Voskuil Plankton
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95732-126-8
Verlag: Verbrecher
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das Büro. Band 3
E-Book, Deutsch, Band 3, 900 Seiten
Reihe: Das Büro
ISBN: 978-3-95732-126-8
Verlag: Verbrecher
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
. J. Voskuils Monumentalroman 'Das Büro' ist Literatur gewordenes Büroleben, wie viele es kennen. 'Het Bureau' erreichte Kultstatus in den Niederlanden und wurde mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet. Nach Band 1, 'Direktor Beerta', und Band 2, 'Schmutzige Hände', folgt nun der dritte Band in deutscher Übersetzung und mit einem Nachwort von Gerbrand Bakker. Schaurig-öde bleibt der Alltag im Büro des Maarten Koning auch in den Jahren 1972-1975. Die fleißigen wie auch die weniger fleißigen Volkskundler in Amsterdam sind zumeist mit sich selbst beschäftigt, oder sie spinnen Intrigen. Dabei bahnen sich bereits die Katastrophen an: der ständige Ärger mit Professor Pieters aus Antwerpen über die Redaktionslinie der gemeinsamen Zeitschrift oder die eigenmächtige Entscheidung Maartens, über den Kopf Direktor Balks hinweg für die traditionelle Neujahrskarte des Büros einen 'Brummtopf' als Motiv zu nehmen - eine Entscheidung, für die er bitter büßen muss. Immerhin wird wenigstens ein Film über uralte bäuerliche Traditionen fertig, wenn auch mit kleinen Schönheitsfehlern: Einer der Protagonisten hat vergessen, seine Armbanduhr abzulegen, ein anderer trägt einen flotten Sporthut auf dem Kopf. Auch privat hat Maarten einiges zu verkraften: Sein Vater stirbt, und auch für den ehemaligen Büro-Direktor Beerta geht das Jahr gar nicht gut aus ... 'Das Büro' ('Het Bureau') war in den Niederlanden mit über 400.000 verkauften Exemplaren ein Bestseller. Auch hierzulande wurden Band 1 und Band 2 begeistert aufgenommen. Das siebenbändige Werk erscheint in deutscher Übersetzung im Verbrecher Verlag, alle weiteren Bände werden halbjährlich veröffentlicht.
Johannes Jacobus Voskuil, geboren 1926 in Den Haag, war ein niederländischer Volkskundler. Bereits 1963 veröffentlichte er seinen ersten Roman, doch zur Berühmtheit der niederländischen Literatur wurde er erst mit dem Romanzyklus 'Das Büro', dessen erster Teil 1996 und dessen letzter 2000 erschien. Er wurde 1997 mit dem Ferdinand-Bordewijk-Prijs und 1998 mit dem Libris Prize ausgezeichnet. 2008 starb Voskuil in Amsterdam.
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(1972)
Er tippte einen Punkt, schob den Wagen nach rechts, rückte dreimal ein, dachte mit seinem Finger über der Tastatur kurz nach und tippte dann: »Der Schriftführer gab am 15. Dezember vor den Studenten von Prof. Dr. W. Güntermann, Lehrstuhlinhaber an der Universität Münster, eine Einführung in die Verbreitung des Weihnachtsbaums in den Niederlanden.« Er hielt kurz inne, betätigte zweimal den Zeilenschalthebel und tippte dann an den Anfang einer neuen Zeile: »Mitarbeiter am Fragebogen«. Er schob den Wagen nach rechts, unterstrich die Wörter, dachte, die Hand am Drehknopf der Walze, erneut nach, ließ den Drehknopf los, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zog mechanisch Pfeife und Tabak zu sich heran. Während er den Tabak feststopfte, blickte er gedankenverloren durch das Fenster vor sich, ohne etwas zu sehen. Er steckte die Pfeife in den Mund, stand auf, verließ den Raum und ging die Treppe hinunter. Im Kaffeeraum saß nur Tjitske. Wigbold sah, auf den Tresen gelehnt, durch den Schalter. »Wir können den Laden eigentlich dichtmachen«, fand er, während er langsam hochkam, um Maarten eine Tasse Kaffee einzuschenken. »Es ist ruhig«, gab Maarten zu und schob ihm einen Bon hin. »Ich kenne genug Einrichtungen, die zwischen Weihnachten und Neujahr einfach schließen.« »Ich auch, aber ich finde es angenehm ruhig so.« Er nahm die Tasse, die Wigbold ihm reichte, und setzte sich neben Tjitske. »So«, sagte er. Tjitske nickte. Er rührte in seinem Kaffe, zündete seine Pfeife an und streckte die Beine aus. »Was machst du gerade?« Er sah zur Seite. »Oh, Ausschnitte«, sagte sie gleichgültig. »Ich sitze am Jahresbericht.« Sie reagierte nicht darauf. »Ich habe ausgerechnet«, sagte er, während er in den Raum sah, »dass ich mit diesem hier noch zwanzig Jahresberichte schreiben muss. Ich darf gar nicht daran denken.« Er stieß eine Rauchwolke aus. »Dann wirst du auch schon zwanzig Jahre hier sein.« Er schmunzelte. »Denkste.« »Wie viele dann?« Er sah sie an. »Man sollte nie irgendwo länger als vier Jahre bleiben.« »Dann ist man gerade eingearbeitet.« »Oh, das ist mir egal.« »Ja, das ist mir klar«, sagte er ironisch, »aber ich kannte diese Regel noch nicht. Früher blieb man irgendwo vierzig Jahre, dann bekam man einen Lehnstuhl. So habe ich es zumindest noch gelernt.« Sie kniff die Augen zusammen und lachte lautlos. »Ja.« Er schmunzelte. Sie schwiegen. Er zog seine Tasse zu sich heran, rührte noch einmal um und nahm einen Schluck. »Hattet ihr früher eigentlich einen Weihnachtsbaum?« Er steckte die Pfeife wieder in den Mund. »Nein.« »Weil kein Geld dafür da war«, vermutete er, während er sie ansah. »Nein, weil meine Eltern Sozialisten waren.« »Mein Vater war auch Sozialist, aber wir hatten einen Baum, sogar einen sehr großen.« »Ja.« Sie lachte überheblich. »Ein Sozialist ist nicht wie der andere«, stellte er fest. Sie lachte wieder auf dieselbe Weise, wobei sie sich ein wenig schüttelte. »Wir hatten zu Hause auch keinen Weihnachtsbaum«, sagte Wigbold durch den Schalter. Seine Einmischung irritierte Maarten. »Waren Ihre Eltern auch Sozialisten?«, fragte er, während er ihn widerwillig ansah. »Nein, Bauern.« Er kam hoch, als Rik Bracht, ein neuer Mitarbeiter der Abteilung Volkssprache, durch die Schwingtür hereinkam, und nahm eine saubere Tasse von dem Stapel. »Hallo«, sagte Rik. »Wo?«, fragte Maarten, um nicht unfreundlich zu sein. »In der Achterhoek«, antwortete Wigbold, während er die Tasse für Rik einschenkte. »Und die anderen Bauern?« »Die meisten hatten keinen Weihnachtsbaum. Das war eher etwas für die Stadt.« »Wir hatten auch keinen Weihnachtsbaum«, sagte Rik, ein kleingewachsener junger Mann mit dunklen, lockigen Haaren und dem Gesicht eines Menschen, der über den Dingen steht. Er setzte sich neben Maarten. »Ja, aber deine Eltern sind katholisch«, sagte Maarten. »Du sagst das, als ob das etwas Schlechtes wäre«, sagte Rik mit einem müden Lächeln. »So sage ich alles«, versicherte Maarten, »aber es ist natürlich etwas Schlechtes.« Er lachte gemein. »Das finde ich selbst eigentlich auch«, gab Rik zu. Mia van Idegem und Hans Wiegersma kamen hintereinander aus dem Hinterhaus und betraten den Kaffeeraum. »Guten Morgen allerseits«, sagte Mia lautstark. »Ja«, sagte Hans mit einer verlegenen Geste. Sie begaben sich an den Schalter. »Hattet ihr eine Krippe?«, erkundigte sich Maarten. »Ja«, sagte Rik, »mit Figuren und Tieren.« »Will nicht einer von euch eine Katze haben?«, fragte Mia, während sie sich setzte. »Was für eine Katze?«, fragte Maarten. »Einen Streuner.« Maarten zögerte. »Wir haben schon zwei.« »Ich habe schon zwölf.« »Ich würde gern eine Katze nehmen«, sagte Tjitske abrupt. »Wo wohnst du denn?«, fragte Mia. »Im Staatslieden-Viertel.« »Kann sie da nicht weglaufen?«, fragte Mia, ihr Gesicht drückte Bedenken aus. Bavelaar trat durch die Schwingtür. »Ebenfalls einen guten Morgen.« »Warum?«, fragte Tjitske. »Na ja, im Staatslieden-Viertel, da gibt es doch diese Gemeinschaftstreppen?« »Hast du noch mal etwas von Slofstra gehört?«, fragte Maarten Bavelaar. Sie setzte sich ihm gegenüber. »Seine Frau hat mich erst vor ein paar Tagen angerufen. Sie will ihn in ein Altersheim geben, und jetzt wollte sie wissen, ob sie dann seine Rente behält. Das finde ich ja ?… also wirklich! Findest du nicht auch?« »Und warum soll er in ein Altersheim?« »Weil sie es mit dem Mann nicht mehr aushält. Das kann ich mir schon vorstellen.« Geert Meierink kam aus dem Hinterhaus. »Sieh mal an«, sagte er nölig, »da sind ja doch noch mehr, als ich gedacht habe.« »Ja, Geert, das Leben ist immer anders, als man denkt«, sagte Maarten. Er stand auf, stellte seine Tasse auf den Tresen, nahm den Stapel Briefe, der für seine Abteilung bereitlag, und verließ den Kaffeeraum durch die Schwingtür. De Vries saß regungslos hinter der Telefonanlage. »Geht es, Herr de Vries?« Er blieb stehen. »Jawohl, Mijnheer, vielen Dank, Mijnheer«, antwortete de Vries. Maarten zögerte einen Moment. Es lag ihm auf den Lippen zu fragen, ob de Vries früher auch einen Weihnachtsbaum gehabt hatte, da ihm nichts anderes einfiel, doch er behielt es für sich und wandte sich verlegen ab. Unzufrieden mit sich selbst stieg er die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Das Zimmer von Jaring Elshout war leer. Er zog eine Schreibtischschublade auf, um ein Stück Papier zu suchen. In der Schublade lagen nur das Büchlein mit den Entgeltgruppen im öffentlichen Dienst und das Beamtenreglement. In der nächsten Schublade fand er einen Packen Briefpapier, einen Packen Durchschlagpapier und einen Stapel Umschläge. Er riss ein Stück des Papiers ab, in dem das Briefpapier eingeschlagen war, und schrieb darauf mit einem Bleistift, den er in der dritten Schublade fand: »Jaring – kann ich für meinen Jahresbericht die Angaben zu euren Aktivitäten im vergangenen Jahr bekommen? Danke. Maarten.« Es gab keinen Aschenbecher, den man als Briefbeschwerer verwenden konnte, nur eine Schachtel Lakritzbonbons. Er stellte sie auf das Blatt und verließ den Raum wieder, ging die Treppe hinauf in den dritten Stock. Das Zimmer von Frau Moederman war ebenfalls leer. Auf ihrem Schreibtisch lagen Stapel mit Umschlägen, teilweise aufgerissen, und Fragebogen. Die vier Karteikästen auf der Ecke waren geöffnet, als sei gerade noch darin gearbeitet worden. In der Schreibmaschine, auf einem Tisch, der im rechten Winkel zum Schreibtisch stand und auf dem sich ebenfalls Mappen und Fragebogen zwischen Karteikästen stapelten, steckte ein halbfertiger Brief. An einem Garderobenständer in der Ecke hing eine violette Strickweste, und auf einem Tisch vor dem Fenster standen Pflanzen. Im Gegensatz zu Elshouts Zimmer machte dieser Raum den Eindruck, als ob darin gelebt wurde. Er setzte sich auf ihren Stuhl hinter den Schreibtisch und schrieb auf ein Stück Papier: »Frau Moederman – kann ich für den Jahresbericht von Ihnen die Zahlen der in diesem Jahr eingegangenen Fragebogen bekommen? Vielen Dank im Voraus. Koning.« Er legte das Blatt so, dass ihr Blick sofort darauf fallen würde, wenn sie sich hinsetzte, sah sich noch einmal um und stieg dann wieder die Treppe hinab, um in sein eigenes Zimmer zu gehen. Er drehte seinen Stuhl eine Vierteldrehung herum, machte sich Platz auf seinem...