E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Upperman Wir haben gedacht, es wäre für immer
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-32703-3
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein hoch emotionaler und romantischer Roman, perfekt für Fans von Laura Nowlins »If He Had Been with Me«
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
ISBN: 978-3-641-32703-3
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lia und Beck. Beck und Lia. Obwohl das Leben sie immer wieder in die Welt des anderen hinein- und wieder herauskatapultiert, weiß Lia, dass sie füreinander bestimmt sind. Zumindest dachte sie das. Doch als Beck durch eine Tragödie aus dem Leben gerissen wird, bricht für Lia eine Welt zusammen. Wenn es ihr bestimmt war, mit Beck zusammen zu sein, und er nun für immer fort ist, wer ist sie dann eigentlich noch? Und ist in ihrem gebrochenen Herzen noch Platz für das Leben, geschweige denn für eine neue Liebe?
Ergreifend und hoch emotional – eine Geschichte über die Kraft der Liebe und das Finden von Licht in den dunkelsten Momenten.
Katy Upperman ist Absolventin der Washington State University, ehemalige Grundschullehrerin, Ehefrau eines Soldaten und eine unersättliche Leserin. 2019 wurde sie mit dem YAVA Award for Excellence in YA Literature ausgezeichnet. Wenn sie nicht gerade schreibt, backt Katy Schokokekse oder erkundet mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern die Strände Kaliforniens.
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UNWIRTLICH
Siebzehn Jahre alt, Tennessee
»Millie.« Dad nimmt einen seiner Kopfhörer aus dem Ohr und drückt auf seinem Handy auf Pause. Offenbar streamt er wieder einen seiner zahlreichen Geschichtspodcasts. »Komm, wir gehen mit Major Gassi.«
Es ist der Abend vor dem ersten Schultag meines Abschlussjahrs. Wir haben vor einer Stunde zu Abend gegessen und sitzen nun zusammen im Wohnzimmer. Im Fernsehen kämpfen die Kandidaten bei um den Sieg. Ich übertrage meinen Stundenplan, den ich an diesem Morgen per E-Mail von meiner neuen Vertrauenslehrerin bekommen habe, in mein aktuelles Tagebuch und verziere ihn mit Zeichnungen von Linealen, Äpfeln und Füllern. Mom murmelt zerstreut -Antworten – oder wohl eher Fragen –, während sie bügelt. Sie schwankt noch, was sie morgen zu ihrem ersten Tag als Lehrerin an der East River Elementary anziehen soll. Als würden sich ein paar kleine Kinder darum scheren, ob sie zu ihrem Chambray-Blazer eine anthrazitfarbene Stoffhose oder einen schwarzen Rock trägt.
»Ich hole die Leine«, sage ich und lege mein Tagebuch auf den Couchtisch.
Draußen ist es schwül und überall summen und schwirren Insekten. In der Luft dieses Augustabends hängt der Geruch von Barbecue und Heckenkirsche. Dad trägt ein Rakkasans-T-Shirt und Laufshorts mit albernen Flipflops, während ich eine leichte Strickjacke über mein Tanktop und die abgeschnittene Jeans gezogen habe. Meine Füße stecken in Converse, die auch schon bessere Tage gesehen haben.
Wir machen uns auf den Weg um den Block. Dad führt Major an der Leine und schweigt, bis wir zum Freizeitbereich unserer Siedlung kommen, der am südlichen Ende eines Rückhaltebeckens errichtet wurde und aus einem Spielplatz, einem kleinen Hain mit Picknicktischen, ein paar Holzkohlegrills und einem Basketballfeld besteht.
Schließlich gibt er mir einen Stups mit dem Ellbogen und fragt: »Bereit für morgen?«
»Wenn ich Nein sage, lässt du mich dann schwänzen?«
Er wirft mir einen Seitenblick zu und lächelt. »Das hättest du wohl gern.«
»Dann bin ich so bereit, wie es nur geht.«
Er legt mir einen Arm um die Schultern, so wie früher, als alles noch gut war. »Du solltest nachher noch etwas Zeit mit deiner Mutter verbringen. Vielleicht fangt ihr mit dem neuen Puzzle an.«
Solange ich denken kann, lag immer ein unfertiges Puzzle auf dem eigens dafür gedachten Tisch im Esszimmer, egal, wo wir gerade wohnten. Blumenmuster, Landschaften, Katzen mit Hüten, üppig belegte Hamburger, Dornröschens Disneyland-Schloss, alle in tausend Teile zerschnitten. Wir arbeiten zusammen daran, wenn es Familienangelegenheiten zu besprechen gibt, oder auch einzeln, wenn wir gerade Lust darauf haben. Wenn es fertig ist, fangen wir mit einem neuen Tausend-Teile-Puzzle von vorne an.
Wie sinnlos. Die reinste Sisyphusarbeit.
Ich seufze und antworte: »Ich bin müde. Morgen wird ein anstrengender Tag.«
»Gönn ihr wenigstens ein Stündchen.«
»Was, wenn ich nicht will?«
Er zieht an Majors Leine und bleibt stehen. Die Sonne geht bereits unter, aber es ist noch hell genug, dass ich sein sorgenvolles Gesicht bis ins kleinste Detail erkennen kann. »Was ist los zwischen euch?«
Ich denke:
Ich sage: »Nichts.«
Er schüttelt den Kopf. »In all den Jahren hat mich immer der Gedanke beruhigt, dass Mom und du einander habt. Vor allem, wenn ich im Einsatz war. Aber in letzter Zeit redet ihr kaum noch miteinander. Ich kann mich nicht erinnern, wann du sie das letzte Mal umarmt hast.«
Ich auch nicht.
»Ich werde eben erwachsen«, antworte ich. Mein Tonfall gerät etwas zu schnippisch und zwischen Dads Augenbrauen bildet sich eine strenge Falte. »Ich brauche meine Mom nicht mehr für jeden kleinen Handgriff.«
»Mag sein, aber du solltest versuchen, die Beziehungen zu den wichtigsten Menschen in deinem Leben zu pflegen. Momentan scheinst du dir nicht besonders viel Mühe zu geben.«
»Tja, ich hatte nun mal irgendwie andere Dinge im Kopf.« Ich verschränke trotzig die Arme vor der Brust, als würde mein Vater, der seit mehr als zwei Jahrzehnten Army-Offizier ist, meine Defensivhaltung nicht sofort erkennen.
Ein paar Monate nach Becks Beerdigung begab sich Dad auf eine geheimnisvolle Mission.
»Er hat einen Termin in Virginia Beach«, erklärte Mom, als ich nach unten kam und fragte, wo er war. Sie saß auf einem Hocker am Küchentresen und schrieb Unterrichtspläne für ihre Vertretung, die ihre Klasse für den Rest des Schuljahrs übernommen hatte. »Bis zum Abendessen ist er zurück.«
Damals fragte ich mich, warum sie ihn nicht nach Virginia Beach begleitet hatte.
Heute weiß ich, dass sie zu Hause geblieben war, weil sie mich nicht allein lassen wollte. Ich war depressiv, aber nicht auf diese romantisierte Art, wie man sie aus Filmen und Büchern kennt. Ich lebte wie unter einer Wolldecke: gedämpfte Sinne, Gedankenwirrwarr, überschießende und überwältigende Gefühle. Ich war zu angespannt, um still zu sitzen, zu aufgewühlt, um zu schlafen, mal wütend, mal traurig und plötzlich wie fixiert auf meine eigene Sterblichkeit. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie gesund Beck immer gewesen war. Wie lebendig. Wenn sein Herz versagen konnte, wer sagte dann, dass meins bei dem Versuch, das schreckliche Loch zu heilen, das seither darin klaffte, nicht auch unverhofft aussetzen würde?
»Soll ich uns einen Tee kochen?« Mom schob ihre Unterrichtspläne beiseite.
Ich schüttelte den Kopf, wovon mir so schwindelig wurde, dass ich schwankte.
Voller Sorge erkundigte sie sich: »Was hast du heute gefrühstückt?«
Ich konnte mich nicht daran erinnern, etwas gegessen, getrunken oder mich in irgendeiner Weise sportlich betätigt zu haben. Ich wusste nicht mehr, wann ich das letzte Mal länger als zwei Stunden am Stück geschlafen oder die Sonne auf meiner Haut gespürt hatte. Seit Wochen hatte ich mein Tagebuch nicht mehr angerührt, mich nicht mehr geschminkt und auch nicht mehr mit Macy, meiner besten Freundin in Rosebell, gesprochen. Dass ich auf die Textnachrichten von Andi und Anika geantwortet hatte, mit denen ich aus meiner Zeit in Colorado Springs befreundet war, lag sogar noch länger zurück. Meine Eltern bestanden darauf, dass ich zu einer der besten Trauerbegleiterinnen in Northern Virginia ging, und sie unterstützten mich, so gut sie konnten, während sie mit ihrer eigenen Trauer fertig werden mussten, aber mein Freund war tot, und ich war ein Gespenst.
»Cornflakes«, log ich.
Mom stand auf und begann, im Vorratsschrank zu kramen. »Ich mach dir eine Suppe.«
»Ich will keine Suppe.«
»Dann eben einen Smoothie.« Sie holte den Mixer hervor. Teilnahmslos sah ich zu, wie sie eine Banane in Scheiben schnitt und Kokosmilch aus dem Kühlschrank nahm. Anschließend öffnete sie das Gefrierfach und griff nach dem Beutel mit Tiefkühlerdbeeren, der neben sechs Bechern Eiscreme aus einer kleinen, inhabergeführten Eisdiele lag. Gleich darauf schnappte sie hörbar nach Luft und knallte die Gefrierfachtür zu. Die Erdbeeren waren kein Thema mehr.
Langsam drehte sie sich zu mir um, um nachzuschauen, ob ich die verstörende Eiscreme gesehen hatte, und abzuschätzen, ob ich damit klarkommen würde.
Ja, hatte ich, und nein, würde ich nicht.
An dem Tag, an dem das Eis bei uns eintraf, hatte Beck – der es geschickt hatte – aufgehört zu existieren.
Ich sackte zu einem kleinen Häuflein Elend zusammen.
Mom eilte zu mir. Sie zog mich an sich und ich ließ es zu, obwohl wir einander seit der obligatorischen Umarmung bei Becks Trauerfeier nicht mehr berührt hatten.
Ich gebe ihr die Schuld.
Nicht an seinem Tod …
… nein, daran nicht.
Ich gebe ihr die Schuld an dem Schock, dem Gefühlschaos, den unerträglichen Qualen.
Mein Leben lang hat sie mir irgendwas von Seelenverwandtschaft erzählt, davon, dass Beck und ich glücklich bis ans Ende unserer Tage zusammenleben würden. Ich habe meine Bestimmung nie hinterfragt. Nie an meinem Schicksal gezweifelt. Beck gehörte zu mir und ich zu ihm, und mich glauben lassen, das würde bis in alle Ewigkeit so bleiben?
Ich kauerte auf dem Küchenboden und weinte.
Als ich mich schließlich wieder fing, verzichtete Mom auf den Smoothie und backte stattdessen Brownies. Wir aßen sie direkt vom Blech. Sie waren dick und saftig und noch nicht ganz durch, genau, wie ich es mag. Mom hielt tapfer mit mir mit, und so verdrückten wir Brownie um Brownie, während ich mich fragte, ob es mir eines Tages gelingen würde, ihr diese jahrzehntealte Prophezeiung nicht länger vorzuwerfen.
An diesem Abend brachte Dad einen zwölf Wochen alten Pointer-Welpen mit Stummelschwanz, feuchter Nase und viel zu großen Pfoten nach Hause.
Ich taufte ihn Major.
Er war mein Lichtblick in der drückenden Finsternis der letzten Monate.
Zurück im Hier und Jetzt streckt Dad die Hand aus und krault Major am Kopf. Majors Stummelschwanz zuckt begeistert hin und her. Er ist so süß, so voller Liebe. Ich glaube, für Dad bin ich in letzter Zeit das genaue Gegenteil. Um seine Mundwinkel haben sich deutliche Falten gebildet. Silber sprenkelt seine Schläfen – getarnt, aber nicht vollständig überdeckt von seinem gewohnten Sandblond. Sorgenfalten zerfurchen seine Stirn. Als hätte er mit seiner Arbeit, Mom, Connor und Bernie nicht schon genug um die Ohren, bereite ich ihm...