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Witzko DSA 11: Treibgut
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95752-459-1
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Schwarze Auge Roman Nr. 11
E-Book, Deutsch, Band 11, 281 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
ISBN: 978-3-95752-459-1
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die »Heiligen Rollen« hatten Borbarads Kommen vorhergesagt, sie hatten prophezeit, daß viele Maraskaner ihre Heimat verlassen würden, um an einen Ort zu fliehen, der ihnen Schutz vor Borbarad, dem Dämonenmeister, bieten könnte. Wo aber auf der Welt lag dieser Ort? Die Schriften verschwiegen es, und die Suche nach ihm glich der nach einem Zweiglein im Treibgut des Hira ... Nein, niemand wußte, ob dieser Ort sich finden ließe, nicht einmal, ob er überhaupt existierte.
Karl-Heinz Witzko, geboren 1953 in Stuttgart ist einer der Autoren, die 'Das Schwarze Auge' besonders stark mit ihren Werken geprägt haben. Der Bremer trug von 1984 bis 2002 maßgeblich zur Beschreibung der Insel Maraskan und des Königreichs Nostria bei und entwickelte damit Aventurien zu einer der bekanntesten Fantasywelten des deutschsprachigen Raums.
Autoren/Hrsg.
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Zur Trigonometrie von Wasser Baum sah nichts. Hatte keine Augen. Käfer war beschäftigt. Käfer krabbelte den Stamm hinauf. Käfer krabbelte geschwind über raue Rinde und lange Nadeln. Käfer krabbelte vorsichtig an goldglänzenden Harztropfen vorbei. Käfer war schlau. Harztropfen waren nicht eßbar. Harztropfen waren klebrig. Harztropfen waren sehr gefährlich. Käfer paßte gut auf. Käfers Ziel waren die langen Zapfen mit ihren schmackhaften Samen. Käfer liebte sie sosehr. Käfer war fast glücklich. Jäh hielt Käfer inne. Käfer spürte ein rhythmisches Beben. Etwas näherte sich. Käfer lauschte. Käfer hob die harten Flügelschalen und pumpte. Käfer fühlte. Käfer ließ die langen Fühler spielen. Käfer las den Wind. Zweibeins! Käfer erstarrte im Schatten einer Rindenfurche. Käfer zahlte. Mehr Zweibeins, als Käfer Beine hatte. Mehr Zweibeins, als zwei Käfer Beine hatten. Fast so viele, wie Käfer und zwei Käfer Beine hatten. Aber nicht ganz! Käfer mochte keine Zweibeins. Zweibeins waren häßlich mißgestaltet. Zweibeins hatten nur zwei Beine. Zweibeins waren nicht vorausfühlbar. Bestimmt lag das an ihren fehlenden Beinen. Käfer hatte es selbst beobachtet. Jawoll! Ein Zweibein nahm einen Käfer und trug ihn zu gutem Essen. Ein Zweibein sah einen Käfer und zertrat ihn. Ein Zweibein erblickte einen Käfer und rannte schreiend weg: Zweibeins waren sehr seltsam. Zweibeins taten ein mal dies und einmal das. Bestimmt wußten Zweibeins selbst nicht, warum sie etwas taten. Ein Ruck ging durch Käfer. So viele schwierige Dinge hatte er auf einmal gedacht! Käfer würde noch weise werden. Aber nicht jetzt! Käfer war hungrig! Zweibeins sollten wegkrabbeln! Das war Käfers Baum! Käfer hatte ihn lange gesucht! Käfer fühlte. Käfer ertastete den Wind. Zweibeins kamen nicht näher zu Käfers Baum. Mutig krabbelte Käfer aus dem Riß hinaus und weiter. Die Häsin hoppelte durch das hohe Savannengras, schlug plötzlich einen Haken. Sie verharrte, wendete den Kopf, doch der Rammler war ihr nicht gefolgt. Über die braunen Spitzen der gelbgrünen Halme hinweg schaute sie zu der einzelstehenden Zeder hinüber, eigentlich hatte sie mehr von ihm erhofft. Wegen des Rotfelligen mit dem Silberrücken wäre sie um ein Haar mitten in die Menschengruppe gerannt – wo er wohl geblieben war? Das wäre etwas gewesen, mitten in die Menschen hinein! Ihr Herz pochte. Sie stellte die Ohren auf lauschte und zählte mehr als ein Dutzend der lauten Geschöpfe. Wahrscheinlich hatte er diese schon viel früher bemerkt als sie. Er hatte sie bemerkt und war zurückgeblieben, was völlig unnötig war, denn die Menschen hatten Auswüchse am Rücken. Aber selten, wenn sie jagten. Sie hatten diese Auswölbungen, wenn sie die Savanne der Häsin nur durchquerten und weiterzogen – er hätte überhaupt keine Furcht haben müssen! Vielleicht interessierte er sich doch weniger für sie, als sie gedacht hatte und mehr für die Menschen, von denen sich soeben einer ein paar Hopser weit von den anderen entfernte. Sie verwarf diesen Gedanken sofort, denn sie war eine schöne Häsin, immerhin schon dreimal gedeckt seit dem Regen! Sie sah den einzelnen Menschen etwas aus seinem Auswuchs holen. Die rechte Hälfte ihrer Oberlippe zitterte: Es war eine dieser Holzscheiben, mit denen die Menschen bekanntlich Hasen töten konnten. Hatte sie sich geirrt? Der Mensch drehte sich mit geschlossenen Augen im Kreis, warf die Scheibe, aber nicht in ihre Richtung, hoffentlich auch nicht in die des Rammlers, schade wäre es um ihn gewesen, denn sicherlich hätten sie einen hübschen Wurf zusammen gehabt! Sie verfolgte die Bewegungen des Menschen, sah ihn zu seinem Wurfholz gehen, es aufheben, dann schnurgerade weiter in die Richtung laufen, in die er es geworfen hatte und die – so stellte sie befriedigt fest – eine gänzlich andere war als jene, wo sich ihre Sasse mit den Jungen befand. Die Häsin legte sich auf den Bauch, knabberte an den Halmen; bestimmt würde sie den Rotfelligen morgen treffen, irgendwo auf ihrer Wiese. Hoch droben am Himmel zog ein Roter Maran bedächtige Kreise. Er war ein alter Vogel und hatte schon oft das Kommen und Gehen des nassen und des trockenen Windes erlebt. Er schaute hinab auf die Welt unter sich, auf dieses endlose Rund mit seinen gelbgrünen Grasflächen, dunklen Wäldern, ockerfarbenen Bergen, blauen Seen und silbernen, manchmal auch gelben Flüssen. An Tagen wie diesen, wenn die warme Sommersonne auf sein Gefieder brannte, wenn Luftströme ihn ohne Mühe nach oben trugen, neigte er zur Nachdenklichkeit. Er stellte sich dann fast träumend vor, daß nicht er kreiste, sondern die Weltenscheibe unter ihm. Er wußte, daß es sich nicht so verhielt, aber er war sich nicht ganz sicher, denn etwas Seltsames hatte es auf sich mit der Welt: Je höher er stieg, desto kleiner wurde alles tief unten, nur eines nicht: das Weltenrund. Es schien immer gleich groß, und oft genug hatte er sich gefragt, wie hoch er wohl steigen müßte, um den Rand der Scheibe unter sich zu entdecken. Er war sich nicht sicher, daß es einen gab, aber vielleicht würde er es am Ende des Sommers wissen, noch bevor sich das Land verfärbte, noch bevor die Wälder erröteten, das Gras völlig gelb wurde und die Scheibe da unten sich in einen leuchtendroten Teppich mit gelben und schwarzen Sprenkeln verwandelte. Denn dort, wohin der nasse Wind zog, gab es einen Berg, höher als jeder andere, und schon lange hatte der Maran sich vorgenommen, den unfaßbar weiten Weg bis zu der geheimnisvollen weißen Spitze des Berges aufzusteigen – und vielleicht sogar darüber hinaus. Dort oben würde er das Geheimnis der Welt erkennen, er würde zurückkehren und allen Maranen und Wähen erzählen, wo der Rand der Weltenscheibe war. Ohne Bedeutung wäre dabei, daß er höher geflogen war als jeder und jede von ihnen, es würde nur zählen, daß er herausgefunden hatte, ob die Weltenscheibe endete. Und vielleicht würde er dabei auch erfahren, wann ihre Farbe im Herbst sosehr dem haarigen Kleid der Marasken glich. Er blinzelte zweimal verwirrt. Für einen Augenblick hatte er wirklich geglaubt, daß er still schwebte und die Welt sich statt seiner drehte. Ein verzeihlicher Irrtum und schuld daran war das Gebaren der Menschen bei der einzelstehenden Zeder. Einer nach dem andern löste sich von der Gruppe, ging einige Schritte, wirbelte dann im Kreis, so lange, bis sich aus seiner Hand eine hölzerne Scheibe ebenfalls kreiselnd entfernte. Es war ein rätselhaftes, aber schönes Spiel, und es machte dem alten Vogel Freude, nacheinander mit seiner gesamten Aufmerksamkeit dem Rotieren der Holzscheiben, der Menschen oder der Welt zu folgen. In den Pausen zwischen den einzelnen Würfen rätselte er, warum die Menschen nicht gleichfalls wieder in großen Kreisen zu den Ihrigen zurückkehrten, was dieses Spiel vollkommen gemacht hätte, sondern statt dessen jeder in der Richtung weiterging, wohin seine Scheibe geflogen war, sei’s dorthin, wo die Sonne aufging oder unterging, sei’s dorthin, wo der feuchte Wind herwehte oder hinblies? Als die Gruppe schon fast auf die Hälfte zusammengeschrumpft war, fand er die Antwort. Es war so einfach: Bestimmt hatten sie dasselbe Ziel wie er, bestimmt suchten sie ebenfalls den Ort, wo die Welt endete. Wie hätte er auch ahnen können, daß das Gegenteil richtig war? Und selbst dann hätte es ihn wahrscheinlich in diesem Augenblick überhaupt nicht mehr interessiert, denn seine scharfen Augen erspähten etwas wesentlich Reizvolleres. Er stürzte sich in steilem Flug hinab. Xanjida bückte sich und hob den schweren Diskus aus dem kniehohen Gras. Sie fuhr mit der Hand durch das kurze graumelierte und stets wirre Haar, schaute in die Richtung, wohin er geflogen war und somit ihren weiteren Weg festgelegt hatte. Was sie sah, war enttäuschend. Nur um sich zu vergewissern warf Xanjida einen Blick zur Sonne. Die letzten Zweifel verschwanden, ihr Weg würde sie genau nach Tuzak führen, der Stadt, von der sie und die anderen erst vor wenigen Stunden aufgebrochen waren. Also zurück nach Tuzak, seufzte sie, das hätte sie auch einfacher haben können! Jedoch hatten die Hochgeschwister des Tempels diesen Ort hier für den Beginn der Suche bestimmt, also hätte es schon seine Richtigkeit, daß sie hierhergekommen war und wieder zurückkehrte. Wahrscheinlich wäre der Marsch nach Tuzak ohnehin nur eine kleine Etappe auf ihrem Weg. Ein letztes Mal drehte sich die Priesterin zu den restlichen Achten um, um sich zu verabschieden. Allesamt winkten sie zurück. Perjin, der schlaksige Novize, fuchtelte dabei so wild mit beiden Armen, als hätte er gleich vor, wie ein Vogel abzuheben. Gerade noch rechtzeitig sprang seine Nachbarin zur Seite, denn um ein Haar hätte er ihr mit seinem unbändigen Geschlenker einen Nasenstüber versetzt. Lachend blieb die stämmige Brünette in sicherer Entfernung stehen und setzte dann ihrerseits zu einem noch überschwenglicheren Winken an. Nur eine Nachahmung Perjins, mehr nicht, denn Xanjida hatte die Frau erst an diesem Morgen kennengelernt. Eine humorvolle Person, wie es schien, mit weichen Augen, bisweilen etwas hilflos wirkend. Wenn man nicht wußte, was sie war, so käme man gewiß nicht darauf, doch so hatte Rur die Welt geschaffen, und nur weil er bestimmt hatte, daß Marasken und Parder so gefährlich aussahen, wie sie waren, mußte das nicht für alle Kinder seiner Schöpfung gelten. Schwierige Zeiten, dachte die Priesterin, seltsame Zeiten, die eigenartige Weggefährten mit sich brachten....