E-Book, Deutsch, 600 Seiten
Wilder / Sülter Hallo, Herr Kaiser! Das Leben ist wilder als man denkt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95936-225-2
Verlag: In Farbe und Bunt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Biografie von Nick Wilder
E-Book, Deutsch, 600 Seiten
ISBN: 978-3-95936-225-2
Verlag: In Farbe und Bunt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nick Wilder ist Schauspieler und Musiker. Der Sohn eines Landwirtes von der Insel Fehmarn kann bereits auf ein turbulentes Leben zurückblicken: Diplom-Holzwirt, Surfweltmeister, Surfshopbesitzer in Florida und Dänemark, Darsteller in Roland Emmerichs 'Stargate', vierzehn Jahre als Werbefigur Herr Kaiser, zehn Jahre Doc Sander auf dem 'Traumschiff' und viele weitere Rollen in Deutschland, Dänemark und den USA stehen in seiner umfangreichen Vita.
Was jedoch nur wenige wissen: Sein Leben war noch viel wilder, als man denkt!
Gemeinsam mit Co-Autor und DPP-Preisträger Björn Sülter begibt Wilder sich auf die Pfade der Vergangenheit und erzählt in seinen Lebenserinnerungen die Geschichte vom kleinen Klaus Wilder, der immer artig sein sollte, jedoch schnell die wundersam-verschlungenen Wege des Lebens kennenlernte: Von Fehmarn nach Hollywood, vom Bauernhof auf das Traumschiff, vom Surfbrett zur Werbeikone einer ganzen Generation.
Seine Lebenserinnerungen sind Reflexion, Lebensratgeber, Abenteuergeschichte und Zeitreise zugleich und beinhalten, irgendwo zwischen Roadtrip und Selbstverwirklichung, humorvolle, nachdenkliche wie auch überraschende Anekdoten, sowie Höhen und Tiefen eines Lebens, das wilder nicht hätte sein können!
Lernen Sie den Mann hinter Doc Sander vom 'Traumschiff' und der Werbefigur Herr Kaiser auf eine ganz neue und überraschende Weise kennen!
Der norddeutsche Autor und Medienjournalist Björn Sülter schreibt und spricht seit mehr als zwanzig Jahren über Medien.
Er fungiert als Experte & Headwriter für den Fernsehsender SYFY und liefert regelmäßig Schwerpunktartikel, Rezensionen, Kolumnen oder Interviews für verschiedene Onlineportale, Printmagazine und lokalen Medien. Zudem ist er Herausgeber und Chefredakteur des Printmagazins 'TV-Klassiker' und des 'Corona Magazine'. Seine launigen Podcasts 'Planet Trek fm' und 'Der dreiköpfige Affe' erfreuen sich großer Beliebtheit, er spricht Hörbücher und ist regelmäßig als Moderator auf Veranstaltungen aktiv.
Sein Sachbuch 'Es lebe Star Trek - Ein Phänomen, zwei Leben' wurde im Jahr 2019 mit dem 'Deutschen Phantastik Preis' für das 'Beste Sekundärwerk' ausgezeichnet. Ebenfalls nominiert war bereits seine Science-Fiction-Trilogie 'Beyond Berlin'. Für jüngere Leser liefert Sülter Jugendbuchreihen wie 'Ein Fall für die Patchwork Kids'.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2: Mittendrin statt nur gehört (1952-1959) Bis jetzt habe ich ja nur Dinge wiedergegeben, die man mir irgendwann mal erzählt hat. Und ich hoffe, dass das auch alles so stimmt. Denn ich war ja nicht anwesend. Doch jetzt, da ich es heil auf diese Welt geschafft hatte, wurde ich endlich Zeitzeuge meines eigenen Lebens. Vom Moment meiner Geburt an war ich sozusagen mittendrin; live und in Farbe. Erinnern kann ich mich daran aber natürlich nicht. Vor über 125 Jahren, im Winter der Jahre 1893 bis 1894, prägte die Wissenschaftlerin Caroline Miles den Begriff der Kindheitsamnesie. Sie fand heraus, dass die ersten Gedächtnisspuren aus unserer Kindheit mit drei Jahren auszumachen sind. Warum sollte ich da eine Ausnahme bilden? Rückkehr Also schließe ich die Augen und versuche, mich in meine früheste Kindheit zurückzuversetzen. Ob es mir gelingen wird, Mrs. Miles zu bestätigen? Das Alter von drei Jahren zu erreichen, ist nach fast sieben Jahrzehnten Lebensgeschichte gar nicht so einfach! Zuerst passiert gar nichts. Doch nach etwa fünfzehn Minuten kommen sie endlich, die ersten Bilder. Ja, wirklich: Ich bin wieder drei oder vier Jahre alt und renne wie wild auf dem Hof meiner Eltern hin und her. Vor meinen Augen sehe ich einen großen Sandhaufen, der sich gleich neben unserer Dieseltankstelle für die Traktoren befand. Genau hier habe ich als kleiner Junge oft gespielt. Unser Hof befand sich am Ende der Dorfstraße; der letzte Bauernhof rechts. Man fuhr auf den Hofplatz und befand sich direkt vor einer riesigen Scheune; eine Fachwerkkonstruktion aus roten Ziegelsteinen. Das zweifach abgesattelte Scheunendach war mit ebenso roten Dachpfannen bedeckt. Unübersehbar war auch das riesige, doppelflügelige und grün gestrichene Scheunentor, über dem auf einem Querbalken mit weißer Schrift der Satz stand: »Wie’s kommt im Jahr kannst nicht durchschauen, musst hoffen und auf Gott vertrauen.« Ein bedeutungsschwangerer Satz, wenn man bedenkt, dass unser Vater mit der Kirche als Institution nie viel im Sinn hatte und in dem Haus Gottes nur zu Beerdigungen, Hochzeiten oder Konfirmationen einkehrte. Als Kind habe ich bei den gemeinsamen Kirchgängen aber trotzdem immer eine Art Ehrfurcht bei ihm verspürt. Ob er in solchen Momenten vielleicht daran dachte, dass es neben seinem einst gewählten Gott und Führer (auf den auch die meisten anderen Fehmaraner geschworen hatten) doch noch einen anderen Gott gab? Einen Gott, an den die Menschen schon seit Jahrtausenden glaubten, zu dem sie beteten und dem sie blind vertrauten? Im Jahr 1945, und somit weit vor meiner Geburt, war für ihn und die fehmarnschen Inselbewohner immerhin eine riesige Seifenblase geplatzt; wie auch für eine ganze Nation. Oft hatte ich das Gefühl, dass mein Vater in solchen Momenten Gedanken dieser Art nachhing, auch wenn er natürlich nie darüber sprach. Doch zurück zum drei- oder vierjährigen Klaus. »Klausi! Klauuuuuuusi!« schallt es über den Hofplatz. Ich höre meine Mutter natürlich, doch der geliebte Sandhaufen hat mich fest im Griff. Tief versunken muss ich meine Geschichte, die ich mir vor kurzem ausgedacht habe, mit allen meine Spielfiguren noch zu Ende bringen. Ich brauchte jedoch gar kein Spielzeug, um meine Fantasie zu Höchstleistungen zu treiben. Ein Stück Holz, ein Ast, ein Mauerstein, ein kaputter Schlauch oder irgendein anderer, beliebiger Gegenstand, den ich auf dem Hofplatz fand, nahm genau die Form an, die ich in ihm sah; ein Traktor, ein Auto, ein Anhänger, ein Tier, ein Pferd oder gar eine Person. Ich spielte auf dem Mikrokosmos Sandhaufen mit blühender Fantasie nach, was im Makrokosmos Hof geschah. Mein älterer Bruder Hans und mein Vater fuhren mit den Traktoren hin und her. Im Garten hängte meine Mutter die großen weißen Bettlaken an der Leine zum Trocknen auf. Alle waren immer beschäftigt. Da machte ich natürlich keine Ausnahme! Verschwommen tauchen plötzlich Gesichter vor meinem geistigen Auge auf. Unsere Melkerin Margot, die zu Weihnachten mit Rute und langem Bart einmal den Weihnachtsmann gespielt hatte. Ich erkannte sie damals natürlich sofort an ihrer Stimme und war verwirrt: Der Weihnachtsmann ist eine Weihnachtsfrau? Mein Weltbild begann zu bröckeln. »Klausi!« Da war es schon wieder. In solchen Momente zählte nur eines: Ich meldete mich möglichst umgehend und kam zu den Mahlzeiten auf direktem Weg ins Haus. Man musste ja »parieren«! Wieder so ein bekloppter Ausdruck. Dazwischen ließ man mich jedoch in Ruhe. Vielleicht machte mir das Gefühl, nicht beachtet zu werden, aus diesem Grund auch überhaupt nichts aus? Als Jüngstem wurde mir viel Freiraum gewährt. Im Nachhinein wage ich zu behaupten, dass alle einfach zu beschäftigt waren, um sich um mich zu kümmern. Man vergaß mich einfach. Und das war überhaupt nicht schlimm. Heute bin ich sogar überzeugt, dass es großen Einfluss auf meine spätere Entwicklung hatte. Oma, Opa und Eierlikör Mich störte es in keiner Weise, dass ich nie im Mittelpunkt und somit nur selten richtig unter Beobachtung stand. Im Gegenteil. Ich war frei. Und das fühlte sich gut an. Freiheit war für mich schon damals ein tolles Gefühl. In meiner eigenen kleinen Welt rund um den Sandhaufen war alles schön. Ich hatte nie Langeweile (und kenne diesen Zustand auch bis heute nicht). Immer wusste ich mich zu beschäftigen und konnte meiner Fantasie freien Lauf lassen. Das galt insbesondere im Sommer, wenn ich draußen spielte. Denn bei uns war immer viel los. Trotzdem beschäftigte ich mich meist allein. Damals gab es im Dorf allerdings noch den Nachbarssohn Ewald Lafrentz, den wir alle nur »Ede« nannten. Er war drei Jahre älter als ich. Dann war da Peter Wulf von gegenüber, der immer mit zwei Krücken lief. Kinderlähmung. Ein Bein wuchs langsamer als das andere. Er wurde erst später mein Spielkamerad. Ansonsten war da ja noch meine ältere Schwester Magret, mit der ich mich meist auch sehr gut verstand. Wenn es dann aber mal Zoff zwischen uns gab und wir gleichlaut um die Wette flennten, dann hörten wir es wieder: »Wenn ihr beide nicht gleich artig seid, dann …« Mutter Irma sperrte uns in die dunkle Besenkammer, bis wir aufhörten zu heulen. Wenn das nicht half, kam es noch schlimmer. Ab in den Keller! Und der war richtig unheimlich und feucht. Hatte ich die Spinnen und Mäuse erwähnt? Auch wenn wir uns vorher noch so gestritten hatten, waren wir in Sekunden wieder ein Herz und eine Seele. Hauptsache, wir mussten nicht länger im Keller bleiben. Ich hasse bis heute feuchte Keller. Vielleicht habe ich für unser heutiges Haus in Montana auch deshalb gar nicht erst einen gebaut? Die gängige Sprache in den ersten sechs Jahren meines Daseins war Plattdeutsch. Mein Vater sprach mit meinem Bruder Plattdeutsch, mit meiner Mutter, mit uns Kindern, allen Angestellten und natürlich auch mit allen, die bei uns auf dem Hof verkehrten. Nur meine Mutter und Oma Flohr, also die Mutter meiner Mutter, die regelmäßig zu Besuch kam, und meine beiden Schwestern sprachen Hochdeutsch mit mir. Oh ja, Oma Flohr! Elise Flohr. Geboren am 22. November 1890 und verstorben mit 86 Jahren im Jahre 1976. Sie war toll! Was für eine edle Dame! Immer sehr gepflegt in ihrem Aussehen und Auftreten. Man hörte sie nie klagen, sie wirkte immer zufrieden. Sie sprach niemals ein böses Wort über andere. So habe ich sie jedenfalls in Erinnerung. Sie betrieb das Kolonialwarengeschäft ihres verstorbenen Mannes. Es lag am Ende des Staakenwegs, kurz vorm Hafen. Ein großes rotes Backsteinhaus mit Schaufenstern und Auslagen. Meinen Opa, Johannes Flohr, habe ich leider nie kennengelernt. Er muss ein wunderbarer Mensch gewesen sein, hat sich aber, wie man es mir später berichtete, 1937 erhängt. Es hieß, er habe eine Kugel im Kopf gehabt. Eine Kriegsverletzung aus dem Ersten Weltkrieg. Diese Kugel habe ihm immer schlimme Kopfschmerzen bereitet, die ihn schließlich in schwere Depressionen geführt haben sollen. Doch stimmte das auch? Als Kind nimmt man solche Informationen einfach zur Kenntnis. Jahre danach sieht man als Erwachsener dann plötzlich einen ganz anderen Kontext. Darauf kommen wir später noch einmal zurück. Oma Flohr war aber ohne jede Frage die coolste Oma, die man sich wünschen konnte. Sie besuchte uns regelmäßig auf dem Hof und war immer gerecht. Es gab für alle Geschwister stets die gleiche Anzahl an Geschenken: Schokolade, Pralinen und immer eine Flasche Kosakenkaffee und Eierlikör für die Eltern. Eierlikör, das unwiderstehlichste Getränk, das je geschaffen wurde! Mit Begeisterung dippte ich schon mit fünf Jahren ein Stück Apfelsine in ein Schnapsglas voll mit dieser gelblich-cremigen Flüssigkeit und ließ es mir auf der Zunge zergehen. Bedenkt man mein damaliges Federgewicht, war es kein Wunder, dass ich trotz des geringen Alkoholgehalts den Anfang eines Rauschzustands jedes Mal deutlich spüren konnte. Klaus und der Rausch Mit der Zeit wurden meine Ausflüge rund um unseren Bauernhof immer größer. Das Dorf musste schließlich erkundet werden! Oft ging ich rüber zu den Nachbarn. Süßigkeiten oder Kuchen, irgendetwas konnte man dort immer abstauben. Auf diese Weise lernte ich meinen Heimatort Altjellingsdorf langsam kennen. Ich weiß noch genau, wie Helga und Hans mir eine kleine Milchkanne in die Hand drückten und mich ans andere Ende des Dorfes zum Bauern Kroll schickten, um für 50 Pfennig Taubenmilch zu holen. Taubenmilch? Unschuldig wie Kinder nun mal sind, dackelte ich los. Bei Kroll schmunzelte man natürlich, füllte aber pflichtbewusst die Kanne und ließ mich stolz zurück nach Hause laufen. Haha ... macht euch ruhig...