Twain / Heine Der gefeierte Springfrosch von Calaveras County
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8438-0485-1
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Klassiker der Weltliteratur
ISBN: 978-3-8438-0485-1
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In dieser Auswahl der besten Mark Twain Kurzgeschichten zeigt der Altmeister immer wieder, dass der Wilde Westen abseits aller Klischees auch eine sehr komische Seite hat. Twain, der als Vater der amerikanischen Literatur" bezeichnet wird, erzählt hier über Greenhorns und Aufschneider, Leichenbestatter und Kannibalismus. Er erklärt, wie man eine Erkältung kuriert und warum Lügen eine Kunst ist und fällt in seinem berühmten Aufsatz ein vernichtendes Urteil über die ›furchtbare deutsche Sprache‹, die sich angeblich jeglichem gesunden Menschverstand widersetzt. Mark Twain besitzt einen scharfen, intelligenten aber auch liebevollen Blick für die Eigentümlichkeiten seiner Mitmenschen. Sein trockener Humor und seine süffisante Sprache machen die Geschichten so zu dem was sie sind: komisch, kurzweilig, zeitlos.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
DER GEFEIERTE SPRINGFROSCH VON CALAVERAS COUNTY
UNTERHALTUNG MIT EINEM LEICHENBESTATTER
DIE GEFÄHRLICHKEIT, IM BETT ZU LIEGEN
ÜBER DEN VERFALL DER KUNST DES LÜGENS
DIE 1 000 000-PFUND-BANKNOTE
DIE FURCHTBARE DEUTSCHE SPRACHE
WIE MAN EINE GESCHICHTE ERZÄHLT
DER GESTOHLENE WEISSE ELEFANT
DAS 30 000-$-VERMÄCHTNIS
WIE MAN EINE ERKÄLTUNG KURIERT
KANNIBALISMUS IN DER EISENBAHN
GELEHRSAME FABELN FÜR NACHDENKLICHE GEMÜTER
EDITORISCHE NOTIZ
DER GEFEIERTE SPRINGFROSCH VON
CALAVERAS COUNTY
Aufgrund des Wunsches eines Freundes, der mir aus dem Osten geschrieben hatte, wandte ich mich an den gutmütigen, schwatzhaften alten Simon Wheeler und erkundigte mich auftragsgemäß nach dem Freund meines Freundes, Leonidas W. Smiley; das Ergebnis möchte ich hier niederlegen. Ich habe einen geheimen Verdacht, daß Leonidas W. Smiley ein reiner Mythos ist; daß mein Freund eine solche Person nie kannte; und daß er lediglich davon ausging, daß, sollte ich den alten Wheeler dazu befragen, dieser an den berüchtigten Jim Smiley denken und sich in der Folge daran machen würde, mich mit einigen weitschweifigsten Erinnerungen zu Tode zu langweilen, die nicht nur langwierig und öde sondern auch völlig nutzlos für mich sein würden. Sollte das sein Plan gewesen sein, so hatte er Erfolg. Ich fand Simon Wheeler in der heruntergekommenen Taverne der verfallenen Bergarbeitersiedlung Angel’s Camp gemütlich neben dem Ofen der Bar dösend vor, und mir fiel auf, daß er glatzköpfig und dick und seine ruhige Erscheinung von angenehmer Freundlichkeit und Einfachheit geprägt war. Er erhob sich und begrüßte mich. Ich erklärte ihm, daß ein Freund mich darum gebeten hatte, einige Ermittlungen bezüglich eines alten, schwer vermißten Freundes aus Kindheitstagen namens Leonidas W. Smiley anzustellen, mittlerweile bekannt als Reverend Leonidas W. Smiley, eines Priesters, von dem er gehört habe, daß er irgendwann im Angel’s Camp ansässig gewesen sei. Ich fügte hinzu, daß ich mich ihm, Mr. Wheeler, sollte er mir hierzu Auskunft geben können, ausgesprochen verpflichtet fühlen würde. Simon Wheeler drängte mich in eine ruhige Ecke und versperrte mir mit seinem Stuhl den Fluchtweg, setzte sich und spulte den monotonen Monolog ab, der diesem Abschnitt folgt. Er lächelte kein einziges Mal, noch runzelte er die Stirn, seine Stimme blieb stets demselben freundlichen leisen Ton treu, den schon der erste Satz aufgewiesen hatte, und nicht einmal ließ er die geringste Spur von Begeisterung erkennen; doch die ganze nicht enden wollende Geschichte war durchsetzt mit einer beeindruckenden Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit, die mir bewies, daß er an der Erzählung so gar nichts Lustiges oder Lächerliches finden konnte, daß er sie vielmehr als wirklich wichtiges Ereignis und die beiden Helden als Männer der transzendentalsten, genialsten Finesse betrachtete. »Reverend Leonidas W. – hmmmm … Reverend Le … Moment, es gab da mal einen, der hieß aber Jim Smiley, das war im Winter ’49 – oder vielleicht auch im Frühjahr ’50 –, ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber weshalb ich glaube, daß es irgendwann um diese Zeit herum gewesen sein muß, ist, weil ich mich deutlich erinnere, daß die große Rutsche noch nicht fertig war, als er das Camp erreichte; aber egal, er war jedenfalls der seltsamste Kerl, immer am Wetten, egal um was es ging, wenn er nur einen fand, der auf das Gegenteil wettete; und wenn er keinen fand, dann nahm er eben die Gegenposition ein. Wie es dem anderen paßte, so paßte es auch ihm – wenn er nur eine Wette abschließen konnte, dann war er schon zufrieden. Aber er hatte dennoch Glück, und zwar außergewöhnlich viel davon; er gewann fast immer. Er war stets bereit, ein Risiko einzugehen; es gab wohl nicht eine einzige Sache, auf die er nicht zu wetten gewillt war, und er schlug sich einfach auf die Seite, die der andere nicht haben wollte, wie ich schon sagte. Gab es zum Beispiel ein Pferderennen, dann war er am Ende entweder reich oder bankrott; bei jedem Hunderennen schloß er Wetten ab; selbst ein Katzenrennen hätte ihm gereicht; jedes Hühnerrennen kam ihm recht; ach was: Wenn zwei Vögel auf einem Zaun saßen, dann wettete er mit jedem, der sich darauf einließ, welcher der beiden zuerst losfliegen würde; bei unseren Camp-Zusammentreffen wettete er meist auf Parson Walker, den er als den geschicktesten Ermahner betrachtete, und das war er auch, ein guter Kerl. Wenn er einen Mistkäfer beim Krabbeln beobachtete, dann wettete er, wie lange es dauern würde, bis er sein Ziel erreiche, wo auch immer er gerade hinmarschierte, und wenn sich einer darauf einließ, dann wäre er dem Käfer bis nach Mexiko gefolgt, nur um herauszufinden, wo er hinwollte und wie lange er dazu brauchte. Viele der Jungs hier kannten Smiley und könnten dir von ihm erzählen. Na, ihm war es jedenfalls egal – er hätte auf alles mögliche gewettet, der verrückte Kerl. Parson Walkers Frau war mal sehr krank, und eine Weile lang schien es, als könnte man sie nicht mehr retten; aber eines Morgens kam er herein, und Smiley fragte ihn, wie es ihr gehe, und er gab zurück, daß es viel besser um sie stünde – dem Herrn sei Dank für seine grenzenlose Güte – und daß sie mit etwas Glück wahrscheinlich wieder ganz gesunden würde; und Smiley sagte ohne nachzudenken: »Na, ich wette 2 zu 1, daß sie’s nicht schafft.« Smiley hatte ein altes Roß – die Jungs nannten sie die 15-Minuten-Mähre, aber das war nur Spaß, denn natürlich war sie viel schneller, weißt du –, und er gewann häufig Geld mit ihr, obwohl sie so langsam war und immer Asthma hatte oder schlechter Laune war, oder die Schwindsucht oder irgendsowas. Sie gaben ihr immer 200 oder 300 m Vorsprung; aber gegen Ende des Rennens wurde sie immer so aufgeregt und trotzig, daß sie wie von Furien gejagt scheute und zu rennen begann, und ihre Beine waren überall, meistens in der Luft und manchmal außerhalb des Zaunes, und sie wirbelte einen Mordsstaub auf und machte vor lauter Husten und Niesen und Schneuzen einen Heidenlärm – und jedesmal erreichte sie um Nasenlänge als Erste das Ziel, das war schon ganz erstaunlich. Und er hatte auch diesen kleinen Bullterrier, der so aussah, als wäre er keinen Pfennig wert und würde allerhöchstens darauf lauern, etwas klauen zu können. Aber sobald man Geld auf ihn gewettet hatte, verwandelte er sich in einen anderen Hund; sein Unterkiefer stand hervor wie das Vorderdeck eines Dampfschiffs, und er bleckte seine Zähne wie Messer. Und wenn ein anderer Hund ihn angriff und am Kragen packte und biß und zwei- dreimal über die Schulter warf, dann tat Andrew Jackson – so hieß der Hund –, dann tat also Andrew Jackson immer so, als wäre ihm das nur zu recht, als hätte er gar nichts anderes erwartet, und die Wetten verdoppelten und verdoppelten sich, bis keiner mehr Geld zum Setzen hatte; und dann plötzlich packte er den anderen Hund an seinen Hinterbeinen und biß sich fest – er kaute nicht etwa dran herum, nein, er biß sich fest und blieb dran hängen, bis der andere Hund nicht mehr konnte, und das war’s! Andrew Jackson war immer der Sieger, bis er eines Tages auf einen Hund traf, der keine Hinterbeine hatte, weil die in eine Kreissäge geraten waren, und als die ganze Sache lange genug gelaufen war und keiner mehr Geld zum Wetten hatte und er seinen üblichen Klammerbiß anwenden wollte, da sah er gleich, daß man ihn übertölpelt hatte, und wie der andere Hund ihn sozusagen am Schlafittchen hatte, und er sah ziemlich überrascht aus und auch ein bißchen entmutigt und versuchte dann auch gar nicht mehr, den Kampf zu gewinnen, und so wurde er übel zugerichtet. Er sah Smiley traurig an, als sei sein Herz gebrochen, und es war alles sein Fehler, weil er ihn gegen einen Hund hatte antreten lassen, der keine Hinterbeine hatte, weshalb er seinen Biß nicht anwenden konnte, was doch schließlich sein wichtigster Trick war, um einen Kampf zu gewinnen, und dann humpelte er weg und legte sich hin und starb. Ja, das war schon ein guter Hund, der Andrew Jackson, und er wäre sicher berühmt geworden, wenn er nur lange genug gelebt hätte, denn er hatte Mut und war klug – ich weiß das, denn er hatte eigentlich keine Chance, und es ist nicht zu erklären, wie ein Hund so erbittert hätte kämpfen können, wenn er kein Talent gehabt hätte. Ach, mir wird immer ganz schwer ums Herz, wenn ich an den letzten Kampf denke und daran, wie er ausging. Naja, der Smiley hatte jedenfalls Terrier und Kampfhähne und Kater und alle möglichen Viecher, was man sich nur vorstellen kann, und man konnte nichts finden, auf das er nicht wetten wollte. Eines Tages fing er einen Frosch und nahm ihn mit nach Hause und sagte, er würde ihn zähmen; und dann tat er drei Monate nichts anderes, als in seinem Hinterhof zu sitzen und den Frosch das Hüpfen zu lehren. Und du kannst deinen Kopf drauf wetten, daß ihm das auch gelang. Er schubste das Hinterteil des Frosches ein bißchen an, und im nächsten Moment flog der auch schon durch die Luft wie ein Ball – er machte einen Salto, manchmal auch zwei, wenn er guten Anlauf hatte, und dann landete er sicher auf allen Beinchen, genau wie ’ne Katze. Er brachte ihm das Fliegenfangen bei, und zwar so gut, daß der Frosch jede Fliege erwischte, die er sehen konnte. Smiley sagte, der Frosch wolle nichts als eine gute Ausbildung, und dann könne er fast alles erreichen – und ich glaube ihm. Na, ich habe doch mit eigenen Augen gesehen, wie er Dan’l...