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E-Book, Deutsch, Band 3, 400 Seiten
Reihe: Der Meteor
Tree Der Meteor 3
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7546-5580-1
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 3, 400 Seiten
Reihe: Der Meteor
ISBN: 978-3-7546-5580-1
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Los Angeles liegt in Trümmern. Während die Stadt abgeriegelt wird, um eine unbekannte Verseuchung einzudämmen, kämpfen die Überlebenden gegen merkwürdige Vorkommnisse unter der toxischen Staubwolke. Unter ihnen sind auch Lee und Branson. Der Astronaut muss einen Ausweg finden, um seinen Flug zu Cassandra nicht zu verpassen und der Kapitän sieht sich einer furchtbaren Wahrheit gegenüber, die er nicht länger leugnen kann und will. Doch das Grauen in Los Angeles ist nur ein Vorgeschmack darauf, was im fernen Ulan-Ude in Sibirien längst Realität ist: die vom russischen Militär abgeschottete Stadt ist verloren und mit ihr all seine Bewohner. Zu den letzten Lebenden gehört Jenna, die um jeden Preis herausfinden will, was dort geschehen ist und welche Machenschaften die von ihr gejagte Geheimorganisation umtreiben. Ihr bleibt nicht viel Zeit, denn Russland will sich der Verseuchung ein für alle Mal entledigen.
Joshua Tree gehört mit über einer Million verkaufter Bücher zu Deutschlands erfolgreichsten Science-Fiction-Autoren und wurde mit dem renommierten Phantastik-Literaturpreis "Seraph 2022" für den besten Roman ausgezeichnet. Seine Bücher wurden ins Englische übersetzt und sind sowohl in den USA als auch Großbritannien unter dem Pseudonym "Joshua T. Calvert" zu Bestsellern geworden. Joshua Tree lebt und schreibt in Portugal.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1: Jenna Der Birkenwald erinnerte an die Kulisse eines dystopischen Endzeitfilms mit verwaschenen Bildern. Immer wieder wackelte Jennas Sichtfeld, wenn der Lada-Kleinbus mit seiner starken Federung über Bodenwellen oder Sandhaufen auf dem kleinen Waldweg hinwegsetzte und um die Kurven polterte. Die weiße Rinde der Bäume wirkte krank und fahl unter der apokalyptischen Düsternis, die über der Szenerie lag. Viele der Blätter waren bereits welk oder lagen größtenteils auf dem unebenen Boden, auf dem Sträucher, Moos und nachwachsende Triebe tagsüber um das spärliche Angebot an Sonnenlicht kämpften, von dem es selbst unter besseren Voraussetzungen als einer unbekannten Verseuchung und Rußwolken einer heranziehenden Feuerfront nicht besonders viel gab. Alles um sie herum schien vom Kampf gegen widrige Bedingungen gezeichnet zu sein, jeder Ast knotig wie sehnige Gliedmaßen, jedes Blatt klein aber kräftig, als wolle sich die Vegetation stur gegen die Tatsachen stellen. Durch die beiden runden Glasscheiben vor ihren Augen sah für Jenna alles unwirklich aus, als sehe sie einen Film oder durch die Linsen eines Fernglases. Auch ihre Atmung war nicht mehr leise, sondern ein stetes Rauschen im Auf und Ab ihres Brustkorbs, gefiltert durch die Gasmaskenkartusche vor ihrem Mund. Sie schwitzte latent, obwohl es nicht besonders warm war. Komplett in grünes Gummi gehüllt, fühlte sie sich abgeschnitten von der Wirklichkeit, was sie einerseits beruhigte und ihr andererseits ein Gefühl der Entrücktheit verlieh, das ihr ganz und gar nicht gefiel. Sie lebte davon, mittendrin zu sein bei allem, was sie tat. Ihre Stärke war, dass sie sich in jede Situation hineindenken und dann anpassen konnte, ohne an vordefinierte Ecken ihrer Persönlichkeit zu stoßen, die sie davon abhielten, das Nötige zu tun. Dazu gehörte vor allem, sich in Gegebenheiten einzufügen, als sei sie ein Teil davon. Aber wie sollte ihr das mit einem Gummianzug und einer Maske, die sie hermetisch von ihrer Umwelt abschotteten, gelingen? Sie konnte keine Gesichter mehr lesen, keine Stimmen mehr analysieren, da alles verzerrt war, es gab keine Laute zu interpretieren, keine Gerüche, keine Intuition, die im Moment all ihrer Sensoren entledigt war. Ist mir all das nicht schon viel früher abhandengekommen?, dachte sie und spürte das Gewicht von Xenia – selbst in einem Chemieschutzanzug – an ihrem Arm deutlicher als zuvor. Sie weinte nicht mehr, doch Jenna bemerkte, dass sie noch immer unter stummen Schluchzern erbebte. Sie wusste, dass sie einen taktischen Fehler gemacht hatte, als sie das Mädchen vor ihren Entführern rettete. Sie hatte sich angreifbar und erpressbar gemacht, sobald sie Mitgefühl und eine gewisse Sympathie für sie zugelassen hatte. Den Grund dafür kapierte sie noch immer nicht so recht. Lag es an den Medikamenten, die ihren Verstand mit einer Art wirkstoffschwerem Nebel gedämpft hatte? Oder waren es die Albträume und Erinnerungen gewesen, die sie so weichgekocht hatten, dass eine jahrzehntelang antrainierte Schale aufgebrochen war, von der sie gar nichts wusste? Was sie all die Jahre hatte zufrieden und ausgeglichen sein lassen, war nicht zuletzt eine Aussage ihrer psychologischen Betreuerin in der Agency gewesen, die ihr stets volle Einsatzbereitschaft bescheinigt hatte. Die Botschaft lautete in etwa: Verdrängung ist ein wirkmächtiger Mechanismus unseres Gehirns, um die psychische Stabilität wiederherzustellen. Wer verdrängt und nicht lediglich aktiv beiseiteschiebt, kann sehr wohl zufrieden und glücklich sein, nicht etwa nur auf Kosten der Wahrhaftigkeit, wie manche es gerne kaputtreden. Die Frage ist nur, ob sie im Verdrängen effektiv sind und nicht ausschließlich zwanghaft wegsehen. Sie, Agent Haynes, sind eine Meisterin der Verdrängung, und dazu muss ich Ihnen aus fachlicher Sicht gratulieren. Ich testiere Ihnen volle Einsatzbereitschaft. Ob sie mir das jetzt und hier auch bescheinigen würde? Einer Agentin, die ihre eigenen Regeln im Einsatz aus dem Fenster wirft? Zweimal hintereinander? Erst mit Feyn, jetzt mit einer jungen Schatzsucherin?, dachte sie und seufzte in sich hinein. Instinktiv drückte sie die Schulter von Xenia etwas fester und zog sie weiter an sich. Die beiden Schichten dicken Gummis, die sie voneinander trennten, quietschten dabei. Es war ein unangenehmes Geräusch. Wie ist das passiert? Ihre Gedanken kamen zu einem jähen Halt, als sie die ersten Zeichen der Verseuchung sah. Zunächst waren es bloß einige weiße Blätter an den Bäumen, die nicht zu dem schmutzigen Grau der Birkenrinde passten, dann kamen dünne Fäden hinzu, kaum dicker als ein Bindfaden, die sich von den Ästen bis zum Boden spannten. Je weiter sie durch den Wald fuhren, desto dichter wurden sie, desto mehr Laub und schließlich ganze Sträucher waren bedeckt. Sie waren wie von einem strahlend weißen Tau überzogen, der gleichzeitig antiseptisch und bedrohlich-krank aussah. Jede Faser von Jennas Körpers wollte instinktiv flüchten, warnte sie davor, auch nur einen Meter weiterzufahren. Und doch schluckte sie all das herunter, akzeptierte, dass es sich mit dem schwerer werdenden Stein verband, den sie bereits seit längerem in ihrem Magen spürte. »So sieht es in den ersten Stunden nach der Verseuchung aus«, rief Nadja von vorne über das Poltern des Wagens hinweg. Sie saß auf der kurzen Sitzbank neben dem Fahrer, zusammen mit einem anderen Kollegen, während sie hinten auf zwei breiten Kisten hockten und immer wieder nach etwas zum Festhalten greifen mussten, um nicht hin und her geworfen zu werden. »Stunden?«, fragte Jenna ungläubig und musste noch einmal mit lauterer Stimme anheben, um durch ihre Gasmaske Gehör zu finden. »Ja, es geht sehr schnell. Zumindest bei allem, was einen Stoffwechsel hat. Die Reproduktionsrate des fremden Erregers ist allerdings in Phytoorganismen deutlich höher als in Tieren oder Menschen. Wir haben noch keine schlüssige Theorie, woran das liegen könnte. Erste Hinweise deuten auf ihren besonderen Stoffwechsel hin.« »Photosynthese.« »Ja. Allerdings haben Pflanzen auch kein Immunsystem in dem Sinne, wie wir Menschen. Dort könnte der andere Unterschied liegen. Phytoorganismen schützen sich meist sehr spezifisch vor bestimmten Feinden wie Parasiten«, erklärte Natalja und wurde von einem ihrer Kollegen unterbrochen, der Jenna gegenübersaß. »Abwehrstoffe. Entweder sie sind sehr spezifisch, oder komplett unspezifisch.« »Unspezifisch? Also wie unser Immunsystem?« »Ja und nein. Unser Immunsystem greift erst einmal alles an, was nicht als körpereigenes Protein erkannt wird. Gegen diese Mikroorganismen bildet es dann allerdings sehr spezifische Antikörper, die exakt auf die jeweilige Erregerform zurechtgeschnitten sind und dadurch hocheffektiv werden. Bei einem Baum beispielsweise ist die Reaktion ebenfalls erst einmal unspezifisch, richtet sich gegen alle Angreifer in Form von Harz. Harz klebt Verletzungen in der Rinde zu, eine amorphe, lipophile Substanz, die erstaunlich effektiv ist. Fettlöslich und von ungeordneter Molekülstruktur lässt es sich kaum von Schädlingen wie Insekten überwinden. Sie kleben fest, die Wunde ist verschlossen. Ich heiße übrigens Anton.« »Und was bedeutet das?«, wollte Jenna wissen. »Dass wir Glück haben, nicht zu harzen?« »Nein. Es bedeutet lediglich, dass unser ausgefeiltes Immunsystem etwas länger an einem aussichtslosen Kampf festhält und das Leiden damit streckt«, gab Anton zurück, woraufhin Schweigen einkehrte. Jenna sah wieder aus dem Fenster und musste mit Erschrecken feststellen, dass die wenigen Minuten, die sie sich abgewandt hatte, eine deutliche Veränderung der Vegetation mit sich gebracht hatten: Die Bäume waren nur noch aufgrund ihrer Umrisse als solche zu erkennen, sahen mit einem Mal aus wie Nachbildungen aus porösem Gips. Es war, als würden sie durch eine Winterlandschaft fahren, allerdings ohne den Zauber, den diese versprühte. Stattdessen gab es hier instinktive Angst. Erst jetzt bemerkte sie, dass die bedrückende Atmosphäre, die sie seit dem Zugunglück verspürte, nicht etwa auf das Unglück zurückging, sondern diesem Ort zu eigen war. Jeder Fleck da draußen, jeder Atemzug hier drinnen, alles atmete Angst, fiebrige, unspezifische Angst. Sie durchdrang alles. Jenna war mit ihr vertraut, hatte mehr als zwei Wochen auf der Flucht vor jemenitischen Rebellen verbracht, gejagt durch eine Steinwüste, in menschenunwürdigen Verstecken, immer mit Fantasien darüber im Hinterkopf, wie sie entdeckt und zu Tode gefoltert wurde. Wenn sie nicht achtsam war, würde die Angst ihr zuerst Lebenskraft entziehen, dann Antrieb, Hoffnung und Durchhaltevermögen. Es war wie langsam in einer Wüste zu verdursten und mit jedem Schritt schwächer zu werden. »Sie sind nicht wirklich Französin, oder?«, fragte Anton, und Jenna musste einige Male blinzeln, ehe sie verstand, dass er sie die ganze Zeit angesehen haben musste. »Pourquoi penses-tu ça?« Der Russe beugte sich etwas nach vorne. »Ich spreche kein Französisch, aber ich kenne Leute wie Sie.« »Leute wie mich?« Wieder einmal fluchte sie innerlich darüber, dass sie es mit einer Gestalt in kompletter Vermummung zu tun hatte und weder Stimmlage noch Mimik lesen konnte. »Ja. Wir sind vom Wissenschaftskorps, aber immer noch Soldaten. Ich...