E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Winspear Spielerisch wie der Wind
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7337-5698-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-5698-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Er ist Tinas erste große Liebe: der Bildhauer John. Voller Vertrauen auf eine glückliche Zukunft wird sie seine Frau und folgt ihm auf seine kleine Insel in der Karibik. Doch in der neuen Heimat überschatten böse Gerüchte ihre Liebe: Hat John wirklich etwas mit dem Tod seiner ersten Frau zu tun?
Violet Winspear wurde am 28.04.1928 in England geboren. 1961 veröffentliche sie ihren ersten Roman 'Lucifer`s Angel' bei Mills & Boon. Sie beschreibt ihre Helden so: Sie sind hager und muskulös, Außenseiter, bitter und hartherzig, wild, zynisch und Single. Natürlich sind sie auch reich. Aber vor allem haben sie eine große Sehnsucht nach Liebe, sind einsam und verfügen über eine große Menge an Leidenschaft. Die meisten Helden von Violet Winspear entsprechen diesem Bild. Sie beängstigen aber faszinieren. Sie müssen die Art von Mann sein, der über den 'bösen Blick' verfügt und man muss als Leserin das Gefühl haben, es wäre schlimm allein mit einem von ihnen im Raum zu sein. Da sie sie als 'fähig zur Schändung' bezeichnete, verursachte sie einen großen Aufruhr und wurde mit Hasstiraden bombardiert. Dennoch änderte Violet Winspear die Beschreibung ihrer Helden nicht. Violet Winspear schrieb von ihrem Zuhause in Süd-Ost-England aus, welches sie nicht verließ. Ihre Inspiration erhielt sie in der Ortsbibliothek. Sie war nie verheiratet und hat keine Kinder. Sie starb Anfang 1989 nach einem langem Kampf gegen Krebs.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. KAPITEL Chorley-on-Sea im März – wo der Wind der See weiße Schaumkronen aufsetzt, wo der einsame Schrei der Möwen über das Oberland weht, wo Familien mit Picknickkörben in der Ferienzeit rasten und in der sonnenwarmen Heide faulenzen. Jetzt lag der Ort verlassen da. Befreit von aller Urlaubsseligkeit blühte er wieder in der alten Schönheit, die Tina Manson so liebte. Sie stand auf dem Oberland – schmal und jung in blauer Samtjacke, Pullover und Jeans. Der Wind spielte mit ihrem feinen, aschblonden Haar und brannte Farbe auf Wangen, die den Stubenhocker verrieten: Tina war als Stenotypistin bei einer örtlichen Anwaltsfirma beschäftigt und zu langen Stunden in ihrem stickigen Büro verdammt. Heute jedoch, am Sonntag, hatte sie Zeit für sich selbst und die Dinge, die sie liebte. Nicht einen einzigen Gedanken brauchte sie an die Arbeit, an Tante Maud oder das düstere alte Haus in der Dulcey Avenue zu verschwenden. Sie wollte gerade nach dem Riegel Schokolade in ihrer Tasche greifen, als neben ihr jemand sagte: „Bitte nicht bewegen! Bleiben Sie so, wie Sie sind. Schauen Sie sehnsüchtig über das Meer, als warte jenseits des Horizonts das große Glück auf Sie!“ Spontan folgte Tina der Aufforderung. Ihr Herz begann einen schnelleren Takt zu schlagen. Nie zuvor hatte sie eine so bezwingende Männerstimme gehört. Sie war beeindruckt, aber dann rief sie sich in Erinnerung, welche Enttäuschung Stimmen bereiten können. Am Telefon im Büro versprachen sie oft erheblich mehr, als ihre Besitzer anschließend hielten. Der Wind schlang eine helle Haarsträhne um ihren blassen Nacken. Sie ließ sie, wo sie war, obwohl es kitzelte, denn sie hatte erraten, dass sie gezeichnet wurde. Hin und wieder kamen Künstler mit ihren Staffeleien nach Chorley, denn die Küstenlinie hatte ihre Reize. Wie ein rauer Arm umschlang sie die Stadt. Chorley selbst dagegen war so langweilig, dass es viele der jüngeren Bürger vorzogen, ihren Lebensunterhalt in London zu verdienen. „Das war’s“, sagte der Fremde. „Jetzt dürfen Sie sich entspannen.“ Tina tat das Gegenteil. Sich mit Fremden ungezwungen zu unterhalten, war ihr nicht gegeben. Und sie fühlte sich doppelt unbehaglich, als der Fremde einen langen Schritt auf sie zu tat und nun plötzlich neben ihr stand. Ihre rauchgrauen Augen musterten ihn argwöhnisch. Er war groß, schlank und von einer Sonne gebräunt, die England nicht kannte. Dichtes, grau gesprenkeltes Haar wehte in ein Gesicht, das den Mann von Welt verriet. Bitterkeit und Resignation umspielten den traurigen, zynischen Mund. Aber dann lächelte er – ein Lächeln, das die Fältchen um die leuchtend blauen Augen vertiefte und ihn merkwürdig jung erscheinen ließ. „Karikaturen sind ein Hobby von mir. Hier – schauen Sie sich einmal mit den Augen eines Fremden an. Spiegel können lügen, auf Worte ist ohnehin kein Verlass.“ Tina nahm den Skizzenblock, den er ihr entgegenhielt. Sie schluckte. Mit leichten, sicheren Strichen hatte er sie mit einem Hauch von Einsamkeit umgeben, der sie unter wandernden Wolken einhüllte wie in einen Mantel. Ihre Beine in den schmalen Hosen schienen nur darauf zu warten, davonstürmen zu können. Ihr offenes Haar umrahmte ein zerbrechlich-wehmütiges Profil. Mit einem schüchternen Lachen begegnete sie dem eisblauen Blick des Fremden. „Wie nett, dass Sie freundlicher waren, als es Karikaturisten ihren Opfern gegenüber im Allgemeinen sind“, sagte sie. „Zu jungen Menschen und Tieren bin ich selten grausam“, scherzte er, steckte den Zeichenblock in eine der geräumigen Taschen seines Tweedjacketts und holte eine Bruyerepfeife aus einer anderen. „Tut mir leid, dass ich Ihnen keine Zigarette anbieten kann“, sagte er und schob den Pfeifenstiel von einem Mundwinkel in den anderen. Ungeduldig klopfte er die Taschen nach Streichhölzern ab. „Ich rauche nicht.“ Also hielt er sie trotz ihres ungeschminkten Gesichts und der leichten Kleidung doch nicht für ein Kind. Tina atmete auf. Immerhin war sie einundzwanzig Jahre alt. Sie sah ihm zu, wie er die Pfeife ansteckte. Eine langgliedrige Hand schützte das Feuer, und eine windzerzauste graue Haarsträhne fiel ihm dabei über die rechte Augenbraue. Intensiver Tabakduft stieg ihr in die Nase, und sie fragte sich, was diesen hageren Fremden ausgerechnet nach Chorley geführt hatte. Er schien Gedanken lesen zu können: „Ich habe Freunde weiter oben an der Küste besucht“, beantwortete er ihre stumme Frage. „Mein Wagen quittierte letzte Nacht den Dienst, und so mietete ich mich im ‚Tudor Arms‘ ein, während er repariert wird.“ „Sie finden Chorley doch sicher ziemlich langweilig.“ Tina biss in ihre Schokolade und spürte dabei den amüsierten Blick, den er ihr zuwarf. „Sie selbst finden es ziemlich trostlos, nicht wahr, Kind?“, parierte er. Unwillig sah Tina ihn an. „Halten Sie mich für eines dieser unbedarften Mädchen vom Lande, die davon träumen, in der großen Stadt ihr Glück als Mannequin oder Fernsehstar zu machen?“, stieß sie heftig hervor. „Wenn ein Mädchen derart sehnsuchtsvoll über das Meer schaut, dann ist es auf der Suche nach etwas Neuem, einem unerfüllten Traum oder auch nur einem Abenteuer.“ Sich kräuselnd, stieg der Rauch aus seiner Pfeife. „Als ich noch ein Junge in Cornwall war, träumte ich beim Anblick der See davon, an ihre fernsten Ufer zu fahren.“ Sie sah ihn an und wusste, dass er seine Träume wahr gemacht hatte. Feine Narben in seinem Gesicht sprachen dafür. Sie waren verantwortlich für die scharfen Linien um seinen Mund, die es schwer machten, sein Alter zu erraten. Das Grau in seinem Haar half da nicht weiter. Tina hatte auch Tante Maud nur als grauhaarige Frau gekannt, und sie lebte immerhin seit fast zwanzig Jahren mit ihr zusammen. Er mochte um die Vierzig sein, überlegte Tina. Aber wie auch immer: Es war nett, mit ihm zu reden. Er spielte ihr nicht den Mann von Welt vor, und er dachte nicht daran, sich über sie lustig zu machen. „Ich würde gern reisen“, gab sie zu, „aber das wird wohl ein Traum bleiben.“ „Unsinn!“ Er tat ihre Worte mit einer so heftigen Bewegung ab, dass Funken aus seiner Pfeife sprühten. „Wir leben in einer Zeit, in der jeder die Türen zu fast jedem Teil der Welt auf stoßen kann. Sie könnten mit ein paar Freundinnen ins Ausland fahren und sogar billig – falls das der Angelpunkt sein sollte. Oder hängen Sie altmodischen Eltern am Rockzipfel?“ Zu gern hätte Tina sich ihm anvertraut. Doch zögerte sie. Vertraulichkeiten knüpfen ein Band zwischen Menschen. Wollte sie dieses Band? Sie war sich nicht sicher. Nach ihrer flüchtigen Begegnung würde dieser aufregende Mann in ein Leben zurückkehren, zu dem sie keinen Zutritt hatte. Ich muss hier bleiben, ermahnte sie sich, und von Erinnerungen zehren. Es könnte wehtun, dass ich einem Mann das Herz geöffnet habe, von dem ich nur die seeblauen Augen kenne. Tina sah ihn an, und plötzlich stieg in ihr der Wunsch auf, die Fingerspitzen in das Grübchen an seinem Kinn zu legen. Sie zuckte zusammen. Unmöglich, auf diese Weise einem Mann näherzukommen. Noch dazu einem Fremden. Nie zuvor hatte sich Tina für einen Mann interessiert. Und das war, vom Standpunkt ihrer Tante Maud aus betrachtet, auch richtig so. „Meine Eltern sind tot“, sagte sie übergangslos und schob die Hände in die Hosentaschen. „Sie starben“, fuhr sie fort, „als ich zwei Jahre alt war. Seit der Zeit wohne ich bei der unverheirateten Schwester meines Vaters. Sie ist – nun, ein wenig konservativ. Was ich meine, ist …“ „Ich kann es mir durchaus vorstellen“, winkte er ab. Tina horchte auf. Irgendetwas klang ganz und gar unenglisch an seiner vollen Stimme. Obwohl er, wie er sagte, aus Cornwall stammte. Sie sah zu ihm auf – den Kopf zurückgeworfen, die Haltung jungenhaft unbekümmert. Sie las Verständnis in seinem Blick. „Ihre Tante ist ungeliebt alt geworden“, sagte er ruhig. „Kein Mann hat sie je begehrt. Eine Grausamkeit, die eine Frau niemals vergibt – niemandem.“ Ohne Umschweife hatte er das Kind beim Namen genannt. Sie mochte ihn. Sie mochte ihn sogar sehr, denn er fand nichts Komisches an ihr, dem Waisenkind, das blankes Pflichtgefühl an eine lebensfremde Pflegeperson kettet. Niemand wusste besser als sie selbst, dass Tante Maud ihre Loyalität nicht zu schätzen wusste. Und trotzdem brachte es Tina nicht fertig, einen alt gewordenen, verbitterten Menschen im Stich zu lassen. „Es wäre falsch, wenn Sie darauf verzichteten, sich frischen Wind um die Nase wehen zu lassen. Man kann Rücksichtnahme auf andere auch zu weit treiben“, sagte dieser gefährlich hellsichtige Fremde nachdrücklich. „Eine Stunde hier im Hochland zu verträumen ist zu wenig. Versuchen Sie wenigstens, im Ausland Urlaub zu machen. Oder darf man in Tantchens Augen Ausländern nicht trauen?“ Lächelnd hob Tina ihre schmalen Schultern. Sie spürte seinen forschenden Blick auf ihrem sensiblen Gesicht. „Wie alt sind Sie eigentlich?“, erkundigte er sich. Er schien überzeugt davon, dass sie jung genug war, um diese Frage nicht als Beleidigung zu empfinden. „Einundzwanzig.“ „Was passiert, wenn Sie heiraten wollen? Denn ich nehme doch an, dass dies eingeplant ist.“ „Nur am Rande.“ Ein Lächeln gab ihrem schmalen, blassen Gesicht ungelenken Charme. „Finden Sie nicht, dass diese Art Unterhaltung zwischen zwei Fremden reichlich ungewöhnlich ist? Sie können doch gar nicht...