E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Wackernagel / Beyers Footprint
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86393-535-1
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Welt neu vermessen. Neuausgabe 2016 mit aktuellen Zahlen und Kommentaren, Grafiken und Tabellen
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-86393-535-1
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ressourcenknappheit ist die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts.
Seit Anfang der 1970erJahre verbrauchen alle Länder mehr als die Natur erneuern kann; mittlerweile nutzt die Menschheit den Planeten um 60 Prozent mehr, als er hergibt. Die weltweiten Folgen sind: eine steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre, Wald- und Artenverlust, Trinkwasserknappheit und Bodenerosion.
Wie viel Natur haben wir – wie viel nutzen wir? Auf diese Frage gibt die Footprint- Methode eine wissenschaftlich fundierte Antwort.
Die maßgeblich von Mathis Wackernagel, Präsident des Global Footprint Network in Oakland/Kalifornien und Genf entwickelte Footprint-Methode (oder ökologischer Fußabdruck) ist für die Planung und Risikoabschätzungen von Unternehmern, Investoren, Entwicklungsfachleuten, Stadtplanern und politischen Strategen unverzichtbar.
Das Buch vermittelt anhand von Erfahrungsberichten, Statistiken und Grafiken eine umfassende Bestandsaufnahme unserer Ressourcensituation. Es zeigt, wo die Grenzen unserer Möglichkeiten liegen und was Städte, Regionen, Länder, Unternehmen und was wir selber tun müssen, um innerhalb des Ressourcenbudgets des Planeten gut leben zu können.
Mathis Wackernagel, Ph.D., geboren 1962 in Basel, ist Präsident des Global Footprint Network mit Sitz in Oakland (Kalifornien), Genf, Manila und Brüssel. Das Network hat Partner und Projekte auf allen Kontinenten. Mathis Wackernagel ist mit Bill Rees Pionier der Ecological Footprint- Methode. Er ist Ehrendoktor der Universität Bern. Er erhielt den IAIA Global Environment Award 2015, den Prix Nature Swisscanto 2013, den Binding-Preis für Naturschutz 2012 und auch mit Bill Rees den Japanischen Blue Planet Preis und den Kenneth Boulding Memorial Preis der International Society for Ecological Economics. Im Jahr 2007 wurde Global Footprint Network mit dem Skoll Award for Social Entrepreneurship ausgezeichnet.
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Einleitung
Was nutzt ein Flugzeug ohne Navigationsinstrumente? Sicher, es fliegt. Aber wie hoch, wie schnell? Und wie lautet seine genaue Position? Ohne Armaturen weiß der Pilot nicht einmal, wie viel Treibstoff sich noch in den Tanks befindet. Bei schlechtem Wetter oder nachts wird der Flug lebensgefährlich. Nicht wesentlich anders geht es uns mit dem Naturverbrauch. Wie viele Ressourcen kostet ein Frühstück, ein Urlaub, eine neue Wohnung? Wie viel Natur benötigt eine Stadt, ein Kraftwerk, eine Nation oder die Menschheit als Ganzes? Im Alltag kennen wir den Euro- oder Dollar-Preis der Dinge ziemlich genau. Warum wir das wissen wollen? Ganz einfach: Weil unser Budget beschränkt ist. Wir wollen herausfinden, ob wir uns das leisten können. Wie unser persönliches Budget ist auch die Natur limitiert. Auch hier stellt sich die Frage: Können wir uns diesen Naturverbrauch überhaupt leisten? Und warum messen wir ihn dann nicht? Weil wir bisher kein vernünftiges Instrument dafür hatten. Lange Zeit brauchten wir auch keines, da uns die Natur unerschöpflich erschien. Das ist heute anders. Ob beim Klima oder in den Weltmeeren, mittlerweile erleben wir die Grenzen sehr deutlich. Mittels des Ecological Footprint, auf Deutsch Ökologischer Fußabdruck, und hier kurz Footprint genannt, können wir unseren Naturverbrauch berechnen. In erster Linie ist er ein Buchhaltungssystem. In der Wirtschaft nutzen wir für diesen Zweck Geld. Der Footprint verfügt dagegen über eine andere „Währung“: die biologisch produktive Erdoberfläche. Eine Ware oder Dienstleistung kostet dann eben eine bestimmte Menge Natur, genauer: Erträge, die ein Wald, ein Acker oder Weideland in einem Jahr abwirft. Soweit die Nachfrageseite. Das Angebot der Natur kennen wir dank modernster Technik ebenfalls. Satelliten liefern uns aktuelle Bilder unseres Planeten. Sie zeigen, wo Wälder, Felder, Städte, Straßen, Wüsten, Seen, Weiden oder Steppen zu finden sind. Für die meisten Flächen gibt es zudem Abschätzungen, wie produktiv sie sind. Die Footprint-Buchhaltung führt beide Seiten, Angebot und Nachfrage, zusammen. Das Resultat ist eine wissenschaftliche Beschreibung: Wie viel Natur haben wir? Wie viel brauchen wir? Und wer nutzt wie viel? Der Naturverbrauch ist dabei dem Geldverbrauch durchaus ähnlich. Wenn wir uns am Automaten mit Bargeld ausstatten, sieht man den Scheinen nicht an, ob unser Konto schwarze oder rote Zahlen schreibt. Geld ist erstmal Geld. Allerdings, irgendwann spuckt der Geldautomat nichts mehr aus. Das ökologische Kapital unseres Planeten nur aus dem Bauch heraus zu bewirtschaften, macht also keinen Sinn. Ein Vermögensverwalter ohne Buchhaltung ist blind. Niemand brächte sein Geld zu einer Bank, die keine Bücher führt. Ein Kontoauszug gibt uns eine objektive Bestandsaufnahme. Genau das benötigen wir auch für unsere Ressourcensituation. Zu diesem Zweck richtet sich der Footprint an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, aber ebenso an ein breites Publikum. Beide Akteursgruppen gehören zusammen. Eine wesentliche Stärke des Footprint besteht darin, dass er für jede menschliche Aktivität ausweisen kann, wie viel produktive Fläche dafür benötigt wird. Komplexe Dinge finden ihren Ausdruck somit in einer einzigen Zahl, wie beim Geld. Darüber kann man reden. Der Footprint als intuitiv verständliches Kommunikationsinstrument eignet sich deshalb sehr wohl für eine breite Öffentlichkeit – die wiederum Einfluss nimmt auf ihre Vertreter in Parlamenten und Regierungen, und nicht zuletzt auf die Entscheidungsträger in der Wirtschaft. Die Zeit ist reif. Der Footprint zeigt mit großer Klarheit, dass wir die biologische Grundlage unseres Lebensunterhalts deutlich schneller verbrauchen, als sie erneuert werden kann. Kurz, wir leben über unsere Verhältnisse. Als biologische Wesen sind wir eben auf diese biologische Grundlage angewiesen. Es gibt keinen Ersatz. Das merken die Astronauten in der internationalen Raumstation, der ISS, die die Erde mit 27 000 Stundenkilometern auf 370 km Höhe umkreist, noch viel direkter. Haben sie genug Sauerstoff, Wasser und Essen? Die Folgen der Übernutzung unserer Ressourcengrundlage sehen wir in sozialen Konflikten (wie dem „Arabischen Frühling“ und seinen Spätfolgen) und der andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise. Und doch verblasst die Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession gegenüber den ökologischen Herausforderungen. Wer sie als nachgeordnetes Problem behandelt, dem man sich widmen kann, wenn die Wirtschaftsmaschine wieder läuft, manövriert sich selber ins Aus. Zwischen Ökonomie und Ökologie gibt es durchaus Parallelen. Misswirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass man mehr ausgibt, als man einnimmt; dass man darauf baut, dass der Wert von Immobilien dauerhaft steigt, obwohl sich an den Objekten nichts ändert; wenn man wachsende Schuldenberge aufhäuft, in der vagen Hoffnung, dass sie in der Zukunft schon irgendwie getilgt werden; wenn man Geld in Umlauf bringt, wofür es keinen physischen Gegenwert gibt – und dann noch davon ausgeht, dass alles unendlich so weitergehen kann. Die meisten wissen, dass das nicht funktioniert. Warum sollte es mit den Ressourcen dann anders sein? Warum kurbeln wir die Wirtschaft wieder an, um mit noch höherem Ressourcenverbrauch immer mehr zu produzieren? Warum soll beschleunigter Konsum das Problem lösen, wenn Überkonsum es erst geschaffen hat? Warum vergessen wir so oft, dass Einkommen von Ressourcenverfügbarkeit abhängt? Nach Footprint-Berechnungen hat die Menschheit das „biologische Budget der Natur“, also die Biokapazität des Planeten, im Jahr 2011 bereits um 54 Prozent überzogen. Also die Menschheit braucht die Natur 54 Prozent schneller, als sie sich erneuert. Unsere Schätzung für 2015 kommt gar auf 62 Prozent, also nochmals 8 Prozent mehr, trotz der Finanzkrise. Dieses Phänomen nennen wir Overshoot. Nach den meisten Prognosen wird die Zahl der Menschen von rund sieben Milliarden bis zum Jahr 2050 auf neun bis zehn Milliarden anwachsen. Und die Bewohner der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) werden – Krise hin oder her – weiterhin hart dafür arbeiten, ihren Lebensstandard zu erhöhen. Ressourcenknappheit wird zur zentralen Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Manche fragen sich, ob wir in einer Wasser-, Klima-, Fischerei- oder Nahrungskrise stecken. Die Antwort, dass alle diese Krisen in einer Ursache, unserem Ressourcenhunger, wurzeln, liegt auf der Hand. Wir brauchen nur den menschlichen Stoffwechsel mit der Natur (Metabolismus) genauer zu betrachten. Im 21. Jahrhundert steht das Wort Ökologie für ökonomisches und physisches Überleben, und zwar im eigenen Interesse. Ob Klima, Fischbestände oder biologische Produktivität – viele Ökosysteme des Planeten sind übernutzt und geschwächt. Sollten wir in eine ernsthafte Ressourcenkrise geraten – ob Öl, Wasser oder Nahrungsmittel –, werden wir die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise mit neuen Augen sehen. Manche werden sich danach zurücksehnen. Die Krise verschafft dem Globus eine kleine Verschnaufpause. Ressourcen- und Abfallströme wachsen nicht ganz so schnell, teilweise sind sie sogar rückläufig. Aber das ist nicht das Ziel. Die Frage ist: Wie können wir den Metabolismus der Menschheit zurückfahren, ohne die Wirtschaft abzuwürgen und ohne die Benachteiligten noch weiter an den Rand zu drängen? Wie können wir uns schnell genug aus dem Overshoot hinausmanövrieren und gleichzeitig die Lebensqualität aller sichern? Dies ist ein guter Zeitpunkt, innezuhalten. Was wollen wir wirklich? Vielleicht wollen wir ja alles einfach behalten. In Europa kann man den Eindruck gewinnen, das wäre möglich. In vielen architektonischen Details sehen Paris und London aus wie vor 100 Jahren. Der rasche Wandel fällt dort kaum ins Auge – eine Illusion. Dennoch leben wir in einer äußerst dynamischen Zeit: 79 bzw. 82 Prozent aller fossilen Energieträger, die die Menschheit je verbraucht hat, wurden in der Lebenszeit der Autoren verbrannt. Wie viel Prozent der gesamten je genutzten fossilen Energie wurde seit Ihrer Geburt verbrannt? Die Tabelle im Anhang auf Seite 206 zeigt: Wurden Sie 1975 geboren so waren es 67 Prozent bis 2015. Die Anzahl der Menschen auf dem Globus hat sich mehr als verdoppelt, der Druck auf die Natur verdreifacht. Die Geschichte läuft mit hohem Tempo. Daher wird diese Frage immer wichtiger: Wie können wir es schaffen, innerhalb der Möglichkeiten der Natur zu leben – und zwar gut? Der Footprint liefert uns dafür die erforderlichen Daten. Zum Beispiel über den Naturverbrauch von Städten, und das für alle grundlegenden menschlichen Bedürfnisse: Nahrungsmittel, Wohnen, Energie, Mobilität und Abfallentsorgung. Wenn der Footprint eines Bewohners von Siena nur ein Drittel von dem eines Bürgers von Houston, Atlanta oder Los Angeles ausmacht, dann ist Siena einfach im Vorteil. Wer sich besser auf das Leben in einer Welt mit knappen Ressourcen vorbereitet, wird zu den Gewinnern gehören. Wer zu lange zögert, zu den Verlierern. Eine vorsorgende Ressourcenpolitik ist im ureigenen Interesse aller Städte, Regionen und Staaten. Und zwar jetzt. Los Angeles kann sich nicht über Nacht in ein Siena verwandeln. Wenn heute die Mehrzahl der Menschen in Städten wohnt, dann entscheidet sich das Schicksal unserer Zivilisation genau dort. Der Footprint hilft dabei, Infrastruktur und Stadtplanung zukunftssicher zu machen. Beispiel Verkehr: So vielschichtig die Diskussion über Busse, Bahnen und Autos, über Anbindung und Steuerung der Systeme auch sein mag, der Footprint reduziert die...