Winkler Geschichte des Westens
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-406-66985-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vom Kalten Krieg zum Mauerfall
E-Book, Deutsch, 1259 Seiten
ISBN: 978-3-406-66985-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit dem Fall der Mauer vor 25 Jahren ging ein Zeitalter zu Ende. Heinrich August Winklers Geschichte des Westens stellt die dramatischen Ereignisse von 1989 in einen großen weltgeschichtlichen Zusammenhang und schildert meisterhaft die ereignisreichen Jahrzehnte vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Untergang der Sowjetunion. Der Band macht deutlich, wie nahe uns die Epochenwende von 1989 bis 1991 immer noch ist: Damals wurden die Grundlagen unserer Gegenwart gelegt.
Niemals zuvor oder danach war der transatlantische Westen so sehr eine Einheit wie in den viereinhalb Jahrzehnten, in denen der Ost-West-Konflikt die Achse der Weltpolitik bildete. Während die Welt mehr als einmal am atomaren Abgrund stand, lösten sich in der "Dritten Welt" die Kolonien von ihren europäischen Kolonialherren und suchten eigene Wege in die politische Unabhängigkeit. Der Vietnamkrieg, "1968" mit den Studentenunruhen im Westen und dem "Prager Frühling" im Osten, die Abrüstungsverhandlungen und der Streit um die Nachrüstung, Solidarnósc und die Systemkrise der Sowjetunion - auf höchstem Niveau schildert Heinrich August Winkler all jene Ereignisse, die gleichsam die Vorgeschichte unserer Gegenwart bilden. Der Westen entschied zwar auf allen Ebenen den "Wettkampf der Systeme" für sich. Doch Winkler zeigt auch sehr deutlich, dass aus den Umwälzungen der Jahre 1989 bis 1991 eine Welt ohne Gleichgewicht hervorging. Ein abschließender Band, der im kommenden Jahr erscheinen soll, wird diese "Zeit der Gegenwart" darstellen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Internationale Beziehungen Ost-West Beziehungen
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Weltgeschichte
Weitere Infos & Material
1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Inhalt;7
5;Vorwort;13
6;Einleitung;17
7;1. Anfänge des Kalten Krieges: 1945–1949;23
7.1;Die Ausgangslage: Die Weltmächte und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg;23
7.2;Zerfall einer Zweckallianz: Die Entstehung des Ost-West-Konflikts;60
7.3;Jenseits von Ost und West: Die Kolonialmächte geraten in Bedrängnis;84
7.4;Kraftproben: Jugoslawienkrise, Berliner Blockade, Gründung der NATO;100
7.5;Zwei Staatsgründungen: Die Teilung Deutschlands;109
7.6;Gewichtsverlagerungen: Stalins Atombombe, Maos Revolution und der Westen am Ende der vierziger Jahre;120
7.7;Die Renaissance der Menschenrechte: Die Vereinten Nationen reformieren das Völkerrecht;131
8;2.Vom Koreakrieg zur Kubakrise:1949–1963;139
8.1;Fehlschlag einer Aggression: Der Koreakrieg 1950–1953;139
8.2;Von Truman zu Eisenhower: Die USA 1950–1956;148
8.3;Von Stalin zu Chruschtschow: Die Sowjetunion und der Ostblock 1949–1955;163
8.4;Beginn eines Booms: Die westeuropäischen Demokratien 1950–1955;184
8.5;Entscheidungsjahr 1956: Entstalinisierung, ungarische Revolution, Suezkrise;216
8.6;Der Sputnik, die EWG und die Rückkehr de Gaulles: Die Weltmächte und Europa 1957/58;245
8.7;Von Chruschtschows Berlin-Ultimatum zur Wahl Kennedys: Ost versus West 1958–1960;280
8.8;«Wind of change»: Die Entkolonialisierung Afrikas;297
8.9;Von der Schweinebucht zur Berliner Mauer: Die Weltmächte auf Konfliktkurs;336
8.10;Kanzlerdämmerung: Das Ende der Ära Adenauer;347
8.11;Paris versus London: Die EWG bleibt das Europa der Sechs;357
8.12;Öffnung nach links: Italien reformiert sich;372
8.13;Am Rande des Abgrunds: Die Kubakrise und ihre Folgen;377
9;3. Von der Konfrontation zur Entspannung:1963–1975;395
9.1;Der globale Westen: Kanada, Australien, Neuseeland und die «innere Dekolonialisierung»;395
9.2;Risse im Weltkommunismus: Von Chruschtschows Sturz zur Breschnew-Doktrin;410
9.3;Zwischen «Great Society» und Vietnamkrieg: Johnsons Amerika;434
9.4;De Gaulles Schatten über Europa: Krisenjahre für NATO und EWG;453
9.5;Von Erhard zur Großen Koalition: Die Bundesrepublik im Umbruch;467
9.6;1968: Die transnationale Revolte;482
9.7;Vietnam und kein Ende: Die erste Amtsperiode des Präsidenten Richard Nixon;526
9.8;Kurskorrekturen: Frankreich unter Georges Pompidou 1969–1973;548
9.9;Von Wilson zu Heath: Großbritannien im Übergang zu den siebziger Jahren;558
9.10;Machtwechsel in Bonn: Willy Brandts neue Ostpolitik;568
9.11;Anschläge, Reformen, Schulden: Italien 1969–1973;588
9.12;Reform des Agrarmarkts und Norderweiterung: Die Europäische Gemeinschaft 1969–1973;594
9.13;Moskau, Warschau, Ost-Berlin: Repression und Regimewandel im Ostblock;600
9.14;Weltpolitik im Schatten von Watergate: Von Nixon zu Ford;607
9.15;Nach dem Boom: Struktur- und Wertewandel in den siebziger Jahren;629
9.16;Krisenpolitik: Westeuropa im Zeichen der Rezession;643
9.17;Weltmacht auf Widerruf: Der Niedergang der sowjetischen Wirtschaft;673
9.18;Diktaturendämmerung: Regimewechsel in Portugal, Griechenland und Spanien;677
9.19;Außerhalb der Blöcke: Die neutralen Staaten Europas;693
9.20;Grenzgarantie versus Menschenrechte: Die umkämpfte Helsinki-Schlußakte von 1975;711
10;4. Von der Entspannung zur Konfrontation: 1975–1985;719
10.1;Rezession und Regierungswechsel: Der transatlantische Westen 1975/76;719
10.2;Der Klassenfeind als Gläubiger: Der Ostblock 1975–1979;727
10.3;Moral und Interesse: Die ersten Jahre des Präsidenten Jimmy Carter;739
10.4;Terror, Krisen, Lernprozesse: Westeuropa 1976–1979;750
10.5;Kampfansage an den Westen: Die Islamische Revolution in Iran 1978/79;773
10.6;Der zweite Ölpreisschock, die sowjetische Invasion in Afghanistan und die Folgen: Das Ende der Präsidentschaft Jimmy Carters;780
10.7;Zwischen Mudjahedin und Solidarno??: Das Ende der Ära Breschnew;794
10.8;Stärke auf Pump: Die USA unter Ronald Reagan 1980–1984;807
10.9;Konflikt statt Konsens: Die «Thatcher Revolution» in Großbritannien 1979–1985;827
10.10;Der Bruch mit dem Kapitalismus schlägt fehl: Frankreich unter Mitterrand 1981–1985;840
10.11;Mehr Kontinuität als Wende: Die Bundesrepublik im Übergang von Schmidt zu Kohl;853
10.12;Reform und Korruption: Italien in der Ära Craxi;872
10.13;Eurosklerose, Süderweiterung, neue Dynamik: Die Europäische Gemeinschaft in der ersten Hälfte der achtziger Jahre;877
10.14;Entfesselte Märkte: Die Globalisierung der Arbeitsteilung und die Krise des Sozialstaats;887
11;5. Abschied vom Kalten Krieg:1985–1991;897
11.1;Perestrojka, Glasnost, Demokratie: Michail Gorbatschows Versuch, die Sowjetunion zu reformieren;897
11.2;Die Weltmächte kommen sich näher: Das Ende der Ära Reagan;909
11.3;Zwang zum Wandel: Westeuropa in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre;927
11.4;Südosteuropäische Sonderwege: Jugoslawien, Albanien und Rumänien in den achtziger Jahren;945
11.5;Pro und contra Perestrojka: Die Spaltung des Ostblocks;954
11.6;Weltmächte im Wandel: Die USA und die Sowjetunion in der ersten Hälfte des Jahres 1989;964
11.7;Frühsommer 1989: Zehn Wochen, die die Welt veränderten;974
11.8;Zerfall eines Imperiums: Die Sowjetunion, Polen und Ungarn von Juli bis Oktober 1989;985
11.9;Der Fall der Berliner Mauer: Symbol einer friedlichen Revolution;993
11.10;Von der «samtenen Revolution» zum Blutbad von Bukarest: Die Umwälzungen in der Tschechoslowakei, in Bulgarien und Rumänien;1003
11.11;Die Rückkehr der deutschen Frage: Von Kohls «Zehn Punkten» zur Volkskammerwahl in der DDR;1014
11.12;Von Panama nach Bagdad: Außereuropäische Herausforderungen der USA;1034
11.13;Gorbatschow in der Gefahrenzone: Die Sowjetunion im Jahr 1990;1039
11.14;Die Lösung der deutschen Frage: Von der Währungsunion zur Wiedervereinigung;1044
11.15;Der Sturz der «Eisernen Lady»: Das Ende der Regierung Thatcher;1066
11.16;Transformationskrisen: Ostmitteleuropa nach der friedlichen Revolution;1070
11.17;Antwort auf eine Annexion: Der Golfkrieg von 1991;1079
11.18;Der Balkan im Aufruhr: Das Ende des Kommunismus in Albanien und der Beginn der jugoslawischen Nachfolgekriege;1086
11.19;Rechtsruck, Putsch und Untergang: Die Auflösung der Sowjetunion;1096
11.20;Das Scheitern eines Großversuchs: Rückblick auf den Sowjetkommunismus;1105
11.21;Welt ohne Gleichgewicht: Die Jahre 1989–1991 als globale Zäsur;1117
12;Anhang;1133
12.1;Abkürzungsverzeichnis;1135
12.2;Anmerkungen;1143
12.3;Personenregister;1209
12.4;Ortsregister;1241
13;Zum Buch;1259
14;Über den Autor;1259
Einleitung
Der dritte Band der «Geschichte des Westens» handelt von der Zeit vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Untergang des Sowjetimperiums, also von 1945 bis 1991. Viereinhalb Jahrzehnte lang stand die Welt im Zeichen der Bipolarität zwischen Washington und Moskau. Daß der Kalte Krieg, von dem man seit 1947 sprach, in Europa kalt blieb, hatte seine Hauptursache im «Gleichgewicht des Schreckens», der Angst vor der wechselseitigen nuklearen Vernichtung – einer Angst, von der sich die Menschheit seit dem Abwurf der ersten beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 nicht mehr befreien konnte. Der Gegensatz zwischen West und Ost, der die Zeit von 1945 bis 1991 prägte, war nicht immer gleich intensiv. Einer Phase der Konfrontationen, die spätestens mit der Berliner Blockade 1948/49 begann und mit der Beilegung der kubanischen Raketenkrise im Herbst 1962 endete, folgte eine Ära der Entspannung, die in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre von neuen Konfrontationen, beginnend mit der Stationierung modernisierter, auf Mitteleuropa gerichteter sowjetischer Mittelstreckenraketen, abgelöst wurde. Es bedurfte einer «Revolution von oben», des radikalen Regimewandels in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow, um den Ost-West-Konflikt zu überwinden und jene neue Weltordnung zu ermöglichen, von der der amerikanische Präsident George H. W. Bush erstmals im September 1990 sprach.[1] Nie zuvor hatte der transatlantische Westen so sehr eine Einheit gebildet wie in den viereinhalb Jahrzehnten zwischen 1945 und 1990. Wem innerhalb des Westens die Rolle der Hegemonialmacht zufiel, war nie zweifelhaft. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren eine der beiden Supermächte und, als der Kalte Krieg zu Ende ging, die Supermacht schlechthin. Von den größeren Staaten Europas war keiner den USA ebenbürtig. Deutschland, das den Zweiten Weltkrieg entfesselt hatte, war besiegt und wurde von den Siegermächten geteilt. Großbritannien war eine Siegermacht, aber durch den Krieg materiell so geschwächt, dass es 1945 fraglich war, wie lange es sein überseeisches Kolonialreich noch würde behaupten können. Erst recht galt das für Frankreich, das unter dem Trauma der Niederlage von 1940 litt und sich eben deshalb lange Zeit verzweifelt dagegen wehrte, ein vermeintliches Attribut seines Großmachtstatus wie den Besitz von Kolonien aufzugeben. Der Prozeß der Dekolonialisierung, der mit der Entlassung Indiens und Pakistans in die Unabhängigkeit im Jahr 1947 begann und sich bis in die siebziger Jahre hinzog, war für alle europäischen Kolonialmächte schmerzhaft – am schmerzlichsten aber wohl für ein kleines Land wie Portugal, das sich denn auch erst nach einer Revolution im Mutterland von den afrikanischen Überresten seiner früheren Größe verabschiedete. Spätestens 1945 wurde das 20. Jahrhundert zum «amerikanischen Jahrhundert» und eben dadurch auch zum «transatlantischen Jahrhundert». Die Selbstzerstörung Europas in zwei Weltkriegen verhalf den USA zu dem Rang, der ihnen mit dem Sieg über die Achsenmächte zugewachsen war. Die Vereinigten Staaten waren die unbestrittene Führungsmacht des Atlantischen Bündnisses und der einzige vollsouveräne Nationalstaat des Westens. Die europäischen Nationalstaaten konnten ihre relative Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit, so paradox es klingt, nur durch supranationale Integration sichern. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, der späteren Europäischen Union, verwandelten sie sich, indem sie Teile ihrer Hoheitsrechte gemeinsam ausübten oder auf übernationale Institutionen übertrugen, in Nationalstaaten eines neuen, des postklassischen Typs. Der Nationalismus hatte in Europa, anders als in der Dritten Welt, seine Integrationskraft und damit seine historische Legitimation eingebüßt. Die nationalen Loyalitäten wurden zunehmend durch transnationale Bindungen wie den Gegensatz zum Kommunismus sowjetischer Prägung und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der westlichen Demokratien überlagert. Auch und gerade auf ideologischem Gebiet war das «American Century», wie der Historiker Akira Iriye feststellt, ein transnationales Jahrhundert.[2] Nicht minder transnational war der lang anhaltende Boom, der aus den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zeit bislang ungekannter Prosperität und des Massenkonsums machte. Die Weltwährungsordnung, die im Juli 1944, rund ein Jahr vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, von Vertretern von 44 Regierungen der Anti-Hitler-Koalition in Bretton Woods im amerikanischen Bundesstaat New Hampshire vereinbart wurde, schuf den institutionellen Rahmen der internationalen monetären Zusammenarbeit der Nachkriegszeit. Das System von Bretton Woods mit seinen drei Säulen, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, dem GATT, beruhte auf einem gemischten Gold-Dollar-Standard mit dem US-Dollar als Reservewährung und war wesentlich weniger starr als der frühere reine Goldstandard oder der zwischen 1925 und 1931 praktizierte Gold-Devisen-Standard. Bretton Woods gab der Globalisierung der Weltwirtschaft kräftigen Auftrieb. Freilich handelte es sich dabei um eine fragmentarische Globalisierung: Die Sowjetunion und die von ihr abhängigen Staaten weigerten sich, dem von den USA dominierten Weltwährungssystem beizutreten.[3] Als die Vereinigten Staaten im März 1973 unter dem Eindruck wachsender Defizite in der Zahlungsbilanz den Dollarkurs freigaben, bedeutete dies das Ende des Weltwährungssystems von Bretton Woods. Sechs Monate später, im Oktober 1973, zog die Organisation Erdölproduzierender Staaten, die OPEC, durch eine massive Erhöhung der Rohölpreise einen Schlußstrich unter die knapp drei Jahrzehnte, in denen niedrige Ölpreise im Wortsinn das Schmiermittel der Weltkonjunktur gewesen waren. Das Ende der exorbitanten Wachstumsraten aber war nicht das Ende der materiellen Erwartungen, die sich in der langen Ära der Nachkriegsprosperität herausgebildet hatten. Um ihren gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten, finanzierten viele private Haushalte ihren Konsum mehr als bisher über Kredite; viele Regierungen erhöhten die Staatsschulden, um der Bevölkerung allzu harte Einschnitte zu ersparen und die sozialen Errungenschaften der «fetten Jahre» zu erhalten. Der Weg in den «Schuldenstaat» begann, nicht nur in der westlichen Welt, in den siebziger Jahren. Der zweite Ölpreisschock, ausgelöst durch die Iranische Revolution von 1979, traf die Staaten des Ostblocks bei weitem härter als die Industriestaaten des Westens, die sich nach 1973 technologisch modernisiert und damit die Energiekosten gesenkt hatten. Unter den Ursachen des Zerfalls des Sowjetimperiums war das immer deutlichere technologische, ökonomische und damit letztlich auch militärische Zurückbleiben hinter dem Westen eine der wichtigsten. Dennoch wäre es eine grobe Vereinfachung, die innere Krise der Staaten des «sozialistischen Lagers» in vulgärmarxistischer Manier allein aus der Verschlechterung ihrer materiellen Leistungskraft abzuleiten und die Epochenwende der Jahre 1989 bis 1991 zu einem bloßen Epiphänomen der Krise der Weltwirtschaft seit den siebziger Jahren herabzustufen. Was die kommunistischen Systeme in Ostmittel-, Südost- und Osteuropa in den achtziger Jahren zusätzlich schwächte, war der Auftrieb, den die Dissidenten und Bürgerrechtsgruppen des Ostblocks durch die Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki von 1975 erhielten – jenes Dokument, in dem die Sowjetunion und ihre Verbündeten sich im Austausch gegen die westliche Anerkennung der Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen zur Respektierung wesentlicher Grundrechte wie der Gedanken-, der Religions-, der Meinungs- und Überzeugungsfreiheit verpflichten mußten. Von den Autoren der Prager «Charta 77» bis zu den Aktivisten der unabhängigen polnischen Gewerkschaft «Solidarnosc» konnten sich fortan alle, die den «real existierenden Sozialismus» in Frage stellten, auf diese Urkunde berufen. Der Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Europa markiert eine tiefe historische Zäsur. Eric Hobsbawm lässt mit dem Untergang der Sowjetunion 1991 das «Zeitalter des Extreme» und mit ihm das «kurze 20. Jahrhundert» enden, das 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges begonnen hatte.[4] Die Zeit der totalitären Systeme und Ideologien war nicht weltweit, aber auf dem alten Kontinent abgelaufen und mit ihr das Phänomen, das dem 20. Jahrhundert mehr als jedes andere seinen Stempel aufgedrückt hatte. Der ostmitteleuropäische Teil des alten Westens, der am Ende des Zweiten Weltkriegs der sowjetischen Interessensphäre und damit dem späteren Ostblock zugeschlagen worden war, konnte jetzt selbst über seine politische und gesellschaftliche Entwicklung entscheiden und sich auf eine Zukunft innerhalb der Europäischen Union und des Atlantischen Bündnisses vorbereiten. Das geteilte Deutschland schloß sich im Einvernehmen mit den einstigen «Großen Vier» und den europäischen Nachbarn wieder zu einem Staat zusammen. Die Vereinigten Staaten wurden, wenn auch nur...