E-Book, Deutsch, Band 12, 106 Seiten
Reihe: QueerWelten
Westkott / Tunnat / Juvenell Queer*Welten 12-2023 - Das queerfeministische Phantastik-Magazin
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-947720-80-4
Verlag: Ach je Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 12, 106 Seiten
Reihe: QueerWelten
ISBN: 978-3-947720-80-4
Verlag: Ach je Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Queer*Welten ist ein halbjährlich erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und Fantasy-Magazin, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kurzgeschichten, Gedichte, Illustrationen und Essaybeiträge zu veröffentlichen, die marginalisierte Erfahrungen und die Geschichten Marginalisierter in einem phantastischen Rahmen sichtbar machen. Außerdem beinhaltet es einen Queertalsbericht mit Rezensionen, Lesetipps, Veranstaltungshinweisen und mehr.
In dieser Ausgabe:
Der späte Wurm von Rebecca Westkott (Kurzgeschichte)
Ma jada von Hollarius (Kurzgeschichte)
Der Phönix von Nox Juvenell (Gedicht)
Spargelernte von Kae Schwarz (Kurzgeschichte)
Eis auf Raten von Yvonne Tunnat (Kurzgeschichte)
Warum rennt JAMES BOND nackt in einer Welt voller Betonpenisse herum? von Jamie-Lee Campbell (Satirischer Essay)
Die Repräsentation von '(Dis)ability' in der Progressiven Phantastik von Lars Schmeink (Essay)
Der Queertalsbericht 01/2024
Mit Queeren Questen von:
Alex, An Brenach, Ariadne Geiling, Maike Frie, Nicole Hobusch, Emma Hogner, Phillip-C. Kasten, Kián KoWananga, Marie Meier, Stefan Mesch, Mila Münchow, T. B. Persson, Liane Raposa, Britta Redweik, Rebecca Reiter, Christina Seeberger, C. F. Srebalus, Iris Leander Villiam
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Ma jada von Hollarius Inhaltshinweise Blut, Töten von Menschen (explizit), Tod eines Jugendlichen, Sex, Genitalien, transfeindliche Diskriminierung, Misogynie, Unterdrückung, Gewaltherrschaft Tags Fantasy, marginalisierte Verbündete, erste Liebe, trans Hauptfigur, transfreundliche Kultur, Magie, Widerstandskampf Ja, ich erinnere mich an den Tag. Ein Tag, der mich zum Kämpfer machte. Ein Tag, der mich zum Mörder machte. Der mir meine Tränen nahm und mir die Liebe gab. Und den Sex. Ach beim guten Jalto, den Sex auch. Als die schöne Gefrion, schon bald ma jada, mich zum ersten Mal sah, schaute sie neugierig zu mir rauf. Fragte: Bist du besser darin, dich ficken zu lassen, oder bist du besser im Töten? Und ich sagte Töten, was sollte ich auch sagen. Sie sah, dass ich zitterte. Sie wusste nicht, wieso, und ich wusste es auch nicht. Aber ich wusste es nicht, weil es so viele Gründe gab. Weil ich Angst hatte, natürlich. Weil ich um Goidi klagen wollte, meinen kleinen Goidi, den die Reinen totgeschlagen hatten. Aber ich hatte keine Tränen. Auch, weil ich nicht wusste, ob ich töten konnte. Mich ficken lassen, das ging natürlich nicht. Bist du besser im Töten? Ich wusste gar nicht, ob ich bei irgendwas besser war. Aber vermutlich war Töten besser als Ficken, wenn das halt gar nicht ging. Ich log an diesem Tag. Ich log, ich wüsste es: klar, ich weiß, wie man tötet. Immerhin, ich hatte eine Schnur aus gesponnenem Silberstahl. Warum? Weil Goidi sie geklaut hatte. Weil er sie mir gegeben hatte, weil er sicher gewesen war, dass sie besser bei mir war. Er war so ein kleiner Spinner. So herrlich voll mit sich selbst, wie Jungen es halt mit dreizehn sind, hatte er sie wirklich zu einer Waffe gemacht. Einer Garotte. Er hatte Griffe dran gemacht, und er hatte es gut gemacht. Nun hatte ich die Garotte. Besser als der Dolch, den mir die Leute gegeben hatten, die mich mit Gefrion zusammengebracht hatten. Nur einmal hatten sie mich gefragt, ob ich gegen die Reinen kämpfen wollte. Ob es mir ernst sei. Sie hatten wohl etwas in meinen Augen gesehen. Und dann hatten sie mich zu Gefrion geschickt. Und bei Jalto, dem größten Tänzer aller Himmel, sie war die Richtige. Sie sah mich und fragte ihre Frage. Dann zog sie mich hinter sich her. Ich sah alles grau, aber ich konnte ihr folgen. 666 Ich sah da noch nicht mal, wie schön sie war. Ich atmete noch nicht mal ihren Geruch. Das war später, dass ich sie roch und meine Nase nie mehr aus ihrem Haar nehmen wollte. Weder aus dem einen noch dem anderen. Aber verzeiht mir. Ich will euch nicht zu nahe treten. Nicht alle verstehen so etwas. Ich stolperte hinter ihr her, am Morgen war ich noch hinter Goidi hergelaufen. Schnell und lachend. Weil das Laufen mit Goidi eben so war. Und jetzt stolperte ich hinter Gefrion her, die ma jada, mein Schatz, wurde. Schon an diesem Abend. Nach dem Mord. Als ich wieder zitterte. Zurück im Versteck. In der Hitze des Verstecks unter einem Dach. Ich zitterte und wusste dieses Mal, warum. Weil ich den Silberstahl um einen Hals geschlungen hatte. Weil dieser Reine wie alle Reinen war. Weil einer wie er Goidi getötet hatte. Gefrion zog ihr Kleid aus und knüllte es zusammen. Es hatte bestimmt was abbekommen, Blut und so. Selbst dieser Gedanke ließ mich wieder zittern. Ich hatte einen Menschen getötet. Du musst schwitzen, sagte sie. Komm, ich helf dir. Aber mir war doch so kalt. Und ich war nicht so wie sie. Nicht so offen. Hey, sagte sie, ganz leise, weil sie mir ganz nah gekommen war. Hey, nur noch ein oder zwei Atempausen und die Reinen werden überall sein. Wir sind dann hier oben nur sicher, wenn wir still sind. Sie sehen uns nicht, aber sie können uns hören, und wir müssen sie gut hören. Also lass uns schnell machen. Dass sie uns nicht sehen konnten, verstand ich nicht. Wir steckten in einer kleinen Kammer unter dem Dach einer großen Lagerscheune. Später verstand ich, dass Magie im Spiel war. Aber eigentlich gehört das nicht hierher. In dieser Geschichte gibt es nur andere Magie. Und den Tod. Aber ich ließ zu, dass sie mich auszog. Das Hemd, die Hose. Nicht aber die Untersachen. Ich konnte das nicht, weil ich … nein, das ist ein schwacher Grund. Gefrion wusste natürlich, was ich war. Das hatte sie mir einfach so gesagt. Die meisten merkten es. Als wir noch darauf warteten, auf die Jagd zu gehen, hatten wir wenig gesprochen. Wahrscheinlich, weil ich nach Goidis Tod nicht reden konnte. Und Gefrion wusste so etwas. Gefrion wusste so viel, was andere Menschen anging. Also, meistens. Aber sie schaute mich an und sagte ein Wort meiner Sprache. Ephemo. Und sie hatte natürlich Recht. Ich war, ich bin ephemo. Ein Mann, geboren mit Brüsten und einer Furche zwischen den Beinen. Die meisten Völker haben dafür kein Wort. Deswegen wunderte es mich nicht, dass sie unser Wort dafür kannte. Viele haben schlimme Dinge von uns gehört. Von den wilden Ephemen, die kämpfen wie Männer. Sie verstehen nicht, wir sind Männer. Es wunderte mich, wie sie das Wort sagte. Ohne Scheu, einfach so. Kein Ekel, keine Scham, einfach so, ephemo. Ich hatte sie angeschaut und nicht gewusst, was das mit mir machte. Ihr Blick war ein bisschen neugierig, aber dann wandte sie mir den Rücken zu. Auf eine Art, die sagte, ich lass dich in Ruhe. Sprich mit mir, wenn du das willst. Und ich wollte nicht. Aber mir ging etwas durch den Kopf, als ich sie ansah. Ich dachte, wir sind wie aus einer Geschichte. So verschieden. Sie klein, hell und so sehr Frau. Mit Brüsten, die Blicke auf sich zogen, mit kräftigen Hüften. Hätte ich so ausgesehen, ich hätte nie die Arbeit eines Mannes tun können. Ich war das Gegenteil. Dunkel, einen Kopf größer, und mit Brüsten und Hüfte, die ich gut verstecken konnte. Aber ich konnte natürlich nichts verstecken, als sie mich auszog. Ich wusste, was sie wusste, aber ich vermutete, dass sie meine Not damit nicht verstehen würde. In ihrem Volk war es nicht verboten, unter Frauen nackt zu sein, in meinem ging das nur in der Familie. Ich war ephemo. Ich dachte, deswegen sei es für sie so einfach. Ich irrte. Sie hätte das genauso gemacht, wenn ich einen Schwanz gehabt hätte. Gefrion war der schamloseste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Ich habe viel von ihr gelernt. Ich wünschte manchmal, dass wir alle so wie sie wären. Schamlos, furchtlos, ja, irgendwie grenzenlos. Hey, alles ist gut. Das sagte sie. Wir bringen unser Opfer. Wir opfern nicht nur die Reinen, um uns von ihnen zu befreien. Wir opfern auch uns. Unser … Wesen? Sie schaute mich fragend von unten an, so nah, dass ihre Brüste mich fast berührten, dann so nah, dass sie mich berührten. Ich ging vor ihr in die Knie und ich fand meine Tränen, um Goidi und um mich. Und sie hielt mich fest. Dann sagte sie ganz leise mo jado – mein Schatz –, so ungefähr. Und ich weinte noch mehr. Sie kannte nur wenige Wörter meiner Sprache. Aber mehr als ephemo und mo jado brauchte sie auch nicht, um mein Herz zu zerbrechen und so wieder zusammenzusetzen, wie es ihr gefiel. Wie es auch mir gefiel. Wir waren nackt, mehr oder weniger. Und es war so warm unter diesem Dach, und wir klebten aneinander und wahrscheinlich stanken wir, und es war trotzdem so wichtig, einander zu spüren. Dieses verdammte Zittern, das von innen kam, irgendwie abzustellen. Dann wurde aus Nähe Lust. Auf diese Art, wie sie nach einem schrecklichen Erlebnis so falsch wirkt. Aus sanftem Streicheln wurde ein Zufassen. Ein Aneinanderkrallen. Psst!, sagte sie, und ich war leise. Trotzdem verstehe ich nicht, dass nicht die ganze kleine Stadt spürte, wie ich kam. Das erste Mal in meinem Leben. Irgendwann später sagte Gefrion, sie hätte fast laut gelacht, weil ich so verblüfft geschaut hatte. Sie zeigte mir, was ich tun musste. Ihre Finger erklärten mir Wege und Arten. Und wie stolz ich mich fühlte, als ich so auf sie herunterschaute, wie es der Reine vorher getan hatte. Als sein Blut nicht aus ihm heraus gelaufen war. 666 Davor war ich im Schatten verschwunden, in ein paar Büschen am Rand der Stadt. Gefrion hatte mir alles genau erklärt. Ich war immer in ihrer Nähe. Die Hand immer auf dem Heft des Dolches. Ich hatte schon auch Angst gehabt. Aber ich hatte auch so viel Wut in mir. So viel Trauer und keine Tränen. Und immer, wenn ich doch Angst bekommen wollte, dachte ich an Goidi. Dann verschwand die Angst. Dann spürte ich meine Wut, dieses Feuer, das alle Tränen verbrennt. Sie hatten draußen gefeiert, getrunken und Pfeifen geraucht. Ein schwerer süßer Rauch zog durch das Städtchen. Sie passten nicht mehr so gut auf. Trotzdem hatte ich Gefrion immer im Blick. Ich hätte stundenlang neben den Reinen stehen können, sie hätten mich nie bemerkt. Goidi konnte das auch. Aber niemand kann in den Schatten verschwinden, wenn der Tag hell ist und die Sonne brennt. Und Goidi hatte sich einfach nichts dabei gedacht. Verdammt, das war doch auch in Ordnung so. Ich war ja da, der Cousin, der schon so lange auf ihn aufpasste, dass er sich an kein Davor erinnerte. Goidi war dreizehn. Mit dreizehn denkst du nicht immer daran, dass man dich hasst. Er hatte so lange nicht daran gedacht, bis die Reinen den Weg sperrten. Aus einem wurden drei, ihre Bewegungen waren die von Automaten, die ein Spielzeugmacher aufgezogen hat. Ich war mindestens dreißig Schritte hinter Goidi, und mein Ruf kam zu spät. Er stand vor ihnen und ich sah, dass er mit ihnen...