Trommsdorff / Assmann | Forschung fördern | E-Book | sack.de
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E-Book, Englisch, 248 Seiten

Trommsdorff / Assmann Forschung fördern

Am Beispiel von Lebensqualität im Kulturkontext

E-Book, Englisch, 248 Seiten

ISBN: 978-3-7445-0879-7
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Durch Kulturbegegnung, internationalen Wissenschaftsaustausch und interkulturelle Vergleiche sind Grenzen nationaler und westlicher Forschungsansätze deutlich geworden. In diesem Buch werden Beispiele für nachhaltige Wirkungen einer unkonventionellen Wissenschaftsförderung durch weitsichtiges Unternehmer- und Mäzenatentum vorgestellt. Deutsche und japanische Wissenschaftler behandeln in rechtswissenschaftlichen, soziologischen, historischen und psychologischen Beiträgen die kulturellen Bedingungen und Besonderheiten von Lebensqualität, Zufriedenheit und Glück. Sie zeigen, wie wirtschaftliches Handeln über ökonomische Interessen hinaus mit zivilgesellschaftlichem Engagement verbunden wird oder Wissenschaft wiederum auch durch ökonomische Interessen beeinträchtigt werden kann.
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JÜRGEN KOCKA
Zwischen Kapitalismus und Zivilgesellschaft. Deutsche Unternehmer im 19. und 20. Jahrhundert5
Abstract Werner Reimers hat Unternehmererfolg und zivilgesellschaftliches Engagement verbunden. Im 19. Jahrhundert haben erfolgreiche Unternehmer andere Formen des Engagements praktiziert, vor allem in ihren Gemeinden und Regionen, durch Schenkungen und gesellschaftliche Partizipation. In den großen Mananager-Firmen des gegenwärtig dominanten Investoren-Kapitalismus stehen der Verknüpfung von Geschäftserfolg und Allgemeinwohl-Engagement Hindernisse entgegen, mit denen frühere Eigentümer-Unternehmer nicht konfrontiert waren. Der Vortrag diskutiert das komplizierte Verhältnis von Marktwirtschaft und Zivilgesellschaft im Wandel der Zeit an ausgewählten Beispielen und generell. Reimers steht dabei im Vordergrund. Von Werner Reimers als Stifter wissen wir weniger als über andere bedeutende Stifter seiner Zeit wie Körber, Beitz oder Mohn. Aber wir wissen einiges. Bekannt ist die großbürgerliche Herkunft des 1888 Geborenen aus einer Hamburgischen Kaufmannsfamilie, die vor allem im Überseehandel ihr Glück gemacht hatte. In diesem Milieu wurde er sozialisiert, er lernte im väterlichen Geschäft wie bei befreundeten Firmen im Ausland, und war bald, zunehmend selbstständig, in Japan mit Vermittlungs- und Agenturgeschäften befasst. Nach Deutschland zurückgekehrt, wandte sich der „mit technischem Gespür begabte Kaufmann“ dem industriellen Bereich zu und baute, im zweiten Versuch, ab 1928 in Bad Homburg, zunächst als Niederlassung eines englischen Mutterunternehmens, bald aber als eigene Firma, die P.I.V. Antrieb Werner Reimers Kommanditgesellschaft, später GmbH, auf, die sich auf die Herstellung stufenlos regelbarer Getriebe für alle möglichen Antriebe von Maschinen und Fahrzeugen spezialisierte, und später auch andere Antriebs- und Steuerungsgeräte baute. Die Firma wurde zum Welterfolg. Am Anfang (1928) beschäftigte sie 17, 1945 aber fast tausend Mitarbeiter. Nach dem Zusammenbruch 1945, einer politisch bedingten Zwangspause für den Gründer und dem sofort anschließenden Neustart wuchs sie erneut, wurde zum größten Gewerbebetrieb Bad Homburgs und beschäftigte 1965, als Reimers starb, 1800 Mitarbeiter. Reimers hatte sich als geschäftstüchtiger, erfolgreicher Unternehmer erwiesen, dem es gelang, hoch qualifizierte Ingenieure zu gewinnen und internationale Marktlücken zu nutzen, der sein Unternehmen sehr direkt und persönlich leitete, wenn er es auch in den letzten Jahren als angenehm empfand, nicht mehr jeden Tag in der Firma sein zu müssen. Er hinterließ, als er 1965 starb, ein technologisch und betriebswirtschaftlich wohl bestelltes Feld, ein gelungenes Werk. Wir wissen des Weiteren, dass Reimers mehr wollte als den geschäftlichen Erfolg. Der 22-Jährige vertraute seinem Tagebuch an, er wolle „ein gebildeter, angesehener Kaufmann werden, erfolgreich, um Kunst und Wissenschaft mit (seinen) Mitteln zu helfen, um auch dadurch mein Teil zur Entwicklung der Menschheit beizutragen“. Der über Siebzigjährige fragte einen seiner Gäste: „Der Lebenserfolg kann auch zum Gefängnis werden, meinen Sie nicht auch?“ Er versuchte, diesem Gefängnis zu entkommen. Immer wieder hat er große philosophische Fragen auf seine Art angesprochen, die Entstehung und den Sinn des Lebens, das Verhältnis von westlicher und östlicher Zivilisation betreffend. Er wusste, dass er selbst nicht das Rüstzeug besaß, dieses Terrain zu bearbeiten. Ein paar Jahre lang hat er versucht, mit seinen großen Ressourcen entsprechende Forschungen im etablierten Wissenschaftsbetrieb, in Kooperation mit der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt, zu implantieren. Das misslang, musste misslingen, denn das große Format seiner Fragen stand quer zur arbeitsteiligen Organisation moderner Wissenschaft. Doch Reimers fand den Rat von Wissenschaftlern, Autoren und Sachkennern, die ihm stattdessen halfen, 1963 die „Werner Reimers-Stiftung für anthropogenetische Forschung“ zu gründen, in Verbindung mit ausgewiesenen Wissenschaftlern, aber doch mit großer Skepsis gegenüber der „professoralen“, allzu spezialisierten Normalwissenschaft, der die Stiftung langfristig dann doch sehr gedient hat. Reimers wollte mit dieser Stiftung, deren erstes Programm seine persönliche Handschrift trug, auf das intellektuelle Leben einwirken, neues Wissen mit neuen Verfahren im Hinblick auf das „Gesamtbild des Menschen“ generieren und „an geeignete Kreise“ weitervermitteln. Er gründete seine Stiftung als Instrument der Gestaltung, keineswegs nur zur Förderung von Forschungen, die dritte Personen sich ausdenken und an die Stiftung herantragen würden. Er hatte eine Idee, ein in gewisser Hinsicht utopisches Programm. Wie sich dies in seinem Kopf entwickelt hat, wird aus den Quellen nicht klar. Die frühe Auseinandersetzung mit ostasiatischer Kultur dürfte dazu beigetragen haben, vielleicht auch die Erfahrung der tiefen Zäsur von Krieg und Zusammenbruch. Schließlich ist klar, dass Reimers sein Unternehmen einerseits und seine Stiftung andererseits in einem engen Wechselverhältnis sah: „Ich möchte, dass die Geschäftsleitung und Belegschaft das Bewusstsein erhalten, nicht nur für die Firma… zu arbeiten,… sondern auch für einen idealen Zweck, etwas, das der Allgemeinheit, der Sicherung unserer Kultur zugutekommt“ – so Reimers in einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Brief von 1962 und ganz ähnlich in einer späteren Adresse an die Belegschaft. Umgekehrt machte er die Stiftung von der Firma abhängig. Reimers war kinderlos und setzte die Stiftung als Alleinerbin ein. Die Stiftung blieb auch mit ihren regelmäßigen Einnahmen –anders als im Fall anderer Stiftungen – eng an den Erfolg der Firma gebunden. Entsprechend musste sie ihre Tätigkeit einstellen, als die Firma 2001, 36 Jahre nach dem Tod ihres Gründers, in die Insolvenz ging6. Versteht man unter „Kapitalismus“ eine Form des Wirtschaftens, die auf individuellen Eigentumsrechten und dezentralen Entscheidungen beruht, in der die Koordination über Preise, Wettbewerb und Kooperation auf Märkten geschieht, und in der Kapital, damit auch Investition, Rentabilität und Wachstum grundlegend sind, dann war Reimers ein kapitalistischer Unternehmer, und zwar ein erfolgreicher. Versteht man unter „Zivilgesellschaft“ eine soziale Sphäre, in der freiwilliges und selbstständiges, selbstorganisiertes Engagement von Individuen und Gruppen für allgemeine Belange stattfindet, beispielsweise in Vereinen und Initiativen, und zwar weder nach den Gesetzen des Marktes mit Streben nach Lohn oder Gewinn, noch nach der Logik und unter der Regie staatlicher Politik, sondern in eigener Verantwortung über die Wahrnehmung der eigenen partikularen Interessen hinaus, dann war und ist die Gründung einer Stiftung wie der Reimerschen ein Akt des zivilgesellschaftlichen, man kann auch sagen: des bürgerschaftlichen Engagements. Reimers, der überdies durch Schenkungen und Zuwendungen im Homburger Umfeld und anderswo mäzenatisch wirkte, war also nicht nur ein kapitalistischer Unternehmer, sondern auch ein zivilgesellschaftlicher Aktivist. Wie passt beides zusammen? Blicken wir in die Geschichte. Der Kapitalismus setzte sich in Deutschland in breiter Front erst als Industriekapitalismus durch, also mit der Industrialisierung. Die erste Industrialisierungsphase – das war das zweite Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, jedenfalls in einigen Regionen, so im Rheinland und in Westfalen, am Niederrhein und in Köln, in Wuppertal und Solingen, in Bielefeld oder dann auch im Ruhrgebiet. Nehmen wir die dortigen Textilindustriellen, Eisen- und Maschinenfabrikanten, Zechenherren und Eisenbahndirektoren, aber auch Großkaufleute und Bankiers als Beispiel. Die von Beckeraths, Henckels, Herstatts, Harkorts, Haniels, Krupps und Mevissens sind uns als harte, profitorientierte, meist arbeitswütige, immer durchsetzungsstarke Unternehmer bekannt, die ihren partikularen Vorteil konsequent verfolgten, sich im Konkurrenzkampf resolut durchsetzen, Kapital und Vermögen anhäuften und wenig zimperlich auf die Arbeitskraft ihrer Arbeiter zugriffen, sie ausnutzten, ausbeuteten und beherrschten. Das waren nicht sehr gebildete, meist aus Kaufmanns- und Handwerkerkreisen stammende Kapitalisten, mit wenig Interesse an Kunst, Wissenschaft und raffiniertem Lebensstil. Doch sie führten auch ein Leben außerhalb ihres Geschäfts, welches für sie wichtig war und mithalf, ihren Anstrengungen, Kämpfen und Erfolgen als Unternehmer Sinn zu geben: einerseits ihr intensives Familienleben, andererseits ihr bürgerschaftliches Engagement in Kirchen, Vereinen und den Selbstverwaltungsorganen ihrer Gemeinden. Es fiel dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz (1868) schwer, die Industriellen und Kaufleute der Industriestädte zu Spenden für die Universität Bonn anlässlich ihres 50. Jubiläums zu überreden; das war nicht ihre Welt. Aber als Presbyter oder Kirchmeister waren sie freiwillig tätig, für den Ausbau ihrer Kirchen...


Prof. Dr. Gisela Trommsdorff, Universität Konstanz und Forschungsprofessorin am DIW Berlin. Wolfgang R. Assmann ist Rechtsanwalt und Mediator.

Prof. Dr. Gisela Trommsdorff, Universität Konstanz und Forschungsprofessorin am DIW Berlin. Wolfgang R. Assmann ist Rechtsanwalt und Mediator.


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