Wilson | Die soziale Eroberung der Erde | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Wilson Die soziale Eroberung der Erde

Eine biologische Geschichte des Menschen

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-406-64531-0
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir? Der große Biologe E. O. Wilson entschlüsselt die Evolution des Menschen
Die soziale Eroberung der Erde ist die Summe lebenslanger innovativer Forschung, die Krönung des Lebenswerkes von Edward O. Wilson. Seine weitreichende These: Die soziale Gruppe und nicht das egoistische Gen war der entscheidende Faktor der Menschwerdung.

"Keinem außer Edward O. Wilson konnte eine derart brillante Synthese aus Biologie und Geisteswissenschaften gelingen, die Licht wirft auf den Ursprung von Sprache, Religion, Kunst und der gesamten menschlichen Kultur."
Oliver Sacks

"Eine große, doch einfache Fragestellung, überzeugende Erklärungen, eine meisterhafte Beherrschung der Wissenschaft und eine anschauliche, verständliche Darstellung einmal mehr hat E.O. Wilson ein Buch geschrieben mit den Qualitäten, die ihm Pulitzerpreise und ein Millionenpublikum eingebracht haben."
Jared Diamond

"Ein fabelhaftes Buch."
Bill Clinton
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;2
3;Zum Buch;3
4;Über den Autor;3
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Prolog;7
8;I. Warum existiert höher entwickeltes soziales Leben?;13
8.1; 1. Die Natur des Menschen;15
9;II. Woher kommen wir?;21
9.1;2. Die beiden Pfade der Eroberung;23
9.2;3. Die Langstrecke;33
9.3;4. Die Ankunft;46
9.4;5. Der Faden durch das Labyrinth der Evolution;60
9.5;6. Kreative Kräfte;65
9.6;7. Stammessysteme als grundlegendes menschliches Merkmal;75
9.7;8. Krieg als angeborenes Übel der Menschheit;81
9.8;9. Die Auswanderung;99
9.9;10. Die kreative Explosion;109
9.10;11. Der Spurt zur Zivilisation;124
10;III. Soziale Insekten erobern die Welt der Wirbellosen;135
10.1;12. Die Erfindung der Eusozialität;137
10.2;13. Erfindungen, die die sozialen Insekten voranbrachten;148
11;IV. Die Kräfte der sozialen Evolution;161
11.1;14. Das wissenschaftliche Dilemma der Seltenheit;163
11.2;15. Altruismus und Eusozialität bei Insekten;169
11.3;16. Insekten machen den Riesensprung;180
11.4;17. Soziale Instinkte als Werk der natürlichen Selektion;192
11.5;18. Die Kräfte der sozialen Evolution;202
11.6;19. Das Aufkommen einer neuen Theorie der Eusozialität;223
12;V. Was sind wir?;229
12.1;20. Was ist die Natur des Menschen?;231
12.2;21. Die Evolution der Kultur;255
12.3;22. Der Ursprung der Sprache;269
12.4;23. Die Evolution der Kulturvielfalt;283
12.5;24. Der Ursprung von Moral und Ehrbegriff;289
12.6;25. Der Ursprung der Religion;306
12.7;26. Der Ursprung der kreativen Künste;321
13;VI. Wohin gehen wir?;341
13.1;27. Eine neue Aufklärung;343
14;Danksagung;357
15;Anmerkungen;358
16;Nachweise zu den Abbildungen und Tabellen;376
17;Register;381


1.
DIE NATUR DES MENSCHEN
«Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir?» Was Paul Gauguin auf der Leinwand seines tahitischen Meisterwerks in größtmögliche Schlichtheit fasste, sind tatsächlich die zentralen Fragestellungen von Religion und Philosophie. Werden wir sie jemals beantworten können? Mitunter scheint es nicht so. Oder vielleicht doch? Die Menschheit von heute gleicht einem Tagträumer, gefangen zwischen den Einbildungen des Schlafs und dem Chaos der wirklichen Welt. Wir sind geistig auf der Suche, können aber Ort und Zeit nicht exakt festmachen. Wir haben eine Star-Wars-Zivilisation erschaffen, unterliegen aber zugleich steinzeitlichen Emotionen, besitzen mittelalterliche Institutionen und eine gottgleiche Technologie. Wir teilen nach allen Seiten aus. Wir sind furchtbar verunsichert von der schlichten Tatsache unserer Existenz, und wir sind eine Gefahr für uns selbst und das übrige Leben. Die Religion wird dieses große Rätsel niemals lösen. Seit der Altsteinzeit hat jeder Volksstamm – und davon gab es Abertausende – sich seinen eigenen Schöpfungsmythos zugelegt. In dieser langen Traumzeit unserer Vorfahren haben übernatürliche Wesen zu Schamanen und Propheten gesprochen. Sie offenbarten sich den Sterblichen verschiedentlich als Gott, als Göttervolk, als göttliche Familie, als Großer Geist, als Sonne, als Ahnengeister, oberste Schlangen, Hybriden von allerlei Tieren, Chimären aus Mensch und Tier, allmächtige Himmelsspinnen – als alles, was sich irgend in den Träumen, Halluzinationen und der fruchtbaren Phantasie der spirituellen Führer heraufbeschwören ließ. In ihre Ausformung spielte zum Teil die Umwelt ihrer Erfinder hinein. In Polynesien stemmten Götter den Himmel von Land und Meer ab, und es folgte die Schöpfung des Lebens und der Menschheit. In den wüstenbewohnenden Patriarchaten von Judentum, Christenheit und Islam entwarfen die Propheten wie zu erwarten einen göttlichen, allmächtigen Patriarchen, der über heilige Schriften zu seinem Volk spricht. Die Schöpfungsgeschichten verschafften den Mitgliedern jedes Stammes eine Erklärung für ihre Existenz. Damit fühlten sie sich über alle anderen Stämme hinaus geliebt und beschützt. Im Gegenzug verlangten ihre Götter absoluten Glauben und Gehorsam. Und das musste auch so sein. Der Schöpfungsmythos war das wesentliche Band, das den Stamm zusammenhielt. Er verschaffte seinen Anhängern eine einheitliche Identität, verfügte ihre Treue, stärkte die Ordnung, gewährte das Gesetz, ermunterte zu Heldenmut und Opferbereitschaft und bot einen Sinn für die Zyklen von Leben und Tod. Kein Stamm konnte lange überleben ohne Sinn für seine Existenz, der von einer Schöpfungsgeschichte definiert wurde. Dagegen standen Schwächung, Auflösung und Tod. In der frühen Stammesgeschichte musste der Mythos deshalb in Stein gehauen werden. Der Schöpfungsmythos ist ein darwinscher Überlebensfaktor. Stammeskonflikte, bei denen die gläubigen Insider es gegen die Ungläubigen von außen aufnahmen, waren eine wesentliche Antriebskraft in der Ausformung der biologischen Natur des Menschen. Die Wahrheit jedes Mythos wohnte im Herzen der Menschen, nicht in der rationalen Vernunft. Aus sich selbst heraus konnte der Mythos Ursprung und Sinn der Menschheit niemals offenlegen. Umgekehrt aber funktioniert es: Die Offenlegung von Ursprung und Sinn der Menschheit kann womöglich Ursprung und Sinn der Mythen erklären und damit den Kern der organisierten Religion. Lassen sich diese beiden Weltsichten irgendwie vereinbaren? Um es ehrlich und einfach zu sagen: Nein. Sie lassen sich nicht vereinbaren. Ihr Gegensatz definiert den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen empirischer Arbeit und Glaube an das Übernatürliche. Mit dem Rückgriff auf die mythischen Grundlagen der Religion also lässt sich das große Mysterium von der Natur des Menschen nicht klären – und genauso wenig durch Innenschau und Selbsterkenntnis. Ohne Hilfsmittel kann rationales Forschen sein eigenes Wirken niemals erfassen. Die allermeisten Hirnaktivitäten werden vom Bewusstsein nicht einmal wahrgenommen. Das Gehirn, sagte Charles Darwin einmal, ist eine Festung, die sich im direkten Angriff nicht erobern lässt. Das Nachdenken über das Denken ist der zentrale Prozess der Kunst, aber es sagt uns sehr wenig darüber, wie wir denken in der Weise, wie wir es tun, und gar nichts darüber, warum sich künstlerisches Schaffen überhaupt herausbildete. Das Bewusstsein entstand in einem Evolutionsprozess über Millionen von Jahren des Kampfes um Leben und Tod und gerade auch dank dieses Kampfes; für die Selbsterforschung ist es nicht geeignet. Geeignet ist es für Überleben und Fortpflanzung. Bewusstes Denken wird von der Emotion gesteuert; dem Ziel Überleben und Fortpflanzung ist es voll und ganz ergeben. Die komplexen Verschlingungen des Geistes lassen sich vielleicht von der Kunst bis ins Detail darstellen, aber sie sind dort so konstruiert, als hätte die Natur des Menschen niemals eine Evolutionsgeschichte durchgemacht. Ihre mächtigen Metaphern haben uns der Lösung des Rätsels kein Stück näher gebracht als die Tragödien und anderen Schriften des antiken Griechenlands. Naturwissenschaftler durchforsten nun das Umfeld der Festung und suchen nach möglichen Breschen in ihren Mauern. Irgendwann hatten sie die richtigen Technologien entworfen und konnten eindringen, und jetzt lesen sie die Codes und verfolgen die Bahnen von Milliarden von Nervenzellen. Innerhalb einer Generation werden wir wohl so weit vorangekommen sein, dass wir die stofflichen Grundlagen des Bewusstseins erklären können. Aber – wenn die Natur des Bewusstseins geklärt ist, wissen wir dann, was wir sind und woher wir kommen? Nein. Das erschöpfende Verständnis der stofflichen Vorgänge im Gehirn bringt uns der Klärung des Mysteriums sehr nahe. Doch um es wirklich zu durchschauen, brauchen wir weit mehr Wissen sowohl aus den Natur- als auch aus den Geisteswissenschaften. Wir müssen verstehen, wie das Gehirn sich in der Evolution zu dem entwickelt hat, was es ist, und warum. Auch in der Philosophie suchen wir vergeblich nach einer Antwort auf das große Rätsel. Bei aller hehren Zielsetzung in ihrer langen Geschichte hat die reine Philosophie die Grundfragen nach der menschlichen Existenz längst aufgegeben. Schon die Suche selbst ist Gift für den guten Ruf. Für Philosophen ist sie heute ein Gorgonenhaupt, dem selbst die besten Denker nicht ins Gesicht zu blicken wagen. Und für diese Abneigung haben sie gute Gründe. Ein Großteil der Philosophiegeschichte besteht aus gescheiterten Erkenntnismodellen. Das Diskursfeld ist übersät mit dem Strandgut von Bewusstseinstheorien. Nach dem Niedergang des logischen Positivismus Mitte des 20. Jahrhunderts und seines Versuchs, Naturwissenschaft und Logik in einem geschlossenen System zu vereinen, zerstreute sich die Profession der Philosophen in einer intellektuellen Diaspora. Man wich auf geschmeidigere Disziplinen aus, die noch nicht von der Naturwissenschaft besetzt waren – Wissenschaftsgeschichte, Semantik, Logik, Grundlagenmathematik, Ethik, Theologie sowie den lukrativsten Bereich, nämlich Fragestellungen der persönlichen Lebensführung. In diesen verschiedenen Unterfangen blühen die Philosophen geradezu auf, doch an der Lösung des Rätsels arbeitet nach diesem Eliminierungsprozess zumindest momentan nur noch die Naturwissenschaft. Was die Naturwissenschaft verspricht und zum Teil bereits geleistet hat, ist Folgendes. Es gibt eine echte Schöpfungsgeschichte der Menschheit, und zwar eine einzige, und diese ist kein Mythos. Sie wird allmählich herausgearbeitet und verifiziert, wird bereichert und gestärkt, und zwar Schritt für Schritt. Ich werde darlegen, dass die Wissenschaft besonders in den letzten zwei Jahrzehnten so weit fortgeschritten ist, dass wir die Fragen, woher wir kommen und was wir sind, jetzt kohärent angehen können. Dafür brauchen wir allerdings Antworten auf zwei noch grundlegendere Fragen, die die Suche aufgeworfen hat. Erstens die Frage, warum höher entwickeltes soziales Leben überhaupt existiert und in der Geschichte des Lebens so selten ist. Und zweitens die Frage nach den Antriebskräften, die es haben aufkommen lassen. Diese Fragestellungen lassen sich lösen, indem wir Informationen aus den verschiedensten Disziplinen zusammenbringen – von der Molekulargenetik, den Neurowissenschaften und der Evolutionsbiologie bis hin zur Archäologie, Ökologie, Sozialpsychologie und Geschichte. Um die Theorie eines derart komplexen Prozesses zu überprüfen, ist es hilfreich, sich die anderen sozialen Eroberer der Erde anzusehen, nämlich die höchst sozial geprägten Ameisen, Bienen, Wespen und Termiten; genau das werde ich tun. Wir brauchen sie, um für die Entwicklung der Theorie von der sozialen Evolution eine Perspektive zu schaffen. Mir ist klar, dass ich mich der Missverständlichkeit aussetze, wenn ich Insekten neben den Menschen stelle. Affen sind ja schon schlimm genug, könnte man sagen, aber Insekten? In der Humanbiologie ist es aber immer von Nutzen, solche Gegenüberstellungen vorzunehmen. Dieser Vergleich des Geringeren mit dem...


Edward Osborne Wilson oder kurz E. O. Wilson (geb. 1929) ist der berühmteste Biologe unserer Zeit. Als (inzwischen emeritierter) Professor forscht und lehrt er über Umwelt, Tierverhalten, Evolution und Biodiversität. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung des Zusammenlebens der Ameisen; international bekannt wurde er auch als Begründer der Soziobiologie, die das Wechselspiel zwischen Evolution und sozialen Verhaltensweisen erforscht. Unter seinen vielen wissenschaftlichen Auszeichnungen finden sich die amerikanische National Medal of Science und der Crafoord-Preis der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften der weltweit renommierteste Preis für Ökologie. Für seine Veröffentlichungen erhielt er zweimal den Pulitzer-Preis in der Kategorie Sachbuch, für "Biologie als Schicksal. Die soziobiologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens" (1978, dt. 1980), sowie (mit Bert Hölldobler) für "Die Ameisen" (1990, dt. 1995).


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