Vita | Hochsensible Kinder in der Kita begleiten | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Vita Hochsensible Kinder in der Kita begleiten


1. Auflage, Digital Original 2025
ISBN: 978-3-451-83448-6
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-451-83448-6
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Um Hochsensibilität bereits bei kleinen Kindern zu erkennen, richtig einzuschätzen und zu begleiten, müssen pädagogische Fachkräfte lernen die Eigenschaften hochsensibler Kinder zu verstehen. Dazu braucht es eine entsprechende innere Haltung, vertiefte Kenntnisse über die Entwicklungsphasen, sowie eine aktive Unterstützung dieser Kinder und letztlich  ihrer Eltern - auch in herausfordernden Situationen. Wie ein professioneller Umgang mit hochsensiblen Kindern in der Kita gelingen kann, zeigt dieses Buch.

Melanie Vita ist Dipl.-Sozialpädagogin und Lerntherapeutin. Sie arbeitet als Referentin, Seminarleiterin und Autorin zum Thema Hochsensibilität und leitet eine Beratungspraxis in Ulm.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2.


Entwicklungsbegleitung hochsensibler Kinder


Die Themen in diesem Kapitel sind

? pädagogische Fachkräfte als Unterstützungssystem

? bedürfnisorientierte Begleitung hochsensibler Kinder

? Botschaften der Wertschätzung

? Brücken für hochsensible Kinder

2.1 Innere Haltung der pädagogischen Fachkraft


Das bisher erworbene Wissen hilft pädagogischen Fachkräften, Alltagssituationen in Bezug auf hochsensible Kinder besser einzuordnen. Dennoch können Fragen auftauchen: Welche Strukturen in unserer Einrichtung müssen wir anpassen, damit sich auch hochsensible Kinder dort wohlfühlen? Wie können wir als pädagogisches Team hochsensible Kinder in der Kita dauerhaft stärken? Wie kann ich ihnen und ihren Bedürfnissen im Alltag gerecht werden?

Entscheidend ist zunächst, das eigene pädagogische Handeln im Hinblick auf die neuen Erkenntnisse zu reflektieren. Wenn Sie als pädagogische Fachkraft einschätzen können, wann ein hochsensibles Kind vor Herausforderungen steht und was es zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben benötigt, fällt es Ihnen leichter, Entscheidungen zu treffen und allein oder im Team konkrete Handlungsstrategien zu erarbeiten. Je klarer Sie als Bezugsperson wissen, auf welcher Basis Sie Entscheidungen treffen, worin der Sinn Ihres konkreten Handelns liegt und wie Ihr Verhalten das hochsensible Kind stärkt, desto mehr Sicherheit wird auch das Kind erhalten. Um diese Klarheit zu erlangen, benötigt es je nach Situation Ideen und Impulse, die sich an den Bedürfnissen des hochsensiblen Kindes orientieren.

Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass Sie Ihr komplettes Konzept für ein einzelnes Kind über Bord werfen. Vielmehr geht es um eine Nachjustierung von situativen Vorgängen. Das wird nicht nur allen hochsensiblen Kindern in der Gruppe helfen (zur Erinnerung: durchschnittlich 20 %), sondern auch anderen Kindern. Denn eine bedürfnisorientierte Pädagogik sorgt in einer heterogenen Gruppe für mehr Ruhe und kommt letztlich allen zugute.

FALLBEISPIEL

Stress im Morgenkreis

Der 4-jährige hochsensible Adrian geht seit einem Jahr in den Waldkindergarten »Zum Heuweg«. Er ist ein Junge, der sehr viel beobachtet und sowohl auditiv als auch visuell geschärfte Sinne hat. Von Beginn an hat das pädagogische Team bemerkt, dass der Junge im Morgenkreis in einen Stressmodus gerät, der sich immer wieder in explosivem Verhalten äußert. Die Reize im Kreis scheinen ihm zu viel zu sein.

Nach langen Diskussionen beschließen die Fachkräfte deshalb, dass Adrian in solchen Stressmomenten bereits vor den anderen zum Frühstückstisch gehen und dort warten kann, bis die anderen eintrudeln. Seither wirkt Adrian in Balance und zeigt kaum noch Gefühlsausbrüche. Die Stimmung unter den Kindern ist insgesamt ruhiger geworden. Trotzdem wird im Team nach wie vor diskutiert, ob ein solcher Regelbruch legitim und pädagogisch sinnvoll ist.

Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Bezugsperson und hochsensiblem Kind ist wertvoll und notwendig, um eine Entfaltung zu ermöglichen. Hochsensible Kinder spüren schnell, mit welcher Haltung ihnen andere begegnen, ob sie gesehen und ernst genommen werden oder ihre Bedürfnisse beiseitegeschoben werden. Entsprechend öffnen oder verschließen sie sich.

Untersuchungen zufolge profitieren hochsensible Kinder vor allem von Bezugspersonen, die Empathie, Verständnis und Gerechtigkeit ausstrahlen (Müller & Lang-Bergamin 2012, S. 52–59). Fühlen sie sich hingegen skeptisch beäugt, reagieren sie mit auffälligem Verhalten. Das bedeutet für pädagogische Fachkräfte, sich im Alltag immer wieder Zeit für die Belange eines hochsensiblen Kindes zu nehmen, ihm zuzuhören, sich in seine Gefühlswelt hineinzuversetzen und bei Problemen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Auch wenn oftmals die Zeit fehlt, um eingehend für ein einziges Kind da zu sein, können kleine Signale bereits einen entscheidenden Unterschied machen. Hochsensible Kinder sind darüber meist so dankbar, dass sie im Gegenzug Kooperationsbereitschaft, Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein zeigen. Sie zeigen dann Bereitschaft, zeitweise gegen ihre persönlichen Grenzen und Bedürfnisse zu handeln, wenn sie Entgegenkommen und Verständnis erfahren (vgl. Cain 2011, S. 337). Der Wert kleiner, wertschätzender Botschaften ist nicht zu unterschätzen. Es geht also weniger um aufwendige Hilfe für hochsensible Kinder, die pädagogische Fachkräfte vielerorts aufgrund der Rahmenbedingungen (Gruppengröße, Betreuungsschlüssel, Personalmangel etc.) nur schwer leisten können, sondern vielmehr um kleine Zeichen eines wohlwollenden Verständnisses.

FALLBEISPIEL

Erschöpft und unverstanden

Jona (3;5 Jahre) ist erschöpft. Statt weiter mit Mustafa (3;0 Jahre) und Kira (4;2 Jahre) an ihrem Bauwerk zu arbeiten, wirft er sich auf den Boden und wirft dabei mit seinem Fuß einen Turm um. Praktikantin Susann beobachtet die Szene und stürmt zu den Kindern. Streng sagt sie zu Jona: »Reiß dich zusammen, schließlich spielen die anderen Kinder auch noch so schön miteinander. Mit deinem Verhalten störst du alle.« Jona beginnt laut zu weinen und sieht sich verzweifelt nach Wanja, seiner Bezugserzieherin, um.

Wanja kommt gerade mit einem Kind aus dem Waschraum und sieht den aufgelösten Jungen. Sie kniet sich zu ihm hin und schlägt einen sanften Ton an: »Ich weiß, dass du heute schon sehr viel erlebt hast. Ich verstehe, dass du müde bist und dich alles anstrengt. Wollen wir schauen, ob wir ein Plätzchen finden, an dem du ein wenig Ruhe hast?« Jona nickt und räumt sorgfältig einen Bauklotz zur Seite, bevor er seine Arme nach ihr ausstreckt.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig Verständnis und Akzeptanz für die Gefühlslage des hochsensiblen Kindes sind. Weil seine Bezugserzieherin Jona zeigt, dass sie ihn sieht und auf seine Bedürfnisse Rücksicht nimmt, kann er auf ihr Angebot eingehen und sich von seiner Frustration lösen. Fühlt sich das hochsensible Kind in seiner Not hingegen nicht verstanden, muss es sein Bedürfnis vehementer und lauter darstellen, um gehört zu werden – eine negative Spirale entsteht.

Das zeigt, dass hochsensible Kinder persönliche Grenzen haben, die ernst genommen werden sollten. Hochsensibilität als Persönlichkeitsmerkmal anzuerkennen, kann ihre Entwicklung unterstützen und die Wahrscheinlichkeit von Folgestörungen entscheidend minimieren.

REFLEXION

Fragen für die Praxis

Wie erkenne ich, wenn das hochsensible Kind an seine Grenzen stößt? Welche Signale sendet es?

Zeige ich Verständnis und suche mit ihm nach machbaren Lösungen oder fordere ich das Einhalten von Regeln und Abmachungen um jeden Preis?

An welcher Stelle kann ich dem Kind entgegenkommen?

Bedürfnisorientierte Pädagogik


Gefühle und Verhaltensweisen hochsensibler Kinder sind echt und drücken ihre Bedürfnisse aus. In der Regel treten sie nicht ohne Grund auf. Hochsensible Kinder übertreiben nicht, wenn sie die Falte in der Socke stört. Sie reagieren nicht absichtlich emotional (schreien, weinen, Ohren zuhalten, weglaufen etc.), wenn beim Umziehen in der Garderobe viel Tumult herrscht, und sie stellen sich nicht an, wenn sie im Morgenkreis betreten schweigen. Hochsensible Kinder benötigen mehr Zeit, um Entscheidungen zu fällen und Antworten zu geben. Dafür denken sie differenzierter, gewissenhafter und detaillierter als andere Kinder.

Ihre Reaktionsfähigkeit mag manches Mal verlangsamt wirken und sie kommen unter Umständen Aufforderungen nicht prompt nach, weil sie Gedankengänge oder Handlungen für sich noch nicht abgeschlossen haben. Das bedeutet aber nicht, dass wir ihre Bedürfnisse nicht erst nehmen sollten. Im Gegenteil: Als Erwachsene haben wir die Aufgabe, Geduld aufzubringen. Nach Möglichkeit sollten pädagogische Fachkräfte keinen Zeitdruck ausüben und keine sofortigen Entscheidungen erzwingen. Auf diese Weise fördern sie das Selbstbewusstsein des hochsensiblen Kindes. Indem das Kita-Team Verständnis zeigt und zeitgleich Hilfestellungen bietet, um eine Situation zu bewältigen, wird das Aufkommen von Stress minimiert. Das hochsensible Kind merkt durch sein hohes Gespür schneller als andere, ob ihm Verständnis entgegengebracht wird oder nicht. Bleiben persönliche Grenzen und Bedürfnisse ungeachtet, können weitere Stressreaktionen folgen. Zeigen Fachkräfte hingegen Einfühlungsvermögen, bleibt das Kind offen für eine Lösungsfindung.

FALLBEISPIEL

Wenn der Anker wegfällt

Der 3-jährige Nick ist freundlich und charmant. Auf den ersten Blick fällt seine Hochsensibilität nicht auf. Bei näherem Hinschauen zeigt sich jedoch, dass er neben einer hohen Empathie und einer ausgeprägten Verarbeitungstiefe...


Vita, Melanie
Melanie Vita ist Dipl.-Sozialpädagogin und Lerntherapeutin. Sie arbeitet als Referentin, Seminarleiterin und Autorin zum Thema Hochsensibilität und leitet eine Beratungspraxis in Ulm.

Melanie Vita ist Dipl.-Sozialpädagogin und Lerntherapeutin. Sie arbeitet als Referentin, Seminarleiterin und Autorin zum Thema Hochsensibilität und leitet eine Beratungspraxis in Ulm.



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