E-Book, Deutsch, Band 13, 64 Seiten
Reihe: Silvia-Gold
Wild Silvia-Gold - Folge 013
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7325-3711-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Er küsste jeden roten Mund
E-Book, Deutsch, Band 13, 64 Seiten
Reihe: Silvia-Gold
ISBN: 978-3-7325-3711-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Julias Herzschlag gerät aus dem Takt, als sich ihr Blick in den blauen Augen von Benedikt Scharrenberger verliert. Jetzt versteht sie, warum die Münchner High Society von diesem Mann so hingerissen ist: Das dunkle Haar fällt ihm verwegen in die Stirn, sein Lächeln elektrisiert und verführt. Auch Julia fühlt sich mit jeder Faser ihres Körpers zu ihm hingezogen ...
STOPP! Sie zwingt sich in die Realität zurück. Fast hat sein Charme Julia vergessen lassen, was Benedikt Scharrenberger sonst noch ist: ein skrupelloser Unternehmer, der sich ihre Firma unter den Nagel reißen will - und ein Mann, der schon vielen Frauen das Herz gebrochen hat ...
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»Das ging ja schnell«, sagte die ältere Dame neben Julia Auersbacher erstaunt, als die Maschine an Flughöhe verlor. »Schade, ich hätte mich gerne noch länger mit Ihnen unterhalten. Sie können mich ja mal in meinem Haus in Bogenhausen besuchen. Ich würde mich sehr freuen.«
»Danke für die Einladung.« Julia Auersbacher lächelte ihrer Sitznachbarin müde zu. »Aber zuerst muss ich …«
»Ja, ich weiß.« Die silberhaarige Münchnerin legte ihre üppig beringte Hand tröstend auf Julias, deren Hände so fest ineinander verschlungen waren, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. »Ich hoffe, dass es Ihrem Großvater bald wieder besser gehen wird. So, wie Sie ihn mir beschrieben haben, wird er sich bestimmt noch einmal von dem Infarkt erholen.«
»Ich hoffe es«, flüsterte Julia mit erstickter Stimme. »Er ist der einzige Mensch, den ich noch habe. Nach dem frühen Tod meiner Eltern bin ich bei ihm aufgewachsen.« Ihre seegrünen Augen, die so manches Männerherz höherschlagen ließen, füllten sich wieder mit Tränen. »Opa und ich haben eine besonders enge Beziehung. So vieles verbindet mich mit ihm. Er hat mir das Jagen beigebracht, das Segeln, Skifahren … Mein Großvater hatte auch noch so viel vor. Eigentlich sollte ich erst in zwei Jahren aus England zurückkommen, um dann die Brauerei zu übernehmen. Aber wie es jetzt aussieht …« Julia schluckte schwer. »Ich bin auf so viel Verantwortung noch gar nicht vorbereitet.«
Dicke Tränen rollten ihr über die blassen Wangen. Sie wischte sie schnell weg, weil sie sich ihrer schämte.
»Mein tapferes Mädchen …«, hörte sie ihren Großvater jetzt sagen. Und sogleich räusperte sie sich energisch und setzte sich aufrecht hin. Ja, sie wollte tapfer sein! Sie wollte ihren geliebten Großvater nicht enttäuschen.
Über dem Sitz leuchtete nun der Hinweis »Bitte anschnallen« auf, und den Bruchteil einer Sekunde später kündigte der Flugkapitän über Lautsprecher die Landung an.
»Wir beginnen jetzt mit unserem Anflug auf den Franz-Josef-Strauß-Flughafen in München. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze wieder ein und …«
»Ich bin schon ganz aufgeregt«, plauderte Julias Sitznachbarin weiter. »Mein Jugendfreund und ich haben uns seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Werden Sie auch abgeholt?«, erkundigte sie sich dann besorgt.
Julia nickte. »Der Prokurist der Brauerei meines Großvaters wartet auf mich und bringt mich dann ins Krankenhaus.«
»Sie werden sehen, es wird alles gut werden. Ein Mann wie Ihr Großvater wird sich so schnell nicht kleinkriegen lassen. Vielleicht kommt er Ihnen schon auf dem Stationsgang entgegen und schimpft mit Ihnen, dass Sie seinetwegen Ihr Studium in Cambridge abgebrochen haben.«
Julia musste über die positive Lebenseinstellung der älteren Dame lächeln. Ihr geliebter Opa hatte auch einst vor Lebenslust gesprüht.
»Das wäre schön«, erwiderte sie leise.
Sie verzichtete darauf zu sagen, dass sie daran jedoch nicht glaubte. Vielmehr befürchtete sie, bald ganz allein auf der Welt zu stehen.
Als Julia aus der klimatisierten Flughafenhalle heraustrat, hielt sie nach Peter Seidemann, dem Prokuristen der Familienbrauerei, vergeblich Ausschau. Am Steuer der schwarzen, auf Hochglanz polierten Limousine saß stattdessen ein farbloser, junger Mann, den sie nicht kannte.
»Ich bin sozusagen das ›Mädchen für alles‹», stellte sich der blasse, sympathisch wirkende Fahrer ihr vor. »Herr Auersbacher hat mich vor einem halben Jahr eingestellt und mir damit aus meiner Arbeitslosigkeit herausgeholfen.«
»Wie geht es meinem Großvater?«, erkundigte sich Julia hastig, als sie auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
Die persönliche Geschichte des Fahrers interessierte sie im Augenblick nicht.
»Den Umständen entsprechend«, erwiderte Gerd Schlüter ausweichend.
»Fahren Sie mich bitte sofort ins Krankenhaus«, sagte sie. »Von dort aus nehme ich mir dann ein Taxi zurück.«
***
Hans Auersbacher lag in einer kleinen Privatklinik am Stadtrand von München. Sein Zimmer vermittelte eher den Eindruck eines luxuriösen Hotelzimmers als den eines Krankenzimmers. Als Julia den Raum betrat, versuchte ihr Großvater, sich im Bett aufzurichten, was ihm jedoch noch sichtlich schwerfiel.
»Bleib nur ja liegen, Opa«, begrüßte die junge Frau den Brauereibesitzer mit ängstlich klingender Stimme. Sie eilte auf das Bett zu, nahm ihn vorsichtig in die Arme und küsste ihn auf die glatt rasierte Wange. »Was machst du nur für Sachen?«, fragte sie ihn voller Sorge, während sie ihn mit feucht glänzenden Augen ansah.
»Schmarren«, erwiderte der alte Herr unwirsch, der mit seinem stets gebräunten Gesicht und dem weißen Schnauzbart für seine zweiundsiebzig Jahre immer noch recht attraktiv aussah. »Die Ärzte machen alles schlimmer, als es ist. Und der Seidemann, diese Mimose …«
Julia musste unwillkürlich lachen. Das war ihr Opa, wie sie ihn kannte!
Hans Auersbacher war eben keine »Mimose«, sondern ein liebenswertes Raubein, das dem Leben stets die Stirn geboten hatte. Gerade deshalb war seine Enkelin so entsetzt darüber gewesen, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte.
»Jetzt sag ehrlich, wie es dir geht!«, forderte Julia ihren Großvater ernst auf. »Du weißt, du kannst mir nichts vormachen. Sonst frage ich den Professor.« Spielerisch drohte sie ihm mit dem Zeigefinger.
»Mir geht es schon wieder ganz gut«, erwiderte Hans Auersbacher nun genauso ernst, denn er spürte nur zu genau, wie unglücklich und verunsichert sein einziges Enkelkind war. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Die Ärzte und Krankenschwestern gehen mir jetzt schon ganz schön auf die Nerven. Ich bin froh, wenn ich endlich wieder hier raus bin.«
»Was hat man denn mit dir gemacht?«
»Einen Pfropfen aus der Arterie operiert, die zum Herzen führt, und ein paar Bypässe gesetzt«, erklärte er mit unbeeindruckter Miene. »Außerdem bekomme ich blutverdünnende Medikamente, die ich auch weiterhin nehmen muss.« Hans Auersbacher verzog bei dem Gedanken, dass er nun zu den älteren Leuten gehörte, die jeden Morgen ihre Tablettenration schlucken mussten, angewidert das Gesicht.
Julias Züge dagegen entspannten sich sichtlich. Sie atmete hörbar auf.
»Ich soll aufs Essen aufpassen und aufs Trinken …«, fuhr der alte Herr mürrisch fort. »So ein Schmarren! Nix dergleichen werde ich tun. Man lebt schließlich nur einmal. Und die kurze Zeit, die ich aufgrund meiner zweiundsiebzig Jahre noch haben werde …«
»Bitte, Opa.« Seine Enkelin sah ihn streng an. »Du wirst genau das tun, was der Professor dir verordnet. Dafür werde ich schon sorgen.«
Die dunklen Augen des Brauereibesitzers leuchteten erfreut auf.
»Willst du denn jetzt tatsächlich für immer hierbleiben?«
»Ja … ich glaube schon. Das Aufbaustudium in Cambridge brauche ich ja nicht unbedingt. Mit meiner Ausbildung zur Brauerin und meinem abgeschlossenen Betriebswirtschaftsstudium bin ich auch ohne die Zusatzausbildung in der Lage, deine Nachfolgerin zu werden.« Sie warf ihrem Großvater einen schelmischen Blick zu. »Vorausgesetzt, du würdest das jetzt schon wollen.«
»Die Sache ist so …« Hans richtete sich im Bett auf und lehnte sich gegen die Kissen. Er sah die junge Frau, die seinem verstorbenen Sohn wie aus dem Gesicht geschnitten war, ernst an. »Der Grund dafür, dass ich dich habe rufen lassen, ist, dass ich mit dir über die Brauerei reden möchte. Ich will mich noch nicht ganz aus dem Geschäft zurückziehen, aber ich würde gern die Firmenleitung für die Zeit, in der ich mich noch nicht ganz erholt habe, abgeben und in deine Hände legen – sofern du dich dieser Aufgabe jetzt schon gewachsen fühlst.«
»Dann geht es dir also doch schlechter, als du mir sagst?«, fragte Julia sofort mit panischem Blick.
»Nein, nicht so schlecht, wie du befürchtest, aber ich fühle mich auch nicht mehr so stark, dass ich den Betrieb allein weiterführen möchte«, erwiderte der alte Herr. »Zumal ich merke, dass in der Brauerei seit einiger Zeit etwas vor sich geht. Deshalb brauche ich jemanden, der jeden Tag vor Ort ist – was ich zurzeit nicht kann. Und was ich auch zukünftig nicht mehr möchte.«
Hans Auersbacher lächelte bedeutungsvoll und fügte mit geheimnisvoller Miene hinzu: »Vielleicht gibt es für Männer in meinem Alter ja auch noch ein paar andere Vergnügen als die Leitung einer Brauerei.«
Seine Enkelin sah ihn verwirrt an.
»Na ja …«, meinte er in gedehntem Ton schmunzelnd, »wenn ich mich hier in der Klinik so umsehe, gibt es die eine oder andere nette Patientin …«
Julia fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Sag bloß, Opa! Du hast dich doch nicht etwa …?«
»Verliebt?« Ihr Großvater lachte sein dröhnendes Lachen. »Das wird sich noch zeigen. Wir sind uns erst ein paar Mal auf dem Gang begegnet und haben immer nur kurz miteinander gesprochen. Aber ich bin guter Dinge …« Er winkte ab und wurde wieder ernst. »Feststeht, dass ich dich jetzt in der Brauerei brauche. Wie gesagt, ich glaube, dass da etwas vor sich geht, was nicht in meinem Sinne ist.«
»Was meinst du denn damit?«
»Peter Seidemann, der viele Jahre wie ein Sohn für mich war, kommt mir in der letzten Zeit etwas merkwürdig vor«, vertraute Hans seiner Enkelin nun an. »Ich sage es nur ungern, aber du wirst ein Auge auf ihn halten müssen.«
...



