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E-Book, Deutsch, Band 174, 64 Seiten
Reihe: Dorian Hunter - Horror-Serie
Vandis Dorian Hunter 174
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7994-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ränkespiele
E-Book, Deutsch, Band 174, 64 Seiten
Reihe: Dorian Hunter - Horror-Serie
ISBN: 978-3-7517-7994-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schaudernd folgte Warren McCall dem dämonischen Archivar auf ¬einen Hügel, der weithin sichtbar über dem Friedhofsgelände thronte. Auf halber Höhe blieb der Lordkanzler stehen. Zu seinen Füßen gähnte ein schwarzes Loch in der Erde, in dem Warren ein frisch ausgehobenes Grab erkannte. Er zuckte bei dem Gedanken zusammen, dass vielleicht daran gedacht worden war, ihn selbst darin unterzubringen. Zakum erriet den Grund seiner Angst und lächelte schwach. »Glaubst du im Ernst, ich würde mir solche Mühe machen, eine Wolfskatze zu töten?«, fragte er den zitternden Lykanthropen. »Auf dich wartet eine große Aufgabe, Warren!«, fuhr der Archivar fort. »Ich hoffe nur, dass du dich ihrer würdig erweist ...« Immer offener fordert die mächtige Vampirin Rebecca den Erzdämon Luguri heraus. Dessen Lordkanzler Zakum spinnt gleichfalls seine raffinierten Intrigen, und Dorian Hunter und Coco Zamis drohen wie zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben zu werden ...
Autoren/Hrsg.
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1. Kapitel
Zurück blieb das weitgehend zerklüftete Eiland, für das sich seither kein Käufer hatte finden können. Auch der Staat wusste mit dem unwirtlichen Areal nur wenig anzufangen. Als liege ein Fluch über der Insel, hatte jeder Interessent nach einer kurzen Besichtigung des Geländes ohne Angabe von Gründen auf den Kauf verzichtet.
Das Schloss des Grafen verfiel, und auch der Rest des Eilands machte einen öden Eindruck, der den Namen »Paradiesinsel« immer fragwürdiger erscheinen ließ. Bis auf einen winzigen Abschnitt im Westen, in dem sich zwischen hohem Schilf einige Ölbäume auf sumpfigem Untergrund erhoben, gab es nichts als raues, kahles Felsgestein, das nur hin und wieder von kleinen widerstandsfähigen Buschgruppen durchsetzt war.
Etwa zwei Kilometer nordwestlich des Mittelpunkts der Insel fand sich sogar ein kleiner Hügel, in dessen Umkreis jegliche Vegetation verschwunden war. Ein unheimlicher, düsterer Hauch wehte um den niedrigen Höhleneingang, der direkt in das Innere des Hügels führte. Der Pesthauch des Bösen, der die ganze Insel zu einem trostlosen Gelände machte, fand an dieser Stelle seinen Ursprung. Deutlich war der Nachhall einer dämonischen Ausstrahlung zu spüren, die vor langer Zeit der Höhle ihren Stempel aufgedrückt hatte.
Die schwarzhaarige, schlanke Frau, die sich dem Hügel jetzt mit festen Schritten näherte, schien sich an diesem Odem nicht zu stören. Zielstrebig ging sie auf den etwa einen Meter hohen Felsenspalt zu, um geduckt darin zu verschwinden. Mit traumwandlerischer Sicherheit fand sie sich im Innern des Hügels zurecht.
Uralte, halb zerfallene Stufen führten einige Meter in die Tiefe und kündeten davon, dass der ganze Berg keineswegs natürlichen Ursprungs war, sondern irgendwann in grauer Vorzeit Teil eines großartigen, von Menschenhand geschaffenen Bauwerks gewesen sein musste.
Die Schritte der Schwarzhaarigen stoppten in einem etwa fünfzehn Quadratmeter bemessenden Raum, der einem überdimensionalen Dolmen ähnelte. Die Langsteine in den Wänden passten fugenlos ineinander, wie von kundiger Hand geformt, und auch die Decke des Raumes bestand aus meterlangen Megalithen, die nebeneinandergelegt das Grab vom Rest des Hügels abschlossen. Nur eine winzige Stelle in der Rückwand fügte sich nicht in dieses Bild. Dort war ein etwa faustgroßes Loch durch einen Stein geschlagen, das mit der Zeit von außen durch nachrückenden Lehm und Erde verschlossen worden war.
Die Schwarzhaarige ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen und erkannte trotz der Finsternis die Überreste unzähliger Tiere und Menschen, die – fast vollständig verwest – immer noch einen furchtbaren Geruch verströmten. Eine unheimliche Macht, gefangen zwischen den Wänden dieser unfassbaren Grabstätte, hatte ihre Opfer einst in Stücke gerissen und im Ansatz aufgefressen.
Ein Großteil dieser Macht schien fort – für immer. Doch auch jetzt noch atmeten die steinernen Mauern das Böse, als habe es sich unwiderruflich zwischen den riesigen Megalithen festgesetzt. Als habe das Monstrum, das hier einst gefangen gehalten wurde, den Ort nicht vollständig verlassen ...
Die etwa fünfundzwanzig Jahre alte Frau zeigte sich von der perversen Art von Leben, die den Ort erfüllte, sichtlich irritiert. Sie hatte fest damit gerechnet, eine leere, tote Höhle vorzufinden.
Eine Gänsehaut strich über ihren wohlgeformten Rücken, obgleich sie doch selbst nichtmenschlich war und zu den verdammten Geschöpfen der Nacht gehörte.
Sie entsann sich ihres Vorhabens und schritt augenblicklich zur Tat. Ihr ursprünglicher Plan, die Nacht und den darauffolgenden Tag in dieser entsetzlichen Grube zu verbringen, schien ihr nunmehr wenig annehmlich, aber ihr blieb keine andere Wahl, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte.
Die Leichenreste machten ihr nichts aus. Auch nicht die stinkenden Exkremente, die die Luft verpesteten.
Das Andere allein war es, das sie berührte. Es war hier – und doch weit fort! Es fehlten ihr die Worte, um das Gefühl der Bedrohung zu beschreiben, das sie in der übergroßen Grabstätte empfand.
Sie atmete tief durch und versuchte die bösen Gedanken zu verscheuchen, die als leises Flüstern in ihr Hirn zu dringen suchten.
Bist du gekommen, mich zu wecken?
Sie wandte sich verwundert um.
»Wer spricht da?«, presste sie zwischen den Zähnen hervor und glaubte sich bereits getäuscht zu haben, als das unsichtbare Etwas antwortete. Das unhörbare Knirschen morscher Steine formte sich zu dunklen, tiefen Worten, die wie Messer in den Leib der Fremden schnitten.
Wie kannst du fragen! – Ich, Luguri!
Sie schüttelte den Kopf. Das war unmöglich. Luguri hatte diese Höhle schon vor langer Zeit verlassen! Sie lauschte angestrengt, doch auf einmal herrschte Totenstille in dem Grab. Das Wesen hatte sich zurückgezogen.
Mit unruhiger Hand bereitete sie den Zauber vor, der dem Erzdämon das schwarze Blut in den Adern gefrieren lassen sollte. Luguri – der vor langer Zeit den Thron der Finsternis bestiegen hatte und weitab von diesen Mauern existierte! Die Megalithen rumorten unter dunklen, magischen Bannern und gaben zerstörerische Kräfte frei, die sie seit Tausenden von Jahren in sich trugen.
In den nachfolgenden Stunden spalteten unzählige Blitze den Nachthimmel über der bretonischen Küste.
Die Paradiesinsel wurde von ihrem Fluch befreit.
Und als der Zauber abgeschlossen war, machte sich die Schwarzhaarige eiligst von dannen. Ihr Werk war erfüllt, der Untergang des Fürsten eingeleitet.
Wer von nun an einen Blick in die Gespensterhöhle warf, hätte darin kaum noch etwas Wunderliches schauen können.
Jene stinkende Fassade aus massivem Felsgestein, die das Grab des großen Erzdämons beherbergt hatte, war wie vom Erdboden verschluckt. Die Höhle war leer. Und der Odem des Bösen, der bisher daraus entströmte, war verschwunden.
An einen anderen Ort.
Um dort zu wüten ...
Warren McCall benahm sich wie ein Gentleman, als er die junge Shelley Evans zum Essen ausführte, und niemand der Umsitzenden ahnte, dass das breite Lächeln auf seinen Lippen von der Vorfreude auf die blutige Mahlzeit herrührte, die er noch heute Abend zu sich zu nehmen gedachte.
Shelley Evans flirtete mit dem Tod.
Warren empfand nicht den Hauch eines Bedauerns für das junge Mädchen, das vermutlich nicht einmal gewusst hatte, wie ihm geschah, als es auf offener Straße von einem blonden, jungen Mann angesprochen worden war, dessen wunderschöne braune Augen es sofort in ihren Bann geschlagen hatten. Warren war sich seiner körperlichen Vorzüge durchaus bewusst, und so blieb es ihm während der Jagd oft erspart, seine magischen Kräfte ins Spiel zu bringen. Seine Opfer gingen ihm mit schöner Regelmäßigkeit ins Netz, ohne dass er einen Finger rührte, sie einzufangen.
Shelley war hingerissen, als sie Warren dabei beobachtete, wie er das Tablett mit den beiden überdimensionalen gebackenen Kartoffeln in den Händen balancierte und zu ihrem Tisch zurückkehrte. Sie saß für ihr Leben gern an diesen Plastiktischen im höchsten Stockwerk der Norwich Mall, von dessen Geländer man zwei Stockwerke tief auf die Passagen des überdachten Einkaufszentrums hinunterblicken konnte. Und baked potatoes, bestreut mit zerriebenem Käse, waren ihr Lieblingsessen.
Warren dagegen konnte sich ein leichtes Stirnrunzeln nicht verkneifen, während er das Fast-Food-Ambiente, das die gesamte Etage vereinnahmte, in sich aufsog. Er mokierte sich innerlich über die stil- und lieblos aneinandergereihten Sitzbänke und die unzähligen kleinen Pizzabäcker und Bratwurstverkäufer, die um das Tischfeld herum ihre Ware an den Kunden zu bringen versuchten. Warren war, entgegen der typisch englischen Esskultur, ein Genießer, und es behagte ihm nicht, eine Mahlzeit zwischen Tür und Angel zu verschlingen, während bereits die nächsten Gäste darauf warteten, dass man den Tisch freimachte.
Aber er tröstete sich damit, dass es sich ja nur um eine Vorspeise handelte. Und kein Mensch der Welt würde ihm den Genuss der Hauptmahlzeit verderben können.
»Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe«, seufzte Shelley fröhlich und machte sich augenblicklich über ihre Mahlzeit her. »Das ist fast zu schön, um wahr zu sein.«
Er lächelte freundlich und übte sich ein wenig in belangloser Konversation. Die Kartoffel wollte ihm nicht recht munden, aber er beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und schlang sie in tapferen Bissen hinunter. Er wollte der jungen Frau die letzten Stunden ihres Lebens nicht verderben.
Mit interessierter Miene erkundigte er sich nach ihrem Beruf, hörte aber nur noch mit halbem Ohr zu, als sie zu erzählen begann. »Ich studiere noch etwa anderthalb Jahre. Danach werde ich hoffentlich langsam das erste Geld verdienen.«
Nein, wirst du nicht, dachte Warren McCall vergnügt.
»Eigentlich komme ich aus London, aber vor einigen Jahren war ich bei einer Freundin hier in Norwich zu...