Werner / Moulster / Iorizzo | Menschen mit geistiger Behinderung pflegen und fördern | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Werner / Moulster / Iorizzo Menschen mit geistiger Behinderung pflegen und fördern

Das Moulster-Griffiths-Modell für die Behindertenpflege

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-456-76058-2
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Pflegemodell zur person-zentrierten Behindertenpflege

Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen sowie Lern- und Fähigkeitsstörungen zu pflegen und zu begleiten ist ein wichtiges pflegerisches Aufgabenfeld in der stationären, ambulanten, gemeindenahen Versorgung. In Deutschland haben 1.014.000 Menschen eine geistig-seelische Behinderung, deren Beeinträchtigungen in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren ihre volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben behindern könnten. Daher bedürfen sie in unterschiedlichem Umfang pflegerischer und heilpädagogischer Unterstützung.
Das Fachbuch der britischen Pflegeexpert_innen für Behindertenpflege beschreibt und begründet ein Rahmenmodell zur Pflege von Menschen mit Behinderungen und zeigt, wie Pflegefachpersonen es in der Praxis anwenden können. Es orientiert Pflegende verständlich, wie sie den Pflegeprozess von Menschen mit Behinderungen wirksam steuern und den Pflege- und Hilfebedarf einschätzen, planen, ausführen, reflektieren und evaluieren können. Ziel ist eine auf die Person des behinderten Menschen ausgerichtete Pflege, die auf komplexe Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, ihren Angehörigen und Bezugspersonen eingeht und gute Versorgungsergebnisse erzielt. Die deutsche Ausgabe wurde bezüglich rechtlicher sowie pflegetheoretischer, pflegeprozessorientierter und -praktischer Inhalte adaptiert.
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Zielgruppe


Pflegefachpersonen, Heilpädagog_innen, Heilerziehungspflegende

Weitere Infos & Material


|23|2  Einführung in das Moulster/Griffiths-Pflegemodell
Joshua Kernohan und Gwen Moulster Dieses Kapitel untersucht konzeptionelle Modelle, die im Vereinigten Königreich in der Pflegepraxis verwendet werden und nutzt sie als Ausgangsbasis für die Entwicklung des Moulster/Griffiths-Pflegemodells. 2.1  Der Pflegeprozess
Der Nursing and Midwifery Council (2015) verfügt in seinem Praxiskodex, dass die Pflegenden die von ihnen durchgeführte Pflege gemäß dem von Henderson (1966) beschriebenen und in den 1970er- Jahren im Vereinigten Königreich eingeführten Pflegeprozess einschätzen, planen, implementieren und evaluieren. [Der Nursing and Midwifery Council (NMC) ist die Regulierungsbehörde für Pflege- und Hebammenberufe in Großbritannien. Das NMC führt ein Register aller Krankenschwestern, Hebammen sowie von Experten und Mitarbeitern im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Anm. d. dt. Hrsg.] Die Pflegepraxis brauchte eine Struktur und einen methodischen Entscheidungsfindungsprozess, um geeignete Interventionen zu ermöglichen (Yura & Walsh, 1967). Vor Einführung des Pflegeprozesses war die Pflegepraxis abhängig von dem Hintergrund, den Werten, den Einstellungen, den Fähigkeiten und Erfahrungen einzelner Pflegepersonen, was zu beträchtlichen Unterschieden in der Qualität und Durchführung der Pflege führte. Die Pflegenden haben es heute immer häufiger mit komplexen Gesundheitsproblemen zu tun und müssen Entscheidungen treffen, die mit einem gewissen Risiko verbunden sind. Mit zunehmendem Ansehen der Pflegepraxis hat die Pflegeperson für eine optimal geeignete, evidenzbasierte und effiziente Pflegestrategie zu sorgen. Laut Binnie und Titchen (2001) hängt der Erfolg des Pflegepro|24|zesses von verschiedenen organisatorischen Faktoren ab, die seine Effizienz beeinträchtigen oder begünstigen können. Der Pflegeprozess bietet einen Rahmen für die Entscheidungsfindung, setzt jedoch aufseiten der Pflegenden klinische Fähigkeiten und Kenntnisse voraus, die sie befähigen zu erkennen, was sie einschätzen sollen und welches die richtigen Entscheidungen sind – Pflegemodelle stellen die Mittel bereit, um dieses Ziel zu realisieren (Schober, 2008). 2.2  Was sind Pflegemodelle?
Ein Pflegemodell ist eine Philosophie oder Betrachtung der Pflege, an der sich die Pflegepraxis orientiert (Aggleton & Chalmers, 2000). Als die Rechte der Betroffenen stärker berücksichtigt und die Gestaltung und Entwicklung von Dienstleistungen zunehmend individualisiert wurden, suchten die Pflegenden nach einem Pflegeansatz, der besser zu den neuen Praxismethoden passte. Im Gesundheitswesen herrscht Einigkeit darüber, dass ein Zusammenhang zwischen der Nutzung von Pflegemodellen und der Realisierung der für die zu unterstützenden Menschen ausgewählten Ergebnisse besteht (Kaplow & Reed, 2008). Es gibt viele verschiedene Modelle, die die Persönlichkeit, die Gesundheit und die Rolle der Pflegenden jeweils anders konzeptualisieren. Praxismodelle gehen davon aus, dass jede Person, mit der die Pflegeperson arbeitet, aufgrund ihrer Persönlichkeitsmerkmale, Werte und Lebensgeschichte anders reagiert. Die Pflegeperson muss in der Lage sein, dies zu berücksichtigen, entsprechend zu reagieren und gleichzeitig den guten Standard der Gesundheitsfürsorge im Blick haben (Schober, 2008). Entsprechend der Personalisierungspflicht in der aktuellen Gesundheitsfürsorge setzen Pflegemodelle häufig auf person-zentrierte Pflege bzw. stellen die Person in den Mittelpunkt. Ziel der meisten aktuellen Pflegemodelle ist die Verbesserung der Gesundheit und nicht die Heilung und die Erkenntnis, dass das Konzept Gesundheit nicht absolut ist. Im Bereich der auf geistige Behinderungen spezialisierten Pflege kann vieles als „person-zentrierter Ansatz“ gelten, der sich dadurch auszeichnet, dass die Person als Partner im Pflegeprozess anerkannt wird. Dies zeigt sich sogar in Bereichen der Praxis, die ihrem Wesen nach eher restriktiv sind, wie z.?B. forensische Dienste, von denen wir aus der Forschung wissen, dass Sicherheit im Umgang mit den Betroffenen oberste Priorität besitzt (Department of Health, 2010). Vielleicht ist der Grund für die Bedenken der Pflegenden, ausschließlich mit Pflegemodellen zu arbeiten, dass sie glauben, das Modell bestimme dann über |25|ihre Vorgehensweise. Doch jedes Pflegemodell soll lediglich den Entscheidungsfindungsprozess erleichtern und nicht die klinische Beurteilung ersetzen. Genau dies tut ein Pflegemodell, wenn es die Beziehung zwischen diesen vier Konzepten überprüft: Persönlichkeit, Rolle der Pflegenden oder der Pflege, Gesundheit und Umgebung (Hamilton & Price, 2017). 2.3  Arbeit mit einem Pflegemodell
Die Pflegeausbildung vermittelt theoretisches und praktisches Wissen, sodass die Studierenden die im Studium erworbenen Kenntnisse dort anwenden können, wo sie ihr klinisches Praktikum absolvieren. Doch in den entsprechenden Praxisbereichen besteht oft eine große Kluft zwischen der Arbeitsweise der Pflegenden und dem, was die Ausbildung oder die bewährte Praxis empfiehlt (Binnie & Titchen, 2001). Die Arbeit mit einem Pflegemodell kann diese Kluft überbrücken, da es theoretisches Wissen mit der pflegerischen Praxis verknüpft. Der traditionelle Pflegeansatz in der Viktorianischen Zeit orientierte sich am medizinischen Modell, das heute oft kritisiert wird, weil es ausschließlich die biologischen Aspekte gesundheitlicher Probleme und deren „Behandlung“ im Blick hat (Ball, 2017). Dies führte dazu, dass die Pflegenden die Pflege hierarchisierten und die Pflegepraxis aufgabenorientiert durchführten, was das Konzept der Pflege als „Disziplin“ infrage stellte, da sie kaum Spielraum hatte, ihre Ziele und Konzeptualisierungen in puncto Gesundheit selbst zu artikulieren und zu entwickeln. Die Pflege in einem Langzeitkrankenhaus oder einer Langzeiteinrichtung war häufig sogar noch restriktiver, denn für sie bestand die Aufgabe der Pflegeperson in der Durchführung diverser Aufgaben, wie z.?B. die Verabreichung von Medikamenten, die Körperpflege und die Behandlung von Krankheiten (Mitchell, 2009). Mit der Verlagerung der Krankenhäuser in gemeindenahe Settings musste sich die auf geistige Behinderungen spezialisierte Pflege allerdings verändern, da die vorgegebenen Aufgaben nicht mehr taugten. In dieser Zeit arbeiteten Pflegende mit Konzepten wie z.?B. der Normalisierung (Wolfensberger, 1972) und dem Five Accomplishments Model (O’Brien, 2004), dessen Ziel es war, die Bedürfnisse der Betroffenen und die Rollen ihrer Unterstützer zu definieren. [Mithilfe dieses Modells sollen Menschen bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse in fünf Bereichen unterstützt werden. Es erfolgt eine Einschätzung, inwieweit die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in diesen Bereichen erfüllt werden: alltägliche Orte gemeinsam benutzen, Wahlmöglichkeiten haben, Fähigkeiten entwickeln, mit |26|Respekt behandelt werden und eine geschätzte soziale Rolle spielen, in Beziehungen wachsen. Anm. d. dt. Hrsg.] Die Zunahme von Pflegetheorien in Kombination mit der immer weiter um sich greifenden Verbreitung des Konzepts Ganzheitlichkeit erzwang eine umfassendere Betrachtungsweise von Gesundheit und Wohlbefinden – heute bekannt als biopsychosoziales Modell (Deane, 2017). Nicht nur die medizinischen Bedürfnisse der Betroffenen waren von Bedeutung, sondern auch ihre Gefühle, Emotionen und Beziehungen spielten eine Rolle. Die Pflege wurde dynamischer und erkundete die Bedürfnisse der Betroffenen, um einen individualisierten Pflegeplan entwickeln zu können. Modelle bieten eine Struktur an, die zu diesem Ziel führt. [Pflegekonzepte bilden auch in Deutschland den verbindlichen Handlungsrahmen für Mitarbeiter im Pflege- und Betreuungsbereich. Sie sind individuell auf die jeweilige Einrichtung anzupassen. Hier werden Prinzipien, die die Grundlage des pflegerischen Handelns darstellen, ...


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