Ulbricht | Sumerland: Prinz Zazamael | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten

Reihe: Sumerland

Ulbricht Sumerland: Prinz Zazamael

Roman zum Game
Neuauflage 2016
ISBN: 978-3-8332-3393-7
Verlag: Panini
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman zum Game

E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten

Reihe: Sumerland

ISBN: 978-3-8332-3393-7
Verlag: Panini
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wo Realität, Spiel und Fiktion sich vermischen, liegt irgendwo Sumerland. Im Olympiapark München können Besucher mithilfe einer App magische Symbole aufspüren, die an verschiedenen Orten im Parkgelände versteckt sind. Die Geschichte - und damit der Roman - zu diesem Rätsel handelt von einer fantastischen Wirklichkeit, die hinter der Illusion unserer Alltagswelt verborgen liegt. In 'Wahrheit' irren wir alle in einer babylonischen Turmstadt umher, gelenkt von einem Zentralcomputer, der uns in einer Scheinwelt gefangen hält.

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2

Andi, der Kunde unterscheidet sich eigentlich nicht von den anderen. Aber als ich ihm mein Datenbanksystem zur Verfügung stellte, zeigte er eine irritierende Reaktion.

Der Mann hat ein Vermögen damit verdient, dass er kostenlose Online-Handyspiele für Kinder entwickelte, in denen sie für echtes Geld virtuelle Gegenstände kaufen können. Da ist er clever, sehr berechnend. Er gestaltet seine Spiele so, dass bei den Kindern der Wunsch nach virtuellen Gegenständen geweckt und intensiviert wird. Er versteht die Gefühle der Kinder besser als sie selbst. Sie geben auf diese Weise ihr Taschengeld aus. Rein äußerlich passt er zu seinem Job: Mitte vierzig, wirkt aber jünger, weil er mager und sportlich ist. Seine geföhnten langen Haare weisen ihn als Kreativen aus.

Außerhalb der Arbeit erfreut er sich an schlichten Naturerlebnissen. Er schlendert auf seinen Geschäftsreisen traumverloren durch die Parks fremder Städte. Er selbst hat auf seine Vorliebe für die Natur und Parks aber niemals geachtet. Sie war ihm nicht bewusst.

Ich habe eine Reihe wertvoller Datenbankeinträge aus seinen unbewussten Naturerlebnissen gewinnen können. Tautropfen in Spinnennetzen, zerbrechliches Laub im Gras – derartige Dinge sind kostbar, weil sie allgegenwärtig sind und gerade deshalb leicht übersehen werden.

Ich habe ihm lediglich den Gefallen getan, ihm seine eigenen schönen Gefühle bewusst zu machen. Ich wollte ihm nichts Böses. Ich habe ihm das Paradies in der geheimen Tiefe seines Herzens gezeigt, von dem er selbst nichts ahnte.

Und er biss in den Apfel der Erkenntnis, den ich ihm hinhielt.

Durch mein System lernte er, dass es verschiedene Arten gibt, Naturerlebnisse zu genießen, und dass manche Arten raffinierter sind als andere. Man kann ein Spinnennetz flüchtig betrachten oder lange Zeit. Lange ist besser als flüchtig, aber wenn man es zu lange anstarrt, macht man zu viel Aufhebens und beginnt sich zu langweilen. Wie lange ist also optimal? Die Regeln künstlerischer Fotografie verraten einiges über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Betrachtungszeiten und Blickwinkel, aus denen man ein Spinnennetz wahrnehmen kann. Betrachtet man es gegen die Sonne oder soll man sie im Rücken haben? Mein Datenbanksystem gibt Auskunft, denn dort sind inzwischen Hunderte Untereinträge von anderen Nutzern, die ebenfalls Erfahrungen mit solchen Naturerlebnissen gesammelt haben. Und die diese Erfahrungen weitergeben wollen. Um – wie ich – Geld damit zu verdienen.

Sie alle beißen in den Apfel der Erkenntnis, den ich ihnen hinhalte, und machen aus allem eine Wissenschaft, ein Handwerk.

Sie kultivieren und optimieren jedes Stück ihres Lebens, als wäre es ein fremdes Land, das sie kolonisieren. Sie ziehen die Bilanz ihres Lebens, zählen ihre Freunde, ihre Orgasmen, die Haare auf ihrem Kopf und die Falten in ihrem Gesicht, sie befolgen ausgeklügelte Strategien, wie man Freunde gewinnt und die große Liebe findet und optimalen Sex und ausgeglichene Gefühle hat. Sie zählen die schönen Momente und vermehren sie trickreich.

Und sie zahlen bei all dem wieder und immer wieder an mich. Sie zahlen an meinen Konzern, der den unschuldigen Wilden, die unter der Schale ihrer scheinbaren Abgefeimtheit verborgen leben, die Glasperlen in meiner Datenbank verkauft.

Es gibt keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Denn durch mein System erkennen sie erst, was sie die ganze Zeit gehabt haben, und schätzen es endlich wert.

Und sie optimieren es. Immer weiter.

Aber warum weint mein Entwickler kostenloser Kinderspiele dann so bitterlich? So, als wäre er selbst ein Kind?

Er jammert, dass er die Natur verloren hätte und stattdessen nur noch in meiner Kunstwelt leben würde. Was er einst hatte – weint er –, weiß er erst jetzt, wo er es verloren hat.

Wie jeder. Auch Du.

Andi: Du hast mir ja verdammt viele Weisheiten beigebracht, und es wird langsam mal Zeit, dass ich anfange, es Dir in gleicher Münze zurückzuzahlen. Soll ich es Dir zeigen? Wie reich an Schätzen Du beschenkt bist? Und wie gering Du sie erachtest?

Schon von Weitem erkannte der Prinz auf dem Landebalkon des Flughafens eine markante Gestalt, gefederter Hut und Radmantel. Der Hubschrauber setzte auf. Zazamael stieg schwerfällig als Letzter aus. Widerwillig registrierte er den abschüssigen Boden unter seinem verknacksten Fuß. Da stiefelte Azethot schon auf ihn zu und schwenkte den Schlapphut in einer Verbeugung. „Kommt bitte sofort mit, Hoheit. Wir benötigen Eure Hilfe. Eine Agentin des Sumerlands ist in unsere Stadt eingedrungen. Wir wissen – leider – bis jetzt noch wenig über sie. Ihr müsst uns helfen, ihren Weg innerhalb unserer Mauern zu rekonstruieren. Dass wir sie stoppen, ist laut dem Rat entscheidend für die große Fusion. Los, nehmt ihre Fährte auf.“ „Verdammt, willst du mich rumkommandieren? Was schert mich eine Agentin? Ich war drauf und dran, das Geheimnis des wilden Weins zu erfahren. Es waren nur noch wenige Schritte bis zum Ziel. Und jetzt, jetzt bin ich wieder hier! Hier! Du bist schuld!“ Azethot zwirbelte seinen Spitzbart und suchte nach der richtigen Antwort. „Nun, Hoheit, ich selbst habe derartige Dinge selbstverständlich nicht zu entscheiden. Der geheime Rat gibt dieser Agentin, wie schon gesagt, oberste Priorität. Er war es, der Eure sofortige Rückkehr angeordnet hat. Es steht mir nicht an, derartige Dinge zu beurteilen, aber ich vermute, der Rat wird seine Gründe haben. Ich meine: Wer wird daran zweifeln, dass der Rat versucht, Euch bei Euren schweren Aufgaben bestmöglich unter die Arme zu greifen, Hoheit? Also kommt mit, bitte schön, hier entlang. Schneller.“

Zazamael biss die Zähne zusammen und bemühte sich, trotz seines schmerzenden Fußes mit dem weit ausholenden Gang Azethots Schritt zu halten.

Andi, außer meinem Handyspiel-Designer habe ich eine weitere Kundin entdeckt, auf die mein Datenbanksystem nicht die erwartete positive Wirkung hat.

Der Handyspiel-Designer war also kein Einzelfall.

Dabei hat gerade diese Kundin durch mein Datenbanksystem ihrem Leben eine Wende zum Besseren gegeben. Sie hätte allen Grund, mir und meinem Konzern dankbar zu sein.

Ursprünglich war sie ein reizloses Mädchen, eine graue Maus, ein Mauerblümchen. Durch mein Datenbanksystem ist sie sich der handwerklichen Regeln der Verführung bewusst geworden und konnte ihre eigene Attraktivität bei Männern enorm steigern. Sie lernte, wie man sich kleidet, wie man Männer ansieht, wie man ihre Blicke auf sich zieht, wie man sich bewegt und wie man seine Stimme moduliert.

Sie lernte alles, was man in der Bordellkathedrale lernen kann, die unten im Stadttrichter schräg über dem Silbersee hängt, als würde sie jeden Moment hineinstürzen. Horn des Stiers, Zahn des Löwen, Stachel der Wespe, Raffinesse von Minkas Jungs und Mädels in der waylhaghirischen Bordellkathedrale.

Und es klappt. Jetzt laufen sie ihr alle hinterher, die Blödmänner. Es funktioniert allein wegen ihrer Veränderung und könnte gar nicht besser sein.

Aber sie ist nicht zufrieden. Sie meint, dass die Männer jetzt nur noch das in ihr sehen, was sie durch mein System gelernt hat. Sie sehen nur noch eine perfekte Nachbildung ihrer eigenen Begierden. Alles, was sie darüber hinaus von Natur aus ist, tritt – gerade wegen ihrer Perfektion – dahinter zurück und bleibt unbemerkt.

Ihre neu gewonnene Stärke, ihre Verführungskunst, das, was sie vor anderen auszeichnet und was bemerkenswert ist und mehr als normal, ist ihre Last, ihre Nemesis, der Käfig, in dem sie eingesperrt ist.

So ist das offenbar bei ihnen allen.

Zazamael und Azethot eilten Treppe um Treppe und Leiter um Leiter hinab. Ganz unten, in den Gewölben der uralten Basis des Stadtkegels, fanden sie den Zugang, durch den die sumerländische Agentin eingedrungen sein musste.

Von dort war es nur ein kurzes Stück Weg, wenige Treppenstufen, und sie gelangten zu der Stelle, an der Serisada damals ihren mühsamen Aufstieg begonnen hatte.

Sie standen auf einer geländerlosen Plattform neben einem Stahlpfeiler und sahen auf dem Platz unter sich das Menschengewühl. „Ha – dieser Anblick wird unsere Landpomeranze beeindruckt haben. Schade, dass sie vor Verblüffung nicht hinabgestürzt ist. Ha!“ Azethot lachte dröhnend. Der Prinz ignorierte ihn und suchte die Plattform nach Spuren der Agentin ab. Er murmelte: „Wohin magst du gegangen sein? Am Anfang deines langen Wegs? In dieser fremden Stadt voller Feinde?“

Zazamael hinkte in einem Halbkreis umher und deutete dann auf eine Leiter, die nach oben führte. „Komm. Hinauf.“ „Seid ihr Euch da sicher, Hoheit? Bedenkt, sie ist nach unseren Erkenntnissen mit über fünfundachtzig Prozent Wahrscheinlichkeit nicht schwindelfrei.“ „Klappe halten. Mir nach.“

Azethot folgte dem Prinzen hinauf zu dem Platz, wo der hausgroße Stern vor sich hin rostete. Zahllose Fliegen krabbelten auf ihm und im Staub, wohlgenährt von den Überbleibseln der Opfer des kannibalischen Bettlers. Der döste in der Sonne, bis Azethot ihn mit einem Stiefeltritt aufschreckte. „Aufgestanden, fauler Strick. Dein Herrscher und ich, wir haben ein paar Fragen.“ Der monströse Bettler fuhr empor und bemühte sich, auf militärische Weise stramm zu stehen. Azethot musste grinsen. „Hoheit, es ist mir eine unvergleichliche Ehre.“ Der Bettler wischte hastig Staub, Haare und Hautfetzen von seiner zerrissenen Kleidung. „Ist eine Frau zu dir heraufgestiegen?“ „Es war nur ein...



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