Wilken | Arzt und Patient | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 19, 293 Seiten

Reihe: Arbeit und Leben im Umbruch

Wilken Arzt und Patient

Die Dienstleistung zwischen Hausarzt und Patient im deutschen Gesundheitssystem – eine handlungsfundierte Institutionenanalyse

E-Book, Deutsch, Band 19, 293 Seiten

Reihe: Arbeit und Leben im Umbruch

ISBN: 978-3-86618-570-8
Verlag: Edition Rainer Hampp
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Leitende Frage des Buchs ist: Was sind die spezifischen Merkmale der Beziehung von Ärzten und ihren Patienten als personenbezogener Dienstleistung und welchen aktuellen Risiken und Veränderungen ist sie ausgesetzt? Basis der Bearbeitung dieser Frage sind zum einen empirische Erkenntnisse aus umfangreichen Interviews mit Münchner Hausärzten und ihren Patienten, zum anderen institutionentheoretische Analysen der Arzt-Patienten-Beziehung im Rahmen des deutschen Gesundheitssystems. Das Buch zeigt, dass eine theoretisch angeleitete und zugleich empirische unterstützte soziologische Dienstleistungsforschung wichtige Beiträge zum Verständnis des so oft diskutierten Verhältnisses von medizinischen Experten und Betroffenen im Gesundheitswesen liefern kann. Zu den zentralen Einsichten gehört die immense Bedeutung der direkt koproduzierten Leistung zweier interagierender Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen, die es u.a. auch schaffen müssen, sich der Steuerungsversuche durch den Gesetzgeber oder öffentlichen Diskussionen zur Gestaltung der Arzt-Patienten- Interaktion zu entziehen.
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1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Abbildungsverzeichnis;8
3;Abkürzungsverzeichnis;9
4;Vorwort;10
5;I Arzt und Patient: ein brisantes Thema aus neuer Perspektive;12
5.1;1. Einführung in die aktuelle öffentliche Diskussion;12
5.2;2. Hinführung zur Fragestellung;14
5.3;3. Vorgehen;15
5.4;4. Forschungsfragen;17
5.5;5. Abgrenzung;18
6;II Theoretische Grundlagen des Dienstleistungskonzepts;20
6.1;1. Metatheoretisches Modell;21
6.2;2. Handlungstheoretische Grundlagen;29
6.3;3. Institution;32
6.3.1;3.1 Einleitung und Forschungsüberblick;32
6.3.2;3.2 Definitorische Basis;35
6.3.3;3.3 Institutionenentstehung;37
6.3.4;3.4 Legitimierung und Stabilität von Institutionen;39
6.3.5;3.5 Institutionenanalyse: Akteurszentrierter Institutionalismus;42
7;III Dienstleistung als Forschungsgegenstand;48
7.1;1. Historische Entwicklung der Dienstleistung in Deutschland;51
7.2;2. Soziologie und Dienstleistung: relevanter Forschungsstand;61
7.2.1;2.1 Soziologische Klassiker: Entzauberung, Wissen und Rationalisierung;62
7.2.2;2.2 Wirtschaftssoziologie;64
7.2.3;2.3 Arbeits- und Industriesoziologie;67
7.2.4;2.4 Professions- und Medizinsoziologie;71
8;IV Methodenvorstellung und Darstellung der Datenauswertung;86
8.1;1. Methodische Vorüberlegungen;86
8.2;2. Vorstellung der Methode;87
8.3;3. Vorgehen;89
8.4;4. Datenauswertung;90
9;V Institutionenkonzept der Dienstleistung zwischen Hausarzt und Patient;94
9.1;1. Die personenbezogene Dienstleistung;94
9.1.1;1.1 Allgemeine Abstimmungsproblematik;97
9.1.2;1.2 Determinanten der Kooperationsbeziehung;99
9.1.3;1.3 Prinzipal-Agenten-Beziehung;100
9.1.4;1.4 Markt- und Sozialtauschcharakter;105
9.1.5;1.5 Abstimmungsprobleme zwischen Hausarzt und Patient114;109
9.2;2. Institutionalisierung der Lösungsmechanismen für das Hausarzt- Patienten-Verhältnis;140
9.2.1;2.1 Formgebundene Teile der Institution: Ökonomische Abschöpfungsbedingungen;143
9.2.2;2.2 Formloser Teil der Institution: Die soziale Interaktion zwischen dem Hausarzt und seinem Patienten;197
9.2.3;2.3 Gesamtbild der Institution;239
10;VI Gesamtcharakter der Institution;254
11;VII Quo vadis Arzt-Patienten-Beziehung?;260
12;Literatur;266
13;Anhang;284


V Institutionenkonzept der Dienstleistung zwischen Hausarzt und Patient (S. 93-94)

1. Die personenbezogene Dienstleistung

„Die personenbezogene Dienstleistung sollte das soziologische Interesse eigentlich herausfordern. Unmittelbare Sozialbeziehung und ökonomischer Tauschakt gehen in ihr eine ungewöhnliche Verbindung ein.“ (Gross, 1983, S.50)

Die Frage der Definition von Dienstleistungen im Allgemeinen und Besonderen kam im Laufe der Arbeit bereits zum Tragen, wurde aber zunächst offen gelassen. Erst die in diesem Kapitel erfolgende Spezifizierung erlaubt die Bestimmung eines Dienstleistungskonzepts, welches für die besondere Beziehung zwischen Arzt und Patient einsetzbar ist. Ausgehend von anderen Formen der Arbeit wird Dienstleistung generell als eine nichtproduktive, immaterielle Arbeit dargestellt (vgl. Decker, 1975, S.59f.).

Es wurde bereits deutlich, dass dabei zwei Komponenten von besonderer Bedeutung erscheinen: Zum einen wird der Versuch der Definition über Negativkriterien gemacht, in dem man beschreibt, was eine Dienstleistung nicht ist. Zum anderen handelt es sich bei Dienstleistungen um Arbeit im Sinne einer Erwerbsarbeit. Dies ist die deutliche und endgültige Abkopplung vom historischen Ursprung dieser Aufgabe als personenbezogene Tätigkeit für andere.

Der Dienst wird nicht aus familiärer Bindung oder Nächstenliebe heraus vollzogen, er dient vielmehr dem Broterwerb des Dienstleistungsgebers, ist in seiner Funktion für den Ausführenden also vergleichbar mit jeglicher produzierender Tätigkeit, z. B. einem Handwerk. Tatsächlich scheinen sich die Feindifferenzierungen innerhalb der Dienstleistung – wie sach- oder personenbezogene sowie direkte oder indirekte Dienstleistung (Gross, 1983, S.14) – einfacher beschreiben zu lassen als Dienstleistung im Allgemeinen.

Dabei macht gerade die Differenzierung zwischen Sach- und Personenbezug für den Soziologen einen entscheidenden Unterschied, stellt doch die Leistung mit Personenbezug durch die räumliche und zeitliche Synchronität (vgl. ebd., S.13) zwischen dem Dienstleistungsgeber und -nehmer94 sowie der besonderen Rolle des Dienstleistungsnehmers eine besondere Form der Interaktion bzw. der sozialen Beziehung dar. Die personenbezogene Dienstleistung entsteht unter Beisein des DLG und DLN – dies ist zunächst einmal nur die logische Konsequenz des Personenbezugs. Diese Bedingung wird in der Literatur als Uno-actu-Prinzip (vgl. Nerdinger, 1994) aufgeführt und zielt darauf ab, dass die Leistung im Beisein und mit Zutun beider beteiligten Akteure – sozusagen in einem Zug – erstellt wird. Eine frühe Betrachtung dieses speziellen Interaktionsverhältnisses findet sich bei Goffman, der die Beziehung u. a. über das Verhältnis zwischen Diener und Bedientem kennzeichnet (vgl. Goffman, 1973, S.307). Kommt es in der Arbeitswelt zu einem Kontakt mit dem Publikum, also dem Adressaten der Arbeit, liegt für Goffman ein derartiges Verhältnis, also eine persönliche Dienstleistung, vor: „Ein persönlicher Dienstleistungsberuf kann idealtypisch als eine Arbeit definiert werden, bei welcher der Praktiker eine spezialisierte persönliche Dienstleistung für eine Reihe von Individuen erbringt, wobei die Dienstleistung von ihm verlangt, mit jedem dieser Individuen in direkte persönliche Kommunikation einzutreten, und er darüber hinaus keine Verpflichtung gegenüber den Personen, denen er dient, eingeht“ (ebd., S.308). Entscheidend ist die effektive Kompetenz des DLG für die Erbringung der Leistung, er muss sozusagen auf Abruf diese Form der Vertrauenswürdigkeit erzeugen können. Der DLG bearbeitet mit seiner Tätigkeit das schadhafte Objekt des DLN – während dieses Objekt an sich aber immer mit dem DLN verknüpft bleibt. Die Interaktion nimmt dabei einen recht strukturierten Ablauf, der sich durch einen verbalen, einen vertraglichen und einen sozialen Teil auszeichnet (vgl. ebd., S.312).95


Monika Wilken war wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Michael Schmid am Lehrgebiet 'Allgemeine Soziologie' an der Universität der Bundeswehr in München. Sie ist momentan als freie Dozentin im Bereich der Weiterbildung im Pflegemanagement tätig.


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