E-Book, Deutsch, Band 2, 142 Seiten
Reihe: Autobiografisches Schreiben
Weber-Bock Lebensgeschichten schreiben? - Vom Ende zum Anfang!
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-7144-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schreibratgeber Libelle - Autobiografisches Schreiben
E-Book, Deutsch, Band 2, 142 Seiten
Reihe: Autobiografisches Schreiben
ISBN: 978-3-7693-7144-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schreibratgeber Libelle Blitzschnell huscht etwas durch unseren Kopf. Libellen helfen, Ideen zu fangen, und schenken Ihnen eine Rundumsicht. Wer könnte das besser als sie, es gibt Libellen seit 300 Millionen Jahren. Erfahren Sie das Glück im Schreiben, pfeilschnell wie die Libellen im Flug. Finden Sie neue Wege zur Kreativität. Wagen Sie es und schaffen Sie sich Freiräume. Schreiben Sie. Die Reihe Schreibratgeber Libelle wird ein breites Spektrum bieten. Ich beginne mit der Serie Autobiografisches Schreiben, da bei mir selbst am Anfang der Wunsch stand, Geschichten aus dem eigenen Leben zu erzählen. Geplant habe ich dazu drei Bände, die Sie Schritt für Schritt zum literarischen Schreiben verführen. Ziel ist es, etwas so aufzuschreiben, dass es auch andere erreicht. Seit vielen Jahren geistern noch weitere Ratgeber-Serien durch meinen Kopf. Themen wie Reisen und Schreiben, Kreatives Schreiben sowie auch das Gedichte schreiben treiben mich persönlich um und fließen in mein Schreiben und meine Kursthemen ein. Finden Sie Ihr Herzensthema und folgen Sie ihm. Das Schreiben wird Sie reich beschenken. Über dieses Buch Im ersten Band erhalten Sie zahlreiche Tipps, wie Sie Zeit für das Schreiben finden und die Kreativität anregen. Sie möchten weitergehen und spannende Erlebnisse aus Ihrem Leben aufschreiben? Lernen Sie in diesem Band erste handwerkliche Grundlagen kennen und lassen Sie sich zeigen, wie Geschichten gemacht werden. Machen Sie sich den Stoff Ihrer Autobiografie bewusst und gestalten Sie Ihre Geschichten vom Ende zum Anfang. Die Wahrheit liegt in der Mitte.
Jutta Weber-Bock, Schriftstellerin und Schreibcoach seit über 30 Jahren; Lehraufträge an der Universität Stuttgart und der Hochschule für Medien; mit einer Liebe nach Stuttgart gekommen und aus Liebe zur Stadt geblieben. 2006 erschien ihr Handbuch "Autobiographisches Schreiben", das sie nun überarbeitet und erweitert hat.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 2: Empathie entwickeln
Jeden Tag nehmen wir bei anderen Menschen Töne und Akkorde wahr, die sich durch ihre Worte und Taten ziehen. Wir stellen uns vor, wie es ihnen geht. Erahnen zu können, was jemand fühlt, ist die Basis der Menschenkenntnis. Dazu gehört es aber auch, uns selbst besser kennenzulernen. Mit dem Schreiben haben Sie damit begonnen. Daniel Goleman sagt: „Die Grundlage der Empathie ist Selbstwahrnehmung; je offener wir für unsere eigenen Emotionen sind, desto besser können wir die Gefühle anderer deuten.“ 25 Das Zittern einer Stimme gibt uns ein Signal. Wir nehmen es im Alltag auf und bauen es beim Schreiben in unsere Geschichten ein. Damit gestalten wir die Beziehungen zwischen den Menschen und den Dingen. Das ist die Aufgabe der Kunst, der Literatur. In diesem Kapitel erproben Sie es, wie Sie sich in Ihren Stoff einfühlen können. Beginnen Sie mit dem Ende und schreiben Sie darauf hin. Aller Anfang ist dann leicht. Die Wahrheit finden Sie in der Mitte, wenn Sie sich mit Ihren Figuren den Konflikten stellen. Spüren Sie der Biografie von Dingen nach, die nur auf den ersten Blick leblos sind. Schreibimpuls (9) Autobiografisches Schreiben
Vorbereitung: Versetzen Sie sich in etwas aus der unbelebten Natur hinein, und zwar in einen Gegenstand. Sind Sie groß und stark? Entspannt? Gelassen? Was hören oder schmecken Sie? Wählen Sie etwas Konkretes. Beispiele: Sie könnten sich wie ein Spielball ohne Luft, ein Stuhl oder ein Tisch, eine Flasche oder ein leeres Brillenetui fühlen. Bitte machen Sie einen großen Bogen um technische Geräte. Schreiben: Beginnen Sie damit, was Sie sind: Ich bin ein Brillenetui, eine Flasche. Geben Sie uns kein Rätsel auf, schreiben Sie einen kurzen Text. Nehmen Sie sich zehn Minuten Zeit. Bearbeiten: Lesen Sie Ihren Text. Wo könnte er konkreter oder sinnlicher sein? Wiederholen: Üben Sie es, sich in die Dinge hineinzuversetzen. Schauen Sie aus dem Fenster, werden Sie für eine Weile schreibend ein Ziegelstein aus der Hauswand im Hof. Seien Sie neugierig. Horchen Sie in sich und Ihren Gegenstand hinein. Schreiben hat immer mit der eigenen Person zu tun. Je nachdem, wie Sie sich fühlen und wie Sie die anderen wahrnehmen, werden Ihre Texte schwebend leicht oder wütend und ironisch. Unter Umständen ändert sich Ihre Stimmung. Nutzen Sie es. Mich hat eine blaue mauer mehrere Jahre umgetrieben. Meine Gedanken sind immer wieder um sie gekreist. Gefunden habe ich sie an der Hochschule der Medien in Stuttgart, wo ich einen Lehrauftrag für Kreatives Schreiben innehatte. Im Foyer stand eine alte Zeilensetzmaschine, die mich nicht losgelassen hat. Beispiel: die blaue mauer 26 ... hungrig nach bläue zieht sich die mauer von der alten linotype auf augenhöhe am abbruch entlang, der hang spiegelt sich im gegenüber, niemand sieht jedermann, lose geschichtet die letzten brocken kalkstein im mischwald, märchen schnee von gestern, im herzen blau, nachdurst am viadukt, in das kalte tal flieht sie und lässt an der rampe die sau raus, quiekt mit dem geländer, es dauert nicht lange, bis sie sich aneinander gewöhnen, und doch finden sie sich überflüssig, sprechen nichts aus, stehen fuß bei fuß, berühren sich nicht, es bleibt dieser abstand in der balance, gar nicht so leicht, es immer säuisch an einer stelle zu treiben und weiterzulaufen, leon stellt sein fahrrad an ihr ab und liefert seinen kopf gleich mit, schweinerei und nicht mal ein anzugträger ist er, die zacke fährt ins theater ein, gefangen an der kante: ein kinderwagen aus fünfzig jahren, seine krawatte fliegt davon, nach der pause fällt jedermann in den zwischen.raum: ein abgefrorener finger, leons haarband, ein paar handschuhe, zu zweit ist es wärmer, da passt ein leben hinein, eine feuertreppe schlängelt sich durch den heusteig, die mauer bleibt stehen, wo sie verläuft, alle starren sie an, es blaut und staubt im kessel, diese mauer verheißt kein entkommen, ihr lorbeer paart sich mit einer heckenrose und vertrocknete geranien geben gottes segen, am notfallsammelpunkt wartet hinz, der alte waldkauz, einen fahrer gibt es schon lange nicht mehr, autonom gelangt die mauer bis kurz vor kunzens schweinebacke, da zerren die heiligen sie hinter dem alten horizont hervor, diese grinsenden putten tragen äxte und containern sich blau ... Meine blaue Mauer lehnt sich an Mörikes Albtrauf und zieht sich durch die Stadt. Wir sehen sie nicht, nehmen im Allgemeinen keine Notiz von ihr und doch ist sie da, zwischen Arm und Reich, Alt und Neu, eine Welt inmitten der Abrissbirne. Im zwischen.raum.stuttgart finden wir „das, was man im Allgemeinen nicht notiert, was nicht bemerkt wird, was passiert, wenn nichts passiert außer Zeit, Menschen, Autos und Wolken.“ 27 Mein Projekt 28 zur blauen mauer war wie bei Perec eine kleine Schule der Wahrnehmung. Ich habe mir genommen, was nicht bemerkt wird und nicht zusammen gehört. Mein Blick für die ungeliebten Ecken der Stadt hat sich dabei geschärft. Sie haben gelesen, was mir die blaue mauer alles in die Tasche gesteckt hat. Was aber tragen Sie als Spielball ohne Luft oder Flasche, als Brillenetui oder Stuhl mit sich herum? Zeigen Sie her, was sich in Ihren Taschen versteckt und verraten Sie, womit Sie sich auskennen. Schreibimpuls (10) Tretjakovs Tasche 29
Vorbereitung: Legen Sie die persönlichen Gegenstände (zum Beispiel: Feuerzeug, Uhr, Brille, Schmuck, Stift, Notizbuch), die Sie bei sich tragen (in der Hosen-, Mantel-, Jackentasche), auf den Tisch. Wählen Sie aus und nehmen Sie einen davon in die Hand. Schreiben: Erzählen Sie die Geschichte des Gegenstands. Woher oder von wem haben Sie ihn? Was haben Sie damit erlebt und wozu tragen Sie ihn mit sich herum? Wiederholen (1): Suchen Sie sich einen Partner. Legen Sie jeder ein paar Gegenstände auf den Tisch. Wählen Sie einen aus dem fremden Fundus. Variante (1): Erzählen Sie dem anderen dessen Geschichte. Machen Sie sich jeweils Notizen, was der andere erzählt. Schreiben Sie es auf und verdichten Sie es. Variante (2): Stellen Sie Mutmaßungen über einen Gegenstand des anderen an. Ziehen Sie beim Schreiben nach dem Sherlock-Holmes-Prinzip Rückschlüsse auf die Person. Wiederholen (2): Nehmen Sie zwei Gegenstände aus Ihrer Tasche und lassen Sie diese miteinander reden. Wiederholen (3): Das schönste oder schlimmste Erlebnis mit einem Gegenstand aus der Tasche, erinnern Sie sich und schreiben Sie darüber. Wiederholen (4): Schreiben Sie die Geschichten von Möbelstücken auf. Natürlich ist mir bei den Gegenständen aus Tretjakovs Tasche gleich der Roman „Tom Sayer“ 30 von Mark Twain eingefallen. Nach seinem langen Arbeitstag findet Tom „zwölf Murmeln […] einen Scherben aus blauem Flaschenglas […] Kaulquappen, sechs Knallfrösche […] ein Hundehalsband, allerdings ohne Hund […].“ Tom Sayer erzählt auch, von wem er etwas bekommen hat. In den Dingen stecken die Konflikte, die Tom mit den Besitzern hat. Die Gegenstände erhalten ihren Wert erst durch ihre Herkunftsbiografie und zeigen Toms Reichtum am Ende des Tages. Hintergrund: Tretjakovs Tasche 31 Sergej Tretjakov (* 1892 in Riga, 1939 in einem Lager in Sibirien erschossen) entwickelte die Methode für seine Sozialreportagen. Durch die Biografie der Dinge konnte er Rückschlüsse auf den Besitzer ziehen und ein Soziogramm erstellen. Sie können über die Dinge aus den Taschen eine Person in einer Geschichte vorstellen und diese durch den Gegenstand charakterisieren. Ein Gegenstand bietet Ihnen auch einen guten Einstieg in eine Geschichte. Doch was ist das? Eine Geschichte? Journalisten berichten von einem Geschehen. Es ist durch eine lineare Abfolge gekennzeichnet und kausal begründet. Beispiel: Autounfall am Olgaeck. Ein Mann hat das Rotlicht übersehen und ist mit dem Wagen einer Frau kollidiert. Verletzt wurde niemand. Das lesen Sie am nächsten Tag in einer Kurznotiz in der Zeitung. Zusammengestellt aus dem Polizeibericht. Ein Geschehen, keine Geschichte. Tritt aber etwas in diesen Vorgang ein, das zu einer unerwarteten Wendung führt, wird eine Geschichte daraus. Beispiel: Der Unfallverursacher ist der geschiedene Mann der Frau. Alte Konflikte kochen hoch und durchbrechen die Logik des Kausalen. Eine Geschichte lebt von diesem Spannungsfeld, in dem die Personen agieren. Wer wird am Ende gewinnen? Oder anders ausgedrückt: Wenn Sie Minus- und Pluspol zusammenbringen, gibt es einen Kurzschluss. Schalten Sie eine Glühbirne dazwischen, geht das Licht an. Das ist die Geschichte. So hat es der Schriftsteller Peter Renz 32 in seinen Seminaren erklärt. Eine Geschichte hat einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss. Sie dreht sich immer um Konflikte, an denen Personen aktiv beteiligt sind. Diese setzen sich für ihre Ziele ein und verändern sich dabei. Sie haben bereits in den bisherigen Schreibimpulsen erprobt, wie Sie Ideen...