Verhoef Der Geliebte
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-641-04427-5
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-641-04427-5
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Traum vom Süden – für Simone scheint er wahr zu werden. Gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Kindern zieht sie in die Dordogne, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Doch dann begegnet sie dem jungen Michel und beginnt eine verhängnisvolle Affäre. Schon bald wird sie erpresst, und aus dem Traum wird unversehens ein Alptraum, der sie direkt in die Gefängniszelle führt. Wem kann Simone überhaupt noch trauen?
Nominiert als bestes holländisches Buch des Jahres.
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(S. 25-26)
Isabelles schulterlanges Haar hing ihr in Form zweier in Auflösung begriffener Zöpfe über die Schultern. Bastian musste auch dringend mal wieder zum Friseur. Sein dunkles, strubbeliges Haar reichte ihm schon bis über die Ohren. Ich hatte erwartet, dass sie sich an mir festklammern würden, ganz beeindruckt von unserem neuen Haus, von der Umgebung und dem vielen Platz, aber weit gefehlt. Kaum hatten sie sich von den Autogurten befreit, stoben sie schon johlend durch die Flure.
Bastian machte Gespenstergeräusche, und Isabelle stieß kleine Schreie aus. Sie waren völlig aus dem Häuschen. »Wir sind in Frankreich!«, hörte ich Isabelle rufen. »Frankreich, Frankreich, Frankreich!« »Voll cool.« »Das wird mein Zimmer!« »Nein, meins!« »Wo ist denn das Schwimmbad?« »Das gibt’s noch gar nicht, du Dumpfbacke, das muss Papa doch erst bauen.« Ben, mein hochgeschätzter Schwager, der immer aussah wie ein pensionierter Hausmeister, stand da, kratzte sich an seinem immer kahler werdenden Hinterkopf und sagte nun schon zum dreißigsten Mal: »Meine Güte, da hast du aber noch ganz schön was vor, Eric.«
Er drehte sich zu mir um: »Und du auch, Simone. Ganz schön tapfer. Mein Ding wäre das nicht.« Ellen stand neben ihm. Sie sah erschöpft aus. Die Reise hatte fast dreizehn statt zehn Stunden gedauert, weil Ben irgendwo in Belgien falsch abgebogen war und das erst nach hundert Kilometern zugegeben hatte. Ein Teil des Autobahnrings um Paris war wegen Straßenarbeiten gesperrt gewesen, und so waren sie im Zentrum gelandet, wo der Verkehr geradezu hoffnungslos gewesen war. Kurz, die Reise war nicht gerade reibungslos verlaufen. »Schön ist es hier ja schon«, bemerkte Ellen.
»Mit so viel Natur. Aber auch schwer zu finden. Die Straßen sehen alle gleich aus. Und nirgends gibt es Schilder.« »Bist du sicher, dass du nicht doch noch einen Kaffee willst?«, fragte ich. »Nein, Simone, vielen Dank«, sagte Ben. »Wir lassen euch schön allein hier. Ich habe auf dem Weg ein Hotel gesehen, ziemlich nahe an der Stadt, da fahren wir jetzt hin. Morgen früh geht’s ja schon wieder zurück, und ich will möglichst ausgeruht sein, wenn ich mich hinters Steuer setze.« Wir gingen mit den beiden über das Grundstück. Sanft fiel der Regen in das Unkraut und sickerte durch den beigefarbenen Schotter in den Boden.
»Und was für ein schönes Haus!«, beeilte Ellen sich zu versichern, als sie pro forma noch schnell einen Blick darauf warf. »Wirklich wundervoll, mit den Steinen und der Treppe. Und dann dieser Turm, herrlich! Wir kommen bestimmt noch mal wieder, wenn es nächstes Jahr fertig ist, aber …« »Ihr habt noch ganz schön was vor«, eilte Ben ihr zu Hilfe. Ich rang mir ein Lächeln ab. Keine Stunde war seit ihrer Ankunft vergangen, da standen wir schon wieder bei der Wagenspur, die zur Straße führte, und winkten Ben und Ellen in ihrem grünen Toyota nach, bis sie außer Sicht waren. Die Dämmerung war angebrochen.