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Witzko DSA 61: Westwärts, Geschuppte!
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95752-464-5
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Schwarze Auge Roman Nr. 61
E-Book, Deutsch, Band 61, 316 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
ISBN: 978-3-95752-464-5
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für den Kapitän sahen wir aus wie Seinesgleichen. Er ahnte nicht, dass unsere Körper mit Schuppen bedeckt waren. Ich gab mich hochmütig. 'Selbstverständlich sind wir zur See gefahren! Ich kenne alle dreizehn Meere.' - 'Dreizehn?', wiederholte der Kapitän. 'Ich zähle nur die bedeutenderen', behauptete ich frech. In Wahrheit hatte keiner unseres Volkes je die See erblickt. Ich hatte gar gedacht, wir müssten durchs Wasser waten, um ins Güldenland zu gelangen. Tatsächlich kam alles anders ...
Karl-Heinz Witzko, geboren 1953 in Stuttgart ist einer der Autoren, die 'Das Schwarze Auge' besonders stark mit ihren Werken geprägt haben. Der Bremer trug von 1984 bis 2002 maßgeblich zur Beschreibung der Insel Maraskan und des Königreichs Nostria bei und entwickelte damit Aventurien zu einer der bekanntesten Fantasywelten des deutschsprachigen Raums.
Autoren/Hrsg.
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Bastrabun, dieser Einfaltspinsel - 1. Kapitel »Sie möchten nicht Kothaufen genannt werden!«, wies mich eine vertraute Stimme entgeistert zurecht. Schon vorher war es in der Taverne leiser geworden, doch nun verstummte auch das letzte Gespräch. Worte, die eben noch munter hin und her geeilt waren, hingen plötzlich in der Luft wie abgefallene, welke Blätter, denen gleichzeitig Wind und Schwere abhanden gekommen waren. Das Flackern der zahlreichen Kerzen, deren Licht für ein gemütliches Halbdunkel sorgte, bewies zwar das Vorhandensein eines schwachen Luftzugs, doch ohne das Knarren des Lederzeugs der beiden Krieger, die bei unserem Tisch standen und noch ungläubig, aber bereits mit erwachendem Zorn auf uns herabblickten, hätte man meinen können, dass die ganze Welt – oder zumindest die Stadt, die von ihren Bewohnern Tuzak genannt wurde – in völlige Stille versunken sei. Die drei Gäste, die uns am nächsten saßen, eine Frau und zwei Männer, von denen einer mutmaßlich jünger, der andere älter war als sie, hielten den Blick gesenkt, als hofften sie, nicht wahrgenommen zu werden, wenn sie selbst nichts von alldem mitbekämen. Sie fürchteten sich vor den Kriegern und hassten sie gleichzeitig bis aufs Blut. Ich vermisste das Geplauder unserer Nachbarn nicht, da ich bisher ohnehin nicht verstanden hatte, worüber sie sich überhaupt unterhielten: »Wie kannst du etwas beurteilen, von dem du nur einen Teil kennst? Das ist hanebüchen!« »Den dritten, ich habe immerhin den dritten Akt gesehen. Und?« »Aber was ist mit dem Anfang? Der Vorgeschichte? Ein Stück heißt doch Stück, weil es aus einem Stück ist!« »Ist es nicht! Es ist zusammengesetzt aus Stückchen.« »Akte! Akte nennt man das!« »Von mir aus, dann eben Akte. Aber was soll‘s? Wenn man schon etwas in Stücke aufteilt, so wird man wohl einen Grund dafür haben, oder? Wer würde einen Kuchen aufteilen, wenn man ihn nicht stückeweise essen soll? Ich habe den dritten Akt gesehen. Er hat mir nicht gefallen. Das Stück taugt nichts!« »Dann taugt es eben nichts ... Ho, ho, rief der Fisch und starb!« »Welcher Fisch?« »Das war ein Witz. Köstlich, nicht? Besser gesagt, ein Stück des Witzes, nämlich seine Auflösung. Ich muss oft lachen, wenn ich mir den ganzen Scherz ins Gedächtnis rufe. Der Fisch starb! Ha, ha!« »Verstehe ich nicht!« Ich verstand zwar, was der ältere der beiden Männer ausdrücken wollte, aber was bedeutet schon eine winzige Lichtung des Verständlichen in einem Wald voller Rätsel? Ich bin eine nachdenkliche Person. Ich sitze gern in der Sonne, schaue vor mich hin und sinne dabei über dies und jenes nach. Bisweilen drehen sich meine Gedanken um sehr tief schürfende Fragen, etwa solche, die sich aus dem Aufsässigen Recht des Ostens ergeben. Bei anderen Gelegenheiten – zugegeben, sie sind häufiger – beschäftigt sich mein forschender Geist mit schmackhaftem Essen oder damit, dass es doch nett wäre, wieder einmal eine zünftige Keilerei anzuzetteln. Zusätzlich gibt es noch ein viertes wichtiges Gebiet, das ich wohl nicht näher ausführen muss. Übermäßig viel Erfahrung habe ich nicht auf ihm, was an meinen jungen Jahren liegt. Und da ich eben die nachdenkliche Person bin, die ich bin, beschäftigte sich ein kleiner Teil meines Geistes immer noch mit der Frage, ob ein sinnloses Gespräch überhaupt enden könne oder ob es nicht vielmehr sein unabwendbares Schicksal sei, grundsätzlich abgebrochen zu werden, als der dritte Krieger an unseren Tisch trat und uns wie die anderen beiden grimmig musterte. Auch er wirkte überaus gewalttätig. Um meinen flüchtigen Gedanken zu Ende zu bringen: Was ist ein Ende, was ein Anfang? Nicht einmal das Alte, Tyrannische Recht des Südens weiß darauf eine klare Antwort. Und das will schon etwas heißen. Mehr als unseren Nachbarn galt meine Aufmerksamkeit jedoch den beiden, die hinter ihnen ganz allein an einem Tisch saßen: einem jungen Pärchen! Der Bursche und das Mädchen waren ausgiebig damit beschäftigt, sich gegenseitig zu umwerben. Mal kicherten beide, mal betrachteten sie sich verträumt oder warfen sich sehnsuchtsvolle Blicke zu. Dazwischen speisten sie von ihren vollen Tellern und kauten leise. Trotz oder gerade wegen meiner Unerfahrenheit wäre es gelogen, wollte ich behaupten, dass mich Balzgebräuche kalt ließen. Das Gegenteil ist der Fall. Aber augenblicklich fesselte mich an dem Pärchen etwas ganz anderes: Sie aßen! Ich bezweifle zwar, dass mir ihr Mahl allzu gut geschmeckt hätte – ich ziehe es vor, wenn mein Essen knackig und das Fleisch noch etwas blutig ist –, doch da ich seit drei Tagen nichts zu mir genommen hatte, war ich ein wenig hungrig. Ich bin nicht gern hungrig, weil mich das von tiefsinnigen Gedanken ablenkt. Da sich mein Magen arg vernachlässigt anfühlte, war es mir fast unmöglich, den Blick von den beiden jungen Leuten zu wenden. Erbittert kämpfte ich gegen den verlockenden Tagtraum an, kurzerhand zu ihnen zu treten, die Schüssel zu ergreifen, die zwischen ihnen stand, sie zu leeren, anschließend ihm den Teller wegzunehmen, dann ihr, um alles aufzuessen, was darauf lag. Anschließend hätte ich sie beschwichtigt: »Balzt nur weiter! Lasst euch nicht stören.« Wie man sieht, stehe ich nicht grundlos im Ruf, äußerst höflich zu sein. Der wunderbare Traum vom genüsslichen Vollschlagen meines Wanstes, vom wonnigen Zerkauen, Schmecken und Hinunterschlingen war im Grunde schon ausgeträumt, als die fünf Krieger in ihren schwarz-roten Waffenröcken die Taverne betraten. Nur war mir das nicht gleich bewusst gewesen, und deshalb hatte ich die beiden, die zu unserem Tisch gekommen waren, auch aufgefordert, mir nicht die Sicht auf das nun nicht länger balzende, dafür umso aufmerksamer mit seinen Tellern und Schalen beschäftigte Pärchen zu versperren. »Sie möchten nicht Kothaufen genannt werden«, wiederholte die Stimme unzufrieden. »Muss das meine Sorge sein?«, gab ich trotzig zurück, aber so, dass nur mein Begleiter mich verstehen konnte. Ich werde immer etwas stur, wenn mir der Magen knurrt. Wie Recht mein Gefährte hatte, zeigte sich, als die Stille, die der Welt einen Herzschlag lang verordnet worden war, schlagartig für beendet erklärt wurde. »Was hast du gesagt, du Affe?«, brüllte der Krieger, dem meine Aufforderung gegolten hatte. Welch unsäglich dumme Frage! Offenbar hatte er doch leider sehr genau verstanden, was ich ihm empfohlen hatte! Obwohl der Abend damit einen anderen Verlauf als geplant nahm, musste ich ein Schmunzeln unterdrücken. Nicht nur, weil mich mein Gegenüber als Affe beschimpft hatte, was kaum falscher sein konnte, sondern weil die beiden neben ihm, und auch der Rest der Horde, die sich nach und nach um unseren Tisch scharte, uns bitterböse anstarrten, als ob sie sich einbildeten, sie könnten uns mit ihren aufgesetzten kalten Mienen einschüchtern. Wie lächerlich! Ich hätte einen nach dem anderen mühelos in Grund und Boden starren können. »Es ist wohl kaum die rechte Zeit zum Aufschneiden!«, nörgelte mein Gefährte Alrik. Ratlos fragte ich ihn, was ich tun solle. »Unterwirf dich!«, wurde mir empfohlen. »Wie denn?«, gab ich zurück. Ich musste nicht erst den Kopf zur Seite wenden, um zu erfahren, wer als Antwort auf diese Frage die Augen verdrehte. Vorsichtig ließ ich den Blick über die vielen gekrümmten Rücken an den anderen Tisch schweifen, über die gesenkten Häupter, von denen man nur noch Haare sah. Ich folgte den vielen Beispielen von Unterwürfigkeit, krümmte ebenfalls den Rücken, zog die Schultern ein, wich aber den Blicken aus dem bedrohlichen Halbkreis um uns herum nicht aus. Die fünf trugen lederne Rüstungen, die ihre Oberkörper bedeckten, aber den Unterleib ungeschützt ließen, darüber schwarz und rot gefärbtes Tuch. Ihre Füße steckten in schweren Stiefeln. Bewaffnet waren die Krieger mit Schwertern mit langen Griffen, was darauf schließen ließ, dass die Waffen sowohl einhändig als auch zweihändig geführt werden konnten. Allesamt hatten die Neuankömmlinge kräftige Arme und vergleichsweise schwache Waden und Schenkel. Wir dagegen besaßen weder Waffen noch Rüstungen, zudem saßen wir, während die anderen standen. Zusätzlich zu dem beträchtlichen Ärger, den uns der Zwischenfall einbringen konnte, waren wir auch noch im Nachteil. Von den anderen Gästen war keinerlei Einmischung zu erwarten, obwohl sie bestimmt nichts dagegen gehabt hätten, wenn wir den Kriegern den Garaus gemacht hätten. Für sie waren die fünf nur Handlanger ihrer Unterdrücker, widerwärtige Gestalten, deren Herren sich mit gefährlichen Machtwesen eingelassen hatten: Dämonenpaktierer wurden sie vom Volk genannt. Wegen meines Zögerns hatte mein Gefährte inzwischen fälschlich für sich...