Tulman | Mit der Kraft zu lieben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 450 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 210 mm, Gewicht: 640 g

Reihe: Lindemanns Bibliothek

Tulman Mit der Kraft zu lieben

Der Lebensweg des sogenannten "roten Rabbiners" David Victor Tulman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-88190-976-1
Verlag: Lindemanns VERLAG & AGENTUR
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Der Lebensweg des sogenannten "roten Rabbiners" David Victor Tulman

E-Book, Deutsch, Band 1, 450 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 210 mm, Gewicht: 640 g

Reihe: Lindemanns Bibliothek

ISBN: 978-3-88190-976-1
Verlag: Lindemanns VERLAG & AGENTUR
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die außergewöhnliche Autobiografie David Tulmans beschreibt ein Leben zwischen
kabbalistischer Mystik, sozialer Revolution und persönlicher Sinnsuche in den Wirren
des 20. Jahrhunderts, in der k.u.k. Monarchie, dem Spanischen Bürgerkrieg, den NS-
Vernichtungslagern und dem neuen Staat Israel. Ungarn, Deutschland, Frankreich,
Spanien, Israel – das sind die Stationen einer bedingungslosen Suche nach Mensch-
lichkeit und Toleranz in einer bedrohlichen Zeit. Das Leben des Rabbiners und Kantors
David Tulman fasst die Vielfalt und Tragik des jüdischen Schicksals in leuchtende und
eindrucksvolle Bilder und zeichnet einen Weg des Lichts zu den “Messianischen Zei-
ten” der religiösen Verbrüderung. Beeindruckend ist dabei vor allem auch die Sprache,
die in schlichten, archaisch anmutenden Sätzen eine einzigartige Existenz vor uns
hinstellt, in der sich die orthodoxe Glaubensbegeisterung mit der Neugier auf die Welt
verbindet. Ein unzeitgemäßes, ein bedeutendes Buch.

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Weitere Infos & Material


Das erste Buch Bei Vater und Mutter Meiner Eltern Liebe war immer mit mir bei meinem lan- gen Wandern. Die Strenge meines Vaters und die Innigkeit meiner Mutter haben mich geformt, behütet und durch die Schrecken der Welt geführt. Sie gaben mir die Kraft, immer neu das Licht hinter der Dunkelheit zu suchen und so zu immer neuen Erkenntnissen zu gelangen. Sie gaben mir die Kraft zu lieben. Ich danke ihnen mit meiner ganzen Seele dafür. Ein alter hebräischer Text sagt: “Liebe alles, was um dich ist, denn es ist so geschaffen wie du selbst”, das heißt, liebe die Menschen, die um dich sind, liebe die Tiere, liebe die Pflanzen und liebe die Erde. Sind wir nicht alle aus ihrem Staub erschaffen? Kurtakeszi Ja, etwas entsinnt sich in mir an alles, was in meinem Elternhaus geschah. Schon ab meinem fünften Lebensjahr wird es ganz deutlich. Es war in Kurtakeszi, im ersten Dörfchen meiner Erinnerungen, die nun zu lebendigen Bildern unseres Lebens werden. Kurtakeszi war mein “lichtiges Dörfchen”! Im März 1906 war es, als ich eben meine fünf Jahre erreicht hatte. Unsere Familie wohnte in diesem kleinen Dorf zwischen der Donau und dem Fluss Sajó im Kaiserreich Österreich-Ungarn. Seither haben sich Grenzen und Namen mancher Ortschaften hier geändert, was mir melancholische Gedanken kommen lässt. Meine Eltern stammten aus Russland, sie waren vor den dortigen Pogromen bis nach Ungarn geflohen und hatten auch hier schon manchen Ort wechseln müssen, denn wir waren Juden und mein Vater sogar ein Rabbiner. Vor den Menschen war er ein sehr armer Rabbiner, aber ich bin sicher, so es einen Gott gibt, war er vor Ihm reich und prachtvoll in seiner großen Andacht. Und wenn Gott Liebe verteilt, so waren meine Eltern fürstlich beschenkt; so fühlte ich es. Unser kleines Haus auf Erden hatte ein dickes und dichtes Strohdach und war von außen wie von innen ganz weiß getüncht, aber seine Deckenbalken und Fensterrahmen waren von der Zeit und dem Rauch fast schwarz geworden, und unsere Füße liefen auf dem festgestampften Lehm der Erde. In unserem kleinen Haus war es aber warm, war es heimelig von Liebe. Der “kleine David”, das war ich, saß schon am Tisch seines Vaters von morgens früh bis abends spät und studierte die heiligen Schriften, natürlich in Hebräisch, welches ich schon fließend lesen und sprechen konnte. Woran ich mich nicht entsinnen kann, ist, das Alphabet gelernt zu haben, mir war, als hätte ich es immer gekannt. Als Sohn eines chassidischen Rabbiners wurden meine Haare an den Schläfen nicht geschnitten: das waren die “Päis”, geformt als zwei lange Ringellocken. Sonst hatte ich blonde Haare, blaue Augen, schon breite Schultern für mein Alter und der Rücken blieb mir gerade, trotz des frühen vertieften Studiums. Alles geschah ja bei uns “im Dienste für Gott”! So war es in unsere Seelen eingeschrieben und das gab sehr viel Kraft. Nun kam Vater, der Rabbiner, von seiner Wanderung durch die weit zerstreute Gemeinde zurück. Er war ein großer, schöner Mann und Träger eines prachtvollen Bartes. Meine Schwestern und ich waren der Meinung, dass Vaters Bart von seinem Munde wie ein Strom der Gottesweisheit floss. Mit Würde trug er einen kräftigen Stock mit sich, wir Kinder dachten: “So wie Moses”. Sein schwarzer Kaftan und sein großer Hut mit breiter Krempe ließen ihn noch imposanter erscheinen. Ja, unter dem Hut trug Vater noch “die kleine Kalotte”, um niemals barhäuptig zu sein, denn es steht geschrieben: “Der Hohe Priester entblößt nicht sein Haupt.” Die schwarze Farbe unserer Kleidung, das wusste ich schon damals, ist das Zeichen, dass wir Juden noch immer um die Zerstörung der zwei gewaltigen Tempel des Königs Salomon und des Königs Herodes in Jerusalem trauern. Dies ist nun schon zweitausend Jahre her, aber wir vergessen es nie. Vaters Erscheinung bewegte mich immer mit Verehrung und Bewunderung, denn diese ganze jüdische Vergangenheit war in ihm lebendig, und ich, ich sehnte mich, alles von ihm zu lernen. Vater sagte: “Es muss so tief in dich hinein dringen, dass Gott selbst sagt: Du bist ein Jude.” So erklärte Vater mir das Lernen der heiligen Schriften. Jetzt aber fragte seine klare Stimme mich: “Nun, David, wo bist du angelangt?” Ich drückte meinen Finger so stark auf die Linie im heiligen Buch, dass mein ganzer Eifer in ihn hinein rutschte. “Hier Vater!” Da geschah etwas sehr Unbegreifliches, ja Erschreckendes, es fiel nämlich vom Himmel auf mein Buch eine kleine Silbermünze. “Du hast mit Fleiß Gott gedient – und siehe, David, Er belohnt dich dafür”. Es wurde mir heiß und kalt in abwechselnden Schauern. Meine Freude, Gott zu dienen, mir seine Liebe zu erwerben, sollte zu diesem Silberstück zusammenschmelzen? Mein ganzes Wesen schüttelte sich, als wollte es diesen Gedanken abwerfen: Nein, niemals rühre ich dieses Geld an! Ich hasste es. Ich wollte es vom Tisch stoßen. Aber glücklicherweise, meine Augen sind sehr flink, hatte ich bemerkt, dass es Vater war, der wie ein Zauberer die Münze vom Deckenbalken herunterfallen ließ. Ja, ich hatte es gut gesehen und gefühlt. Es war nicht Gott gewesen! Wie konnte ich aber dies behaupten? Und wie konnte ich es vor Vater sagen, dass ich alles bemerkt hatte und dass ich die Münze nicht haben wollte? In meiner Verzweiflung brach ich schließlich in einen Tränenstrom aus. “Papa! Papa, ich will kein Geld haben. Gott hat mich viel besser lieb!” Darauf wurde es still. Ich musste auch schnell meine Nase putzen, damit es nicht auf das heilige Buch rann, derweil schien es mir, ging mein Schluchzen bis zum Allmächtigen hinauf. Ja, und Er nickte mir gütig zu und sagte: “Du hast Recht, David!” Vaters Hand legte sich sanft auf mein Haar, seine starke Liebe glitt in mich hinein, bis in das Allertiefste meiner Seele. Wie war ich glücklich! Meine Augen voller Tränen schauten zu Vater auf und unsere Blicke begegneten sich, ja begegneten sich in jener Welt, wo man Gottes Liebe sucht, in dieser stillen, gewaltigen Welt, wo man Ihm begegnen kann. “Nimm die Münze, David, sie war für dich bestimmt und mache dir eine Freude damit”. Vater nickte mir gütig und froh zu. Ich wischte sorgsam die Tränentropfen vom offenen Buch, die Welt wurde hell, sogar sehr leuchtend schön! Unsere Welt! Vater nahm wieder seinen Platz an unserem gemeinsamen Studiertisch ein. So war es in Kurtakeszi, meinem “lichtigen Dörfchen”. Unsere Mutter saß draußen vor der Tür unter dem Himmel des Allmächtigen und arbeitete, wie immer, für uns alle. Plötzlich wusste ich, was zu tun sei, rannte zu ihr, um ihr die Münze in die Hände zu legen. “Mamme, behalte du sie! Wenn noch mehr herunterfallen, können wir Schuhe zum Winter kaufen!” Aber niemals ist wieder ein Geldstück vom Himmel gefallen. Doch der große Reichtum der heiligen Schriften, er fiel tief in meine Kinderseele hinein. Dieser Reichtum wurde zu meinem unverlierbaren Schatz und Schutz während des langen Wanderns durch die Wüsten der Welt. Unser Leben Wenn es Winter war, sahen die etwa hundert verstreuten Häuschen von Kurtakeszi aus, als hätten sie große Kapuzen von di-ckem Schnee über ihre Gesichter gezogen; man konnte kaum mehr aus den Fenstern sehen und der Wind draußen heulte, manchmal waren es auch die Hunde, die heulten, und Vater gab ihnen dann ein Stück von unserem Brot. Aber im Sommer wurde alles wieder tüchtig grün und herrliche Blumen gab es überall; die waren ebenso kräftig und lustig wie die Bauern. Wie möchte ich doch gut beschreiben, wie alles hier war, begann doch meine Lebensreise hier, in meinem süßen Dörfchen. Eine wirkliche Straße begann erst vor der Kirche, es stand rechts das Haus des Geistlichen und die christliche Schule. Dann kam das christliche Wirtshaus mit seinem kleinen Bazar und genau gegenüber war der kleine jüdische Bazar mit seiner Herberge. Wir waren vielleicht fünfundzwanzig jüdische Familien im Dorf und unser Synagögchen war nur durch einen sehr großen Hof von der jüdischen Herberge getrennt. Dann kam unser Haus, und wenn ich an Vaters Studiertisch saß, suchten meine Augen oft die Sonne in diesem riesigen Hof. Da man zur Synagoge am Sabbat zu Fuß gehen muss, war ganz logischerweise das jüdische Leben um sie herum gruppiert. Nur unsere Schule stand hinter der Kirche auf einem kleinen Hügelchen, recht einsam. Vater gefiel das, er sagte: “Zum Lernen muss man Ruhe haben.” Denn auf dieser einzigen Straße hielten die Bauern mit ihren Gespannen an, gerade zwischen den beiden Wirtshäusern, tranken einen guten Schluck Wein, erzählten sich Schwänke und alle Neuigkeiten und man lachte laut von Herzen darüber. Sie waren nicht bösartig, aber wenn ich vorüberging, versuchten sie mich zu erwischen, um an meinen Päis zu ziehen, das amüsierte sie sehr, aber mich beschämte es zutiefst und dann riefen sie “Kleiner Jud! Kleiner Jud!” hinter mir her. Und eines Tages geschah es, dass Vater mich bei der Hand nahm und sagte: “David, du bist nun ein großer Junge geworden, es ist an der Zeit, zur Schule zu gehen, damit du das weltliche Wissen erlernst!” Und der Weg führte natürlich zwischen der christlichen und der jüdischen Herberge vorbei. Eigenartig war, dass ich nicht versuchte, mich auf der jüdischen Seite der Straße zu halten, da, wo auch unser Bazar war. Nein! Ich ging immer genau in der Mitte, besser gesagt, ich rannte. In der Schule fand ich andere jüdische Jungen, aber sie trugen kein Päis wie ich, was mir bei ihnen zu einem gewissen Respekt verhalf, worauf ich sehr stolz war. Die größeren Jungen flüsterten untereinander:...



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