E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Weichmann SOKO Ente
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8392-6016-6
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein tierischer Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-8392-6016-6
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mit der Ruhe am Ententeich ist es vorbei: Ein Baulöwe plant, Luxusappartements am Ufer hochzuziehen, ein Umweltschützer kämpft für den Erhalt der Natur, ein Toter liegt im Auto, der Bürgermeister kollabiert und ein nächtlicher Anschlag färbt den See giftgrün. Die Enten ertragen alles mit stoischer Ruhe und beschäftigen sich lieber mit Futtersuche und Federpflege. Nur Charlie, eine ausnehmend gewitzte Jungente, wittert eine Verschwörung und beginnt, in der Menschenwelt zu ermitteln. Doch damit nimmt das Chaos seinen Lauf.
Autoren/Hrsg.
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Montag
Am Montag zwitschert ein seltsamer Vogel dreimal, nacktes Fleisch leuchtet durch die Büsche, der Duke schießt den Pfeil aller Pfeile, ein Leviathan verschwindet im Dunst. »Lass das! Nicht hier!« Die Frau schob den Arm des Mannes von sich. Doch ihre Stimme klang neckisch und strafte die abwehrenden Worte Lügen. »Ach ja? Und warum nicht?« Der Mann legte erneut seinen Arm um sie, diesmal ließ sie es geschehen. »Hast du Angst, dass uns ein Eichhörnchen zuguckt?« »Na ja, es kann doch immer mal jemand vorbeikommen.« Ihrem Einwand fehlte es hörbar an Substanz. Der Mann winkte ab und nutzte die Gelegenheit, um sich über die Knöpfe ihrer Bluse herzumachen. Gleichzeitig schaffte er das Kunststück, mit der anderen Hand sein Hemd auszuziehen. Die Frau ließ nicht locker. »Schau mal, man sieht, dass wir hier reingelaufen sind. Wenn jetzt jemand vorbeikommt, wird er bestimmt neugierig.« Der Mann blickte leicht genervt nach hinten. Der Schlamm des letzten Regengusses war unter den Bäumen noch nicht vollständig getrocknet. Die Spur ihrer Schuhe – seine groß und flach, ihre klein und mit Absatz – führte deutlich sichtbar zu der eingewachsenen Lichtung, auf der sie sich nun befanden. Erneut wischte er ihre Argumente mit einer Handbewegung beiseite. »Papperlapapp. Wer soll sich dabei schon etwas denken?« Doch die Sorge der Frau war durchaus begründet. Zwar kannten sich die beiden schon seit vielen Jahren und waren verheiratet, aber nicht miteinander. Das machte die Sache kompliziert, sodass sich ihre amourösen Eskapaden meist auf kurze gegenseitige Besuche oder unbequeme Autogymnastik beschränkten. Heute hatte der Mann das abgelegene Naturschutzgebiet hinter dem See vorgeschlagen, um überraschend auftauchenden Ehepartnern und Bandscheibenschäden vorzubeugen. Sie schmiegte sich an ihn und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. »Hast ja recht. Wir sollten die Gelegenheit …« Der Rest ihres Satzes wurde undeutlich, als sie die Bluse über den Kopf zog. Hastig streifte er seine Hose herunter, rückte seine Boxershorts zurecht und zog den Bauch ein. Plötzlich stockte die Frau mitten in der Bewegung. »Aua!« Wie ein kopfloses Monster in einem Horrorfilm zuckte sie mit der halb ausgezogenen Bluse hin und her. »Was ist los?« »Ich … ich hänge mit den Haaren fest«, kam ihre Stimme undeutlich aus dem Textil. Der Mann unterdrückte einen Fluch. Heute war aber auch der Wurm drin! Er begann, an der Bluse zu zupfen. Verärgert stellte er fest, dass sich die Knöpfe auf geradezu biestige Art und Weise in ihren Haaren verheddert hatten. Um besser sehen zu können, beugte er sich nach vorn – genau im selben Augenblick, in dem ihr Kopf herausschoss. Hörbar knallte der Schädelknochen gegen seine Nase. »Uhhh!«, quetschte er hervor, da floss auch schon Blut zwischen seinen Fingern hindurch. »O nein! Schatz, das war keine Absicht!« Aufgeregt packte sie ihn bei den Schultern, während weiter Blut aus seiner Nase auf den Boden tropfte und er nach einem Taschentuch kramte. Ermattet lehnte er sich an einen Baum und spuckte eine Mischung aus Speichel und Blut ins Gebüsch. Seine Libido war inzwischen am Nullpunkt angelangt, er ahnte, dass es ihr genauso ging. Die beiden schauten sich an – er hielt das blutige Tuch vors Gesicht, sie zupfte ein halbes Dutzend Haare aus den Blusenknöpfen und ließ sie davonfliegen – und mussten wider Willen lachen. »So ein Schäferstündchen in Gottes freier Natur hätte ich mir, ehrlich gesagt, etwas romantischer vorgestellt«, nuschelte er nasal. Sie nickte und wollte etwas antworten, da hob er die Hand. Eine Sekunde später hörte sie es auch. Ein Auto! Alarmiert fuhren die beiden hoch. Was um alles in der Welt hatte ein Auto mitten im Naturschutzgebiet verloren? »Cool!« Lasse war beeindruckt von den Bastelkünsten seines Bruders Jakob. Dieser hatte es geschafft, innerhalb von fünf Minuten aus einem biegsamen Ast und einem Stück Schnur einen Bogen zu bauen. Jakob zog probeweise an der improvisierten Sehne und schaute zufrieden zu, wie sich das Holz bog. Mit knapp zwölf war er eineinhalb Jahre älter als sein Bruder, deshalb war es wichtig, dass alle guten Ideen und deren Durchführung in seinen Händen lagen. Er spannte den Bogen und prüfte völlig ahnungslos, aber mit fachmännischem Blick die Knoten. »Schau, wie beim Duke!« »Boah. Voll wie beim Duke!«, wiederholte Lasse ehrfürchtig. ›Der Duke‹, das war der digitale Actionheld Duke Nukem, mit dem die beiden Brüder fast täglich wilde Abenteuer auf ihrer Spielkonsole erlebten. Wenn sie in die Rolle des Dukes schlüpften, waren sie nicht mehr rothaarig, dünnbeinig und mit Sommersprossen übersät, o nein, Duke Nukem war ein cooler Held mit Zigarre und mächtiger Bewaffnung, der gegen Aliens kämpfte und diese reihenweise niedermetzelte. Heute Nachmittag allerdings waren sie ohne den Duke unterwegs, denn ihre Mutter hatte sie mit einem Keine-Widerrede-Blick von der Playstation weggeholt und vor die Tür geschickt. Die Begründung lautete, dass bei so schönem Wetter draußen an der frischen Luft gespielt werden solle. Dummerweise kannten die beiden keine Spiele, die man »draußen an der frischen Luft« spielen konnte. Also entschlossen sie sich, die Abenteuer des Dukes in den Wald am See zu versetzen. Eine gute Basis dafür war Jakobs Duke-Nukem-Rucksack in grünbraunem Armee-Design, in dem sich zwar nur eine halb leere Chipstüte befand, der aber durch ein großes Warnzeichen für Radioaktivität zu beeindrucken wusste. Nach mehreren Kampfübungen, die stets zugunsten von Jakob ausgingen, wollten sie sich nun zusätzlich zum Rucksack ein standesgemäßes Waffenarsenal zulegen, bevor sie nach Hause mussten. Der Bogen entsprach zwar nicht ganz den üblichen Strahlen- und Phaserwaffen des Dukes, war aber ein guter Anfang. Lasse schaute seinen Bruder erwartungsvoll an, was nun zu tun sei. »Los!«, kommandierte der Große wichtigtuerisch, »such einen dünnen, geraden Ast. Wir bauen einen Pfeil!« Innerhalb von Sekunden waren der Mann und die Frau zwischen den Büschen verschwunden. Hinter ihnen lag der See, rechts und links versperrte Gehölz den Weg. Also blieb ihnen nur, sich so gut wie möglich zu verstecken. Der Mann hatte das Gefühl, sein blasser, von den Boxershorts mehr als dürftig bedeckter Körper würde wie eine helle Laterne durch das Unterholz leuchten, doch seine Kleider lagen in unerreichbarer Ferne. Das Auto kam näher, trockenes Holz knackte auf dem unbefestigten Boden. »Forstwirtschaft vielleicht?«, wisperte die Frau. Ihr Begleiter schüttelte den Kopf. »Viel zu weit entfernt von den Wegen.« Sein Flüstern war kaum zu verstehen, weil er noch immer das blutige Taschentuch auf die Nase presste. »Muss ein ganzes Stück quer durch den Wald gefahren sein.« Ein massiger Schatten schob sich durch die Büsche und erreichte die Lichtung, auf der sich die beiden vor weniger als einer Minute getummelt hatten. Es war ein grüner Geländewagen, ein edler britischer Range Rover, der nicht nach Forstverwaltung aussah, sondern eher nach Golfplatz, Herrenhaus und Fuchsjagd. Zwei Silhouetten waren darin zu erkennen. Das Nummernschild gehörte zu einer größeren Stadt im Umland. Der Motor verstummte. Eine Sekunde lang war nichts zu hören außer dem Ticken, mit dem das erhitzte Metall abkühlte. Die beiden heimlichen Beobachter schauten sich an. Hatte ein anderes Pärchen dieselbe Idee gehabt wie sie, sich aber schlauerweise für eine Unterlage aus Leder statt aus Baumwurzeln entschieden? Die Fahrertür öffnete sich. Ein Mann stieg aus, nicht allzu groß, aber schlank und von katzenhafter Geschmeidigkeit. Er trug einen schwarzen Anzug, sein Gesicht kannten die beiden heimlichen Beobachter nicht. Der heimliche Lover? Die amouröse Theorie fiel in sich zusammen, als die Scheibe auf der Beifahrerseite nach unten fuhr und einen zweiten Mann offenbarte, der sich sichtlich unwohl fühlte. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. »Hör zu, wir … wir können darüber reden, okay?« Der andere trat an die offene Scheibe heran. Seine Stimme klang heiser, hatte einen harten, fremdländischen Akzent mit rollendem R und leierte ein wenig. »Vitali hat dir vertraut. Er hat geglaubt, du wärst sein Freund. Und nun?« Der Mann hinter den Büschen hätte trotz der ernsten Situation fast laut losgelacht. Was war denn hier los? Hatten die beiden ein bisschen zu oft den Paten geschaut und machten einen auf Don Vito Corleone? »Sag … sag Vitali, dass ich ihn …« Der Heisere unterbrach das Gestotter. »Was würdest du an Vitalis Stelle tun? Sag schon! Was würdest du tun, eh?« Die Frau warf ihrem Begleiter einen Blick zu, und er sah, dass sie dasselbe dachte....