem Sinn für Humor zufrieden waren, scheint es uns heute immer wichtiger zu werden, mit mehr oder weniger harten Fakten über gesellschaftliche Bekanntschaften versorgt zu sein: Einkommen, Beruf, Alter, Kontakte  – all diese Daten, nach denen es sich nicht zu fragen gehört, weil sie für die gesellschaftliche Qualität einer Person vollkommen irrelevant sind, bestimmen offenbar in unseren Tagen mehr als je zuvor die soziale Relevanz.

Das wirkt sich natürlich auf die Konversationsthemen aus: Scheidungen und plastische Chirurgie sind heutzutage in jeder Gesellschaft ebenso Safe Conversation Topics (SCTs) wie früher das Wetter und Feriendestinationen (hingegen ist es nach wie vor unmanierlich, über Geld und Preise zu sprechen. Sowie länger als 30 Sekunden über Haustiere). Der Leser wird im vorliegenden Büchlein manche Hilfestellung und Handreichung zur Übung der Konversation finden: Wie man sie am besten anfängt, zum Beispiel, oder wie man am besten mit reichen Leuten redet, vor allem mit dem Segment der sogenannten New Social Rich, dessen Vertreter heutzutage überall auftauchen, nicht mehr bloß im Boujis oder im Le Cirque oder auf dem Rollfeld von Farnborough.

Wir werden hier, einem Wort von Francis Bacon folgend, davon ausgehen, dass die Umgangsform die Kleidung des Gemüts ist und also, wie die richtige Garderobe, nie zu modisch sein sollte. Selbstverständlich werden wir auf die gesellschaftlichen Neuerungen und technischen Errungenschaften der Gegenwart Bezug nehmen – aber ebenso darauf, dass diese höchst wenig bedeuten für klassische Tabus oder intuitiv gutes Benehmen, das sich immer daran ausrichten sollte, seinen Mitgeschöpfen so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich zuzumuten. Die Gegenwart ist übrigens auch gar nicht so furchtbar innovativ, wie gerne behauptet wird. Wie die Kaste der New Social Rich zeigt, ist die Klassengesellschaft lebendiger denn je, und anstatt dies, wie das im deutschsprachigen Raum gerne getan wird, zu leugnen, widmen wir uns lieber mit angelsächsischem Pragmatismus den Formvorschriften, die sich daraus ergeben. In der Tradition der fabelhaften Nancy Mitford unternehmen wir einen kurzen Exkurs in die identifizierbaren Charakteristiken der deutschen bzw. deutschsprachigen Ober- und Unterschicht und weisen den Leser bei dieser Gelegenheit etwa auf diejenigen Vokabeln hin, die Sie lieber vermeiden sollten, wenn Sie nicht bildungsfernen Milieus zugerechnet werden wollen. Eine der schlimmsten dieser Vokabeln ist »Promi«.

Klassengesellschaft hin oder her: Dieses Buch richtet sich an jeden, auch an Menschen, die kein Bankkonto bei Coutts und kein Kundenkonto bei Neiman Marcus haben und keinen Blackberry. Ich habe selbst keinen. (Dafür bin ich mal in Dallas bei Neiman Marcus im Aufzug stecken geblieben, aber das ist eine andere Geschichte.) Andererseits müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, dass wir in einer ökonomisierten Gesellschaft leben, in der auch soziale Kontakte vor allem als Investition und Kapital verstanden werden. Gerade die Leutchen, die dies vehement abstreiten, sind oft die berechnendsten Kriecher. In einigen Milieus gilt es im gesellschaftlichen Umgang als Ressourcenverschwendung, sich mit jemandem zu befassen, der nicht mindestens eine NetJets Card und ein kleines Anwesen auf St. Barths hat. Und die Eruierung solcher Daten ist heute so leicht wie nie. Wer kurz den Kontostand einer Bekanntschaft kontrollieren will, muss nicht mehr hastig in fremden Handtaschen stöbern oder nach veralteten Paparazzi-Techniken anderer Leute Müll durchwühlen (zumal viele Leute aus Vorsicht sowieso zum systematischen Shredden übergegangen sind). Man braucht auch keinen Privatdetektiv mehr anzuheuern oder mühsam mit Agentensets vom Schwarzmarkt Telefone anzuzapfen oder über Wasserdampf Briefumschläge aufzumachen. In Bezug auf Bonitätsanfragen zum Beispiel kann man sich einfach via World Wide Web an professionelle Auskunfteien wenden wie etwa den internationalen Finanzinformationsdienstleister Dun & Bradstreet. Falls es noch schneller gehen muss, weil man vielleicht gerade einen Heiratsantrag bekommen hat, schickt man flink eine SMS-Anfrage an einen Recherchedienst wie »Any Question Answered« – und kriegt, sofern der prospektive Lebenspartner einen einigermaßen bekannten Namen hat, schon wenige Minuten später dessen Kurzlebenslauf plus Vermögenshintergrund als Textnachricht aufs Mobiltelefon geschickt.

Was ich damit sagen will, ist: Man kann sich heutzutage billiger und mit weniger Aufwand indiskret und daneben benehmen als jemals zuvor in der Zivilisationsgeschichte. Und immer mehr Leute tun dies auch. Nicht zuletzt deshalb, also als Bremse gegen die allgemeine Rüpelei und zur Verteidigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sind Lügen nach wie vor erlaubt. Unser Kompendium der guten Form nimmt zur Frage der Unwahrheit eine weniger prüde Position ein als andere Benimmratgeber. Statistisch gesehen lügt ein Bewohner der westlichen Welt durchschnittlich rund 200 Mal am Tag – und dies scheint nicht mehr auszureichen. Es ist unsere tiefe Überzeugung, dass die Wahrheit per se eventuell eine moralische, aber gewiss keine gesellschaftliche Kategorie darstellt. Wahrheit ist überhaupt meistens eine relative Größe, mindestens die Hälfte aller zivilisatorischen Errungenschaften dienen im Grunde nur der Täuschung und damit der Lüge, von Push-up Bras bis zu Selbstbräunern, und die gesellschaftliche Etikette ist in ihrem Kern eine einzige Täuschung mit dem Zweck, den Beteiligten Zeit, Konflikte und Peinlichkeit zu ersparen. Wenn Sie diese Arbeit übernehmen, sollte Ihnen Ihr Gegenüber dankbar sein! Deshalb: Keine Scheu vor Lügen, auch nicht vor groben! Solange sie nicht plump sind. Oder, in den Worten von Veronica Chase, Königin der Romantik: »What’s convenient is not always what’s best. If it were, I’d just throw on a muumuu and eat out of a can.« Oder waren das die Worte von Kitty Foreman? Never mind. Entscheidend ist: Unter welchen Umständen Sie ohne jedes Schuldgefühl die Unwahrheit sagen dürfen, erfahren Sie in den folgenden Kapiteln.

Unser Leitsatz bei allem, was wir in Gesellschaft sagen oder nicht sagen, sollte immer das Dominick-Dunne-Paradox (DDP) sein, welches lautet: »Jedes Geheimnis wird stets mindestens einer Person weitererzählt.« Daraus leitet sich direkt The Golden Rule of Gossip (GRG) ab: It’s fine to pass it on, but never reveal who told you. Allerdings ist zu beachten, dass diese Goldene Regel noch überstimmt wird von der Kirnbauer-Doktrin: »Falls Ihnen jemand was unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, denken Sie daran, dass dieser Jemand besagtes Siegel selbst damit durchbrochen hat.«

Natürlich ist Neugierde ein uralter menschlicher Antrieb. Sie sollte einfach gewisse Grenzen nicht überschreiten, denn die dabei für alle Beteiligten zu Tage tretenden Peinlichkeiten können grenzenlos sein. Und die Vermeidung von Peinlichkeit ist, wie gesagt, immer noch das oberste Ziel für jeden Manierenkatalog. Wie man seinen Drang, Schubladen aufzuziehen, im Zaume halten kann, wird dem Leser in diesem Buch daher ebenso nahegelegt wie das empfehlenswerte Reaktionsmuster für den Fall, dass Sie im Badezimmerschränkchen von Martha und George tonnenweise Modasomil finden. Darüber hinaus empfehlen wir Ihnen, was Sie von sich selbst nicht preisgeben, sondern lieber in Ihre kleine Seele einsperren sollten, so wie das alle anständigen Leute machen. Zum Beispiel den Umstand, dass Sie eine Zeitlang nicht einschlafen konnten, ohne Ihr Bett mit »Lagerfeld« einzusprühen. Es sei denn, Sie sind Lagerfeld.

Außerdem zeigen wir...


Müller, Daniel
Philipp Tingler studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Economics sowie der Universität Zürich und ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm bei Kein & Aber der Roman »Rate, wer zum Essen bleibt« (2019). Er ist Kritiker im SRF-Literaturclub und im Literarischen Quartett des ZDF sowie Juror beim ORF-Bachmannpreis und der SRF-Bestenliste. Neben Belletristik und Sachbüchern ist er ausserdem bekannt durch das SRF-Format Steiner&Tingler und seine Essays u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung und im Autokulturmagazin ramp.

Tingler, Philipp
Philipp Tingler studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Economics sowie der Universität Zürich und ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm bei Kein & Aber der Roman »Rate, wer zum Essen bleibt« (2019). Er ist Kritiker im SRF-Literaturclub und im Literarischen Quartett des ZDF sowie Juror beim ORF-Bachmannpreis und der SRF-Bestenliste. Neben Belletristik und Sachbüchern ist er ausserdem bekannt durch das SRF-Format Steiner&Tingler und seine Essays u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung und im Autokulturmagazin ramp.

Philipp Tingler studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Economics sowie der Universität Zürich und ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller. Zuletzt erschien von ihm bei Kein & Aber der Roman »Rate, wer zum Essen bleibt« (2019). Er ist Kritiker im und im Literarischen Quartett des sowie Juror beim und der . Neben Belletristik und Sachbüchern ist er außerdem bekannt durch das SRF-Format und seine Essays u.a. in der und im Autokulturmagazin .

Daniel Müller (illumueller), geboren 1964 in Baden, studierte an der Kunstgewerbeschule Luzern und an der Schule für Gestaltung Zürich. Seit 1993 lebt und arbeitet er als freier Illustrator in Zürich. Seine Arbeiten sind in diversen Zeitschriften und Büchern zu finden. Bei Kein & Aber sind von ihm bereits »Stil zeigen« und »Leichter reisen« mit Texten von Philipp Tingler, »Wie Bismarck auf den Hering kam« mit Texten von Petra Foede, »Homestories« mit Texten von Elke Heidenreich und »Chic« mit Texten von Katharina Blansjaar erschienen.



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