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Voss / Frey Ini

Roman aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-949452-35-2
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction

ISBN: 978-3-949452-35-2
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit dem dritten Band der Reihe »Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction« wurde ein wahrer Schatz gehoben: Herausgeber Hans Frey hat schon in seinem Buch »Fortschritt und Fiasko« (Memoranda, 2018) festgestellt, dass Mary Shelley's Roman »Frankenstein. Oder der moderne Prometheus« zwar häufig als der erste Science-Fiction-Roman genannt wird, doch bereits achtJahre früher veröffentlichte der deutsche Schriftsteller Julius von Voss mit »Ini. Roman aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert« ein Buch, welchem dieser Titel gebührt.
Die Liebe der titelgebenden Jungfrau Ini und ihres Liebhabers Guido, der sich als Protagonist hervortut, verändert die Welt. Und während ihre Geschichte erzählt wird, erfahren Leserinnen und Leser viel von der Entwicklung der Gesellschaft bis zur Gegenwart des Romans im 21. Jahrhundert. Dabei besonders ist das Interesse des Autors an wissenschaftlichen Entwicklungen und Ideen.

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Ich Unglücklicher soll dich meiden«, rief Guido wehmütig. »Wozu die Klage!«, entgegnete Ini. »Mögen dich rüstige Adler zum Pol tragen, magst du dich in die Tiefen des Ozeans senken, mein Bild bleibt dir nahe. Frei durchfliegt der Gedanke des Liebenden die Ferne, und die Region der Phantasie ist eine wirkliche. Auch wäre daheim dein Ziel nicht zu umarmen. Das Anschauen der Welt, die Übung der Kraft in Taten müssen jene Bildung der Schönheit vollenden, deren Lohn meine Gegenliebe sein wird. Darum scheide männlich!« Guido war ein Jüngling von etwa zwanzig Jahren. Seine Herkunft blieb ihm noch immer geheim. Die Sage machte ihn zum Findling, und als solchen wollten die Gesetze, dass die Landespflege ihn erziehen ließ. Früh hatte man ihn in das große Knabenhaus gebracht, das am Meeresstrand unweit Palermo angelegt war und wo die sinnigen Vorsteher, bis zum zwölften Jahre, für die Entwicklung des Körpers durch Laufen, Ringen, Schwimmen und für die Stärkung des Denkvermögens durch Gymnastik des Kalküls Sorge trugen. In vergangenen Jahrhunderten würde auch der tiefsinnigste Geometer nicht geahnt haben, was im Felde der Rechnung junge Knaben hier schon vermochten. Allein, es war überhaupt so weit damit gekommen (zudem die mechanischen und optischen Handwerke so leicht durch Maschinen, so einfach durch neue Entdeckungen, so allgemein bekannt durch Schulen), dass Hirten, welche die Sternkunde gleich ihren Altvätern wieder trieben, sich bei Tage Teleskope fertigten, zur Nacht den Himmel beobachteten und die Finsternisse der vielen neugewahrten Planeten und ihrer Trabanten ausmittelten. Von da ward Guido dem treuen Gelino übergeben, dessen Villa nicht weit von dem großen Lustgarten, der den Ätna einschließt, lag. Dieser Mann hatte, ehe er sich nach dem Wohnplatz der Ruhe zurückgezogen, am Hofe zu Rom ein Amt bekleidet und umfasste die Kunst, zarte Jünglinge auf die Bahnen der Tugend zu leiten, mit Liebe. Der Kaiser, gewohnt, wenn ihn nicht wichtigere Dinge abhielten, den lieblichen Februar auf Sizilien zu verleben, hatte den jungen Guido gesehen und – wie es schien – Behagen an dem Knaben gefunden und ihm Fürsorge zugesagt. Ehrender Antrieb für ihn. Doch möchte es vielleicht nicht gelungen sein, die mit Guidos flammender Lebenskraft verbundenen wilden Neigungen zeitig zu entwaffnen, wenn nicht folgender Umstand hinzugetreten wäre. Neben Gelino wohnte seit einiger Zeit die edle Athania, Witwe des afrikanischen Helden Medon. Sie hatte nach des Gatten Tode ihren Sitz auf dem lieblichen Eilande genommen und eine Pflegetochter mitgebracht, über deren Geburt auch viele Dunkelheit lag. Guido sah das Mädchen in seinem siebzehnten Jahre. Ini zählte kaum vierzehn, doch prangte ihre Schönheit in üppiger Fülle, ihr Verstand entzückte. Im einundzwanzigsten Jahrhundert hatte man die Erziehungskunde einer Arithmetik unterworfen, die schon lange genaue Anzeigen ergab und sich immer mehr erweiterte. Streben und Erfahrung hatten die Linie gefunden, bis an welche die Natur Freiheit zu reinen Ausbildungen der Formen bedingt, und wieder das Maß von Gegenwirkungen entdeckt, mit welchem ihr am glücklichsten zu begegnen ist. Da nun zugleich die Chemie der höheren Arzneikunst diejenigen Krankheiten nach und nach vertilgt hatte, welche sonst das Geschlecht entstellten, da die edlere Verfassung jene Eigensucht mit ihren leidenschaftlichen Ausgeburten Neid, Hass, niedrige Sinnlichkeit meistens entfernte, so konnte sie auch nicht mehr wie ehedem Antlitz und Haltung verunbilden. So musste von Geschlecht zu Geschlecht die menschliche Schönheit sich lieblicher entfalten, und jene harmonischen Gestalten, welche einst Bildner in Athen ersannen, erblickte die Wirklichkeit da lange schon lebend, wo die Kultur waltete. Ja, jene Statuen wurden bereits auf eine nie zuvor geahnte Weise übertroffen, denn eine ganz neue Ideenmasse hatten die Menschen in sich aufgenommen, welche der Schönheit einen neuen irdisch-göttlichen Ausdruck zulegte. Wie würden die Phidias und Raphael gestaunt haben, wäre ihnen vergönnt gewesen, aus dem Totenlande wiederzukehren und die Formen dieses Zeitalters zu betrachten. Die Schädelkunde, am Ende des achtzehnten Jahrhunderts entdeckt, sparsam im neunzehnten vervollkommnet, doch im zwanzigsten und einundzwanzigsten zur tiefen Wissenschaft erhoben, leistete auch zur allgemeinen Veredlung bedeutende Hilfe, wie wir in der Folge zeigen wollen. Guido sah die junge Ini kaum, als er ahnte, von den Strahlen dieser Schönheit werde ein neuer Frühling in seinem Gemüte aufblühen. Süße Betäubung, schmachtende Unruhe stellten sich als Vorboten der Liebe ein, holde Träume umgaben ihn wachend. Guido war im siebzehnten Jahre so stark und gewandt, dass er manches Raubtier mit unbewaffneten Händen würde überwunden haben. Er sprang in die See, wenn ein Orkan ihre Wogen erhob, und kämpfte dann lächelnd mit der empörten Flut. Er konnte im Laufen das fliehende Reh ereilen und den Gemsen des Hochgebirges nachklimmen. Dabei war er ein fleißiger Mathematiker, hatte eine Karte von dem Meeresgrunde zwischen Sizilien und Kalabrien gefertigt, die Beifall fand. Kriegerische Künste beschäftigten seine Einbildungskraft, und mit Chemie vertraut, gab er die Konstruktion einer dichten Gewitterwolke an, die ein künstlicher Wind über ein feindliches Heer treiben, wo sie in so viel Blitzen niederwärts sich entladen sollte, als das Heer Köpfe zähle. Anmaßend, wie es unerfahrener Jugend wohl eigen ist, hatte er, ohne seines Lehrers Wissen, den Entwurf nach Rom gesandt und dem Strategion zur Prüfung übergeben. Die Männer aber, welche diesen Rat bildeten, lachten allgemein, indem sie einwandten, die Gegner dürften sich ja nur sämtlich mit Ableitern versehen und der Wolke spotten. Doch setzten sie hinzu: Der Jüngling möge nicht ohne gute Anlage sein, und ihm gebühre einige Aufmunterung. Manches andere Wissen dagegen war unserem Guido noch fremd. Besonders konnte er sich immer nicht an die Geschichte ketten, weil ihm gar zu winzig und unbedeutend schien, was die vergangenen Jahrhunderte vollbracht hatten. Nachdem er lange in sich verschlossen gewesen war, eilte er an einem schönen Sommerabend zu Ini. Sie hatte den kleinen Marmorsaal in ihrem Hause zum Aufenthalt während der Tageshitze bestimmt. Hier strömte ein Springbrunnen geläutert Quellwasser, der andere gepressten Orangensaft, der dritte Zuckeressenz, aus mancherlei Wurzeln des Gartens gezogen. Einen niedlichen Goldbecher mit Sorbet, aus den Flüssigkeiten gemengt, in der Hand, stieg nun Ini auf das platte Marmordach, wo aus Vasen Blumen dufteten und ihr Webstuhl sich befand. Sie malte fertig, und bei der kunstvollen Einrichtung des Stuhles ahmte sie ihre Malereien in Seidenarbeit nach. Wo blieben die Gobelintapeten, lange zuvor berühmt, neben diesen Geweben! Guido kam ihr nach auf die Zinne. »Mädchen«, rief er, »seit ich dich sah, bin ich erkrankt und genesen, die Lüge wird mir Wahrheit, die Wahrheit Lüge; immer drängt es mich, dich zu sehen wie das Sehenswerteste, und ich fliehe dich wie das Furchtbarste. Ich bin in des Ätna Tiefe gestiegen, doch die Flammen deines Auges trag ich nicht. Deute mir das, hohe Schönheit!« Das Mädchen zog dunkle Falten der Stirne, die aber ihr frohes Auge Lügen strafte. Mit verstelltem Unwillen entgegnete sie: »Ich glaube, du willst mir gar mit Liebe nahen!« Guido rief: »Ich bin mir keines Willens bewusst. Dem Zuge deiner Schönheit folge ich unterwürfig.« Ini sann einen Augenblick mit hochgeröteter Wange nach. Dann sagte sie lächelnd: »Den Worten soll ich Liebe glauben? Beweise sie durch die Tat und ich will mich fragen, ob ich sie hören darf.« Entzückt von dem holden Strahl einer aus weiten Fernen schimmernden Hoffnung flehte Guido mit Ungestüm, ihm die Tat zu nennen, wodurch er seine Liebe zu bewähren hätte. »Tritt näher«, sagte Ini. »Nimm Platz dort auf den Sessel von Elfenbein, dass ich dein Haupt von der Seite erblicke.« Guido gehorsamte still. Ini zog ein anderes Seidenzeug auf ihren kunstreichen Webstuhl, und in wenigen Minuten hatte sie Guidos Abbild darin gewirkt. »Hier«, rief sie, »des sichtbaren Guido Umriss, wie er zeugt von dem unsichtbaren, die Urkunde seines geheimen Lebens, der Tag seiner innen waltenden Nacht.« Guido blickte hin. Die höchste Wahrheit hatte die Bildnerin getroffen. »O webe mir dein Bild«, flehte er wehmütig. »Mit Entzücken will ich es von hinnen tragen.« »Das steht weit hinaus«, erwiderte sie. Doch will ich nun ein zweites Gewebe fertigen.« Sie ging wieder an die Arbeit, während der Jüngling sich mit trunkenen Blicken an der hohen Gestalt weidete und bisweilen ärgerlich auf sein Konterfei sah. Denn es wollte ihm nicht gefallen, obwohl er nicht wusste,...


Julius von Voß wurde am 24. August 1768 in Brandenburg geboren und starb am 1. November 1832 in Berlin. Er war ein deutscher Schriftsteller
und wird als Vater der Berliner »Lokalposse« bezeichnet, einem auf lokalen Dialekten basierendem Theatergenre des 19. Jahrhunderts, bekannt vor allem aus dem Wiener Volkstheater. »Ini. Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert« gilt als erster deutschsprachiger
Science-Fiction-Roman.



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