von der Grün | Vorstadtkrokodile | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 160 Seiten

Reihe: Die Vorstadtkrokodile-Reihe

von der Grün Vorstadtkrokodile

Eine Geschichte vom Aufpassen
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-08240-6
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Geschichte vom Aufpassen

E-Book, Deutsch, Band 1, 160 Seiten

Reihe: Die Vorstadtkrokodile-Reihe

ISBN: 978-3-641-08240-6
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Klassiker der Kinderliteratur: Eine zeitlose Geschichte über Freundschaft, Mut und Vertrauen

„Betreten verboten!“ steht an der verlassenen Ziegelei, dem Geheimquartier der „Krokodiler“. Wer zur Bande von Olaf und seinen Freunden gehören will, muss eine gefährliche Mutprobe bestehen und gut Radfahren können. Aber was soll Kurt tun, der im Rollstuhl sitzt? Da macht Kurt mit seinem Fernglas eine Beobachtung ... Und beweist, dass er mindestens genauso viel Mut hat wie die anderen. Nur eben auf eine besondere Weise.

Alle Bände der »Vorstadtkrokodile«-Reihe:
Die Vorstadtkrokodile (Band 1)
Die Vorstadtkrokodile - Die coolste Bande ist zurück (Band 2)
Die Vorstadtkrokodile - Freunde für immer (Band 3)
von der Grün Vorstadtkrokodile jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


»Du traust dich ja doch nicht! Du Angsthase!«, rief Olaf, ihr Anführer. Und die Krokodiler riefen im Chor: »Traust dich nicht! Traust dich nicht!« Nur Maria, Olafs Schwester, dreizehn Jahre und damit ein Jahr jünger als ihr Bruder, hatte nicht mitgeschrien, sie hatte so viel Angst um Hannes, dass sie wegsah. Die neun Krokodiler standen in einem Halbkreis am Ende der Leiter, die senkrecht zehn Meter hoch zum Dach führte, und sahen gespannt zu, wie Hannes, den sie Milchstraße nannten, weil er so viele Sommersprossen im Gesicht hatte, langsam die Sprossen hochkletterte, um seine Mutprobe abzulegen. Die war Bedingung für die Aufnahme in die Krokodilbande. Hannes hatte Angst, das konnte man ihm ansehen, er war zudem nicht schwindelfrei, aber er wollte es den größeren Jungen beweisen, dass er als Zehnjähriger so viel Mut besaß wie sie, die alle schon diese Mutprobe abgelegt hatten. Hannes hing ängstlich an der verrosteten Feuerleiter und wagte nicht nach unten zu sehen. »Komm runter, du schaffst es ja doch nicht, du Schlappschwanz!«, rief Olaf wieder und die anderen Jungen lachten. Hannes tastete sich langsam und vorsichtig die wackelige Feuerleiter zum Dach hoch. Je höher er kletterte, desto mehr schwankte die Leiter, denn ihre Verankerung war an mehreren Stellen aus der Wand gerissen. Einige Sprossen waren so verrostet, dass Gefahr bestand durchzubrechen, wenn sie belastet wurden. Hannes wagte nicht nach unten zu sehen, er sah nur nach oben, wo er sein Ziel vor Augen hatte. Endlich war Hannes am Dach angekommen. Er sah zum ersten Mal nach unten. Ihm wurde schwarz vor Augen, er machte sie sofort wieder zu, zehn Meter sind doch eine ganz schöne Höhe. Damit er nicht vor Angst aufschrie, presste er die Zähne aufeinander, so sehr, dass ihm die Kiefer schmerzten. Aber er hatte leider nur den ersten Teil der Mutprobe abgelegt, der zweite Teil bestand darin, dass er von der Leiter auf das Dach klettern und oben auf dem First beide Arme heben und »Krokodil« rufen musste, dann durfte er wieder herunterklettern. »Los! Weiter! Kletter doch auf das Dach«, rief Olaf. »Nur keine Angst haben, Milchstraße«, rief Frank. Maria sagte leise zu ihrem Bruder: »Lass ihn runterkommen. Er wird abstürzen.« Aber Hannes kletterte schon von der Leiter über die Dachrinne auf das Dach, legte sich dort auf den Bauch und kroch langsam zum First hoch, wobei er sich mit den Händen an den Dachziegeln hochzog und mit den Füßen, wenn er einen Halt gefunden hatte, abstützte. Das ging langsam, Zentimeter für Zentimeter nur kam er vorwärts, es war mühsam und kräfteraubend, er musste vorsichtig sein, denn im Laufe der Jahre waren viele Dachziegel morsch geworden, verwittert, sodass seine Kletterei nicht ungefährlich war. Manchmal, wenn er glaubte einen Halt gefunden zu haben, riss ein Dachziegel unter seinen Händen weg und klatschte unten auf den Hof. Dann blieb Hannes vor Schreck liegen, ohne sich zu rühren. Endlich war er am First angekommen. Hannes keuchte, er ruhte sich ein paar Minuten auf dem Bauch liegend aus, dann setzte er sich vorsichtig auf, hob beide Arme und rief: »Krokodil! Krokodil! Ich hab es geschafft!« Die Krokodiler unten auf dem Hof riefen zurück: »Du bist aufgenommen! Hurra! Milchstraße, komm runter! Du bist aufgenommen!« Und Olaf rief noch: »Das hast du gut gemacht. Prima!« Aber seine Schwester, die neben ihm stand, sagte wieder leise: »Er wird bestimmt abstürzen.« »Dumme Ziege«, zischte ihr Olaf zu, »halt deine Klappe, was verstehst du denn schon davon.« Und Frank sagte zu ihr: »Du hast doch nicht raufklettern müssen, du darfst doch nur bei uns sein, weil Olaf dein Bruder ist.« Das alte Ziegeleigelände, auf dem sie standen und das seit Jahren verlassen lag und ihnen manchmal als Spielplatz diente – Tafeln warnten zwar vor dem Betreten des Geländes –, war etwa zwei Kilometer von der Papageiensiedlung entfernt, in der sie alle wohnten. Das Ziegeleigelände bot einen trostlosen Anblick, die Fensterscheiben im alten Bürogebäude waren längst zerbrochen, die Mauern waren morsch, die Dächer löcherig, und wenn ein Sturm tobte oder ein schweres Gewitter, dann fielen Dachpfannen auf die Erde. Es war nicht ungefährlich in der Ziegelei zu spielen. Schon vor Jahren hätten die Gebäude abgerissen werden sollen, es hieß, auf dem Gelände werde ein Supermarkt errichtet, aber bislang war noch nichts passiert. Dass die Krokodiler da spielten, lag einfach daran, dass sie nirgendwo einen geeigneten Spielplatz fanden. In den Vor- und Hintergärten ihrer Siedlung war es verboten, und auf der Straße zu spielen war noch gefährlicher. Und wenn sie doch einmal in den Gärten spielten, dann hieß es nur: Ihr macht ja den Rasen kaputt… jetzt ist schon wieder alles schmutzig. An die Papageiensiedlung grenzte ein kleiner Wald, er wurde »Kleine Schweiz« genannt, aber niemand wusste, woher der Name kam. Dort spielten sie vor allem und dort hatten sie auch aus Ästen und Reisig eine Hütte gebaut. Der Förster sah es nicht gerne, aber er verjagte sie auch nicht, weil sie keinen Schaden anrichteten. Auf das Ziegeleigelände gingen sie immer dann, wenn ein Junge in ihre Bande aufgenommen werden wollte und die Mutprobe ablegen musste. Wer die Mutprobe nicht bestand, der wurde nicht aufgenommen. Auf das Dach hinaufzuklettern war für Hannes bedeutend leichter gewesen, als wieder herunterzukommen, denn beim Abstieg konnte er nicht sehen, wohin er seine Füße setzte, und zurückzuschauen traute er sich immer noch nicht, weil ihm dann schwindelig wurde. Immer wieder, wenn seine Hände einen Halt gefunden hatten, musste er mit den Füßen eine Stütze ertasten, bis er darauf stehen konnte. Das war zwar mühsam, aber Hannes glitt allmählich auf dem Bauch Zentimeter um Zentimeter abwärts. An den Knien war seine Hose schon aufgerissen und auch sein Pulli war an den Ellenbogen durchgescheuert. Seine Hände waren zerkratzt und die Fingerkuppen bluteten. Hannes musste es schaffen, er musste den Krokodilern, die sich ihm gegenüber immer so herablassend benommen hatten, beweisen, dass er für die Bande weder zu jung noch zu schwächlich war. Wenn er unten auf dem Hof anlangte, dann war er einer der ihren, dann durfte keiner mehr sagen: Hau bloß ab, du halbe Portion. Da plötzlich, schon im unteren Drittel des Daches, riss ein Ziegel, an dem sich Hannes mit dem Fuß abgestützt hatte, aus seiner Verankerung. Langsam rutschte er auf dem Bauch abwärts und ihm war erst gar nicht bewusst, was da passierte, aber als er merkte, dass er sich nirgendwo mehr festklammern konnte, schrie er, so laut er nur konnte: »Hilfe! Hilfe! Ich stürze ab…« Im Abrutschen riss er noch ein paar Ziegel heraus, die mit lautem Knall auf den Hof fielen und dort auf dem Betonboden in tausend Stücke zerplatzten. Die Krokodiler aber konnten ihm nicht helfen. Sie sahen, vor Schreck gelähmt, nur hinauf auf das Dach. Sie mussten ein paar Schritte zurücktreten, sonst wären sie von den herabfallenden Ziegeln getroffen worden. Maria biss sich vor lauter Aufregung auf die Faust. Olaf sah mit offenem Mund nach oben, auch er brachte kein Wort hervor. Erst in der Dachrinne fand Hannes mit seinen Füßen wieder einen Halt, seine Hände klammerte er um eine freiliegende Dachlatte. Endlich schrie Olaf: »Hannes! Halt dich fest, wir holen Hilfe! Halt dich fest!« Aber als Hannes in seiner Angst und Verzweiflung zu weinen anfing und zu schreien, liefen die Krokodiler plötzlich fort. Hannes, der es nicht sehen konnte, drückte sein Gesicht in das Loch des Daches und schrie weiter aus Leibeskräften um Hilfe. Er hoffte, einer der Krokodiler würde zu ihm aufs Dach klettern, um ihm zu helfen. Seine Angst steigerte sich, weil auch die Dachrinne zu schwanken begann. Auch sie war angerostet und stellenweise aus der Halterung gerissen. Er musste fürchten, dass sie jeden Moment auseinander brach. Es war nur eine Frage der Zeit, wie lange die Dachrinne die Last noch trug. Auch Maria war anfangs so verwirrt, dass sie hinter den Jungen hergelaufen war, hatte dann aber versucht, als sie schon außerhalb des Ziegeleigeländes waren, die Jungen aufzuhalten. Aber die rannten, als würden sie verfolgt. Sie rissen ihre Fahrräder aus dem Straßengraben, schwangen sich einer nach dem andern darauf und rasten davon, Richtung Papageiensiedlung. Die Krokodiler hatten plötzlich mehr Angst als Hannes auf dem Dach. Maria war hinter den Jungen hergefahren, wollte dann umkehren, besann sich aber und fuhr weiter bis zur Hauptstraße. Dort trat sie in eine Telefonzelle. Sie wählte die Nummer der Feuerwehr und rief aufgeregt in die Muschel: »Sofort kommen… mit Leiter, auf das Ziegeleigelände an der Papageiensiedlung… da hängt einer an der Dachrinne… der stürzt ab… sofort kommen!« Dann hängte sie ein. Als Maria wieder auf die Straße hinausgetreten war, glaubte sie Hannes schreien zu hören, aber das konnte wohl schlecht möglich sein, denn zur Ziegelei war es mehr als ein Kilometer und der Verkehrslärm auf der Hauptstraße hätte Hannes’ Schreien übertönt. Maria wartete vor dem Telefonhäuschen und sie wusste nicht, was sie machen sollte. Aber da hörte sie auch schon das Martinshorn der Feuerwehr und gleich darauf sah sie das große rote Auto um die Kurve verschwinden, von wo aus eine schmale Straße zur Ziegelei führte. Sie schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie kam vor der Ziegelei an, als die Feuerwehrleute schon die lange Leiter ausgefahren hatten und ein Feuerwehrmann sich anschickte, auf der Leiter hinaufzuklettern. Maria versteckte sich hinter den Sträuchern, damit sie von niemandem gesehen werden...


von der Grün, Max
Max von der Grün, 1926 in Bayreuth geboren, arbeitete als Bauarbeiter und Bergmann, bevor er 1955 zu schreiben anfing. Seit 1963 lebte er als freier Schriftsteller in Dortmund. Er war PEN-Mitglied und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Die Geschichte von den Krokodilern schrieb er, weil er selbst einen Sohn hatte, der im Rollstuhl sitzt. Max von der Grün verstarb 2005.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.