Wolf | Feuersetzen | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 267 Seiten

Reihe: Hansekrimi

Wolf Feuersetzen


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86393-516-0
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 267 Seiten

Reihe: Hansekrimi

ISBN: 978-3-86393-516-0
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Goslar 1552: Pietro Paolo Volpi aus Padua, Botaniker und Jurist hat von seinem Mäzen den Auftrag erhalten, das 'nordische Rom' in einem Gedicht zu verherrlichen. Welch schöner Auftrag ... würde ihn nicht eine schreckliche Schreibblockade lähmen! Als Volpi, der im Haus des Wandschneiders Jobst Unterkunft gefunden hat, die Feuerglocke zum ersten Male läuten hört, sucht er gemeinsam mit Ratsarchivar Bartholdi zu retten, was zu retten ist. Doch die beiden kommen zu spät: Otto Herbst, der Feuerhüter des Rammelsberges, und die 'Schwalbe', seine Geliebte, finden bei dem Brand den Tod. Betört von der Schönheit Sibylle Herbsts, der Witwe, erlangt Volpi seine poetische Schaffenskraft wieder. Er und Bartholdi werden zu Verfolgern des Feuerteufels, der mit Brandbriefen den Rat erpresst. Sie sind der Lösung ferner denn je, als Herzog Heinrich mit großer Streitmacht zur Belagerung heranrückt ... Goslar brennt!

Tom Wolf, geboren 1964 in Bad Homburg, ist Schriftsteller und freier Journalist. Er schreibt u.a. für die 'taz'. Als Autor der erfolgreichen 'Preußenkrimis' wurde er 2005 mit dem Reinickendorfer 'Krimifuchs' ausgezeichnet und war 2006 'Stadtschreiber zu Rheinsberg'. 2007 erschien sein erster Hansekrimi 'Die Bestie im Turm' (Tatort Goslar).
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Montag, 16. Mai 1552


Pietro Paolo Volpi aus Padua, groß und schlank, wiewohl nicht dürr, sprach nach den vielen Monaten seiner Reise schon sehr gut Deutsch. Schwarze Ringellocken umspielten seine Stirn. Er war es gewohnt, dass man ihn mit Tomaso, der in Paris lehrte, in einen Topf warf.

»Nein, Tomaso ist mein Bruder!«, sagte er zu Gerhard Bartholdi, dem Wesen mit der hohen Stimme und dachte: Wenn Rosenkohl sprechen könnte, würde es sich wohl so anhören … Der Attendorner Augustiner-Prior Hanno hatte ihm eine Empfehlung an den Großarchivar des Goslarer Rates mitgegeben, denn das Chorherren-Stift auf dem Riechenberg lag zu weit draußen vor der Stadtmmauer. Das war nichts für Volpis Zwecke, sollte er doch Goslar kennen lernen, die Stadt erleben, um … sie … beschreiben zu können … in diesem … Auftragsgedicht … Ein Nebelstreif zog ihm über Stirn und Seele, als er wieder daran denken musste. Er, dem die Sätze immer zuge?ogen waren, verzweifelte schier bei dem Bemühen, auch nur die kleinste Silbe anzulocken. Die Fähigkeit, mit Worten zu malen, war ihm gänzlich abhanden gekommen … Angesichts von Tinte und Feder versiegte der Fluss der Ideen, und die Sterne der Beredsamkeit ?ohen das Firmament seines Geistes, wenn das weiße Blatt sich zeigte. Seit ihn die schöne Johanna kurz vor der geplanten Hochzeit zugunsten eines anderen verlassen hatte, verhielt sich das schon so.

Weder Strapazen noch Gefahren hatte Volpi auf seiner Forschungsreise in die Nordländer gescheut, um sich von diesem Übel abzulenken. Für den an Venus Verzweifelnden waren die unwegsamen Wälder der Germanen der ideale Zu?uchtsort gewesen, denn wahrlich: Volpi hatte die transalpinen Bezirke noch ebenso wild vorgefunden, wie Tacitus vor fast 1500 Jahren. Wüste, Landstriche, rauhe Berge und Urwälder mit ein paar hochkultivierten und vor Geist und Entwicklung glänzenden Perlen darin. Die Alpenpässe hatte er bei Schnee und Eis überquert, rheinabwärts war es im Kahn gegangen bis Mainz, dann durch die Wetterau nach Marburg. Beim berühmten Dryander hatte Volpi lehrreiche Wochen verbracht, war anschließend mit Pferd und Wagen quer durch Westfalen, Mark und Berg nach Köln und weiter durch den Burgundischen Kreis gefahren, hatte Jülich, Limburg, Lüttich, Brabant, Utrecht gesehen, ja selbst Den Haag und Leiden, die berühmten Städte Hollands. Im Bogen durch Geldern nach Münster war er gekommen, über Hamburg und Lübeck an die Ostsee. Entschlossen, an Bord einer Kogge bis Wisby zu segeln, hatte er auf stürmischem Meere Schiffbruch erlitten und nur durch Gottes gnädiges Eingreifen lebendig Rügens Kreidefelsen erreicht. Und war wieder glücklich aufs Festland gelangt, war über Anklam, Stettin, Berlin, Brandenburg, Mägdeburg, Halberstadt gen Goslar geritten … Das viel gepriesene Rom des Nordens, mit seinen mehr als 40 Gotteshäusern und einer Stadtmauer mit unzähligen Türmen war näher und näher gekommen … Doch desto mehr hatte den Reisenden wieder Beklemmung umfangen. Schwer war es Volpi ums Herz geworden. Die Aussicht, über Erfurt und Nürnberg wieder auf die Alpen zusteuern zu müssen, erschien ihm wie ein drohendes Todesurteil. Drunten wartete bloß das alte Elend. So hatte er, um die Zeit zu dehnen, ausgiebig die unwegsamen Harzwälder erkundet, war mit zwei Maultieren durchs wilde Tal der Oker gestiegen, bis er vom Bergsattel aus den öden Brackenberg oder Bracken in der Ferne gewahrte … Nach anfänglichem Zögern ob der Erzählungen der Einheimischen – von Geistern und Monstren –, hatte er sich ?ugs selbst dort noch hinaufbegeben. Ohne indes bösem Spuk und leider auch keiner wilden Frau zu begegnen, hatte er in vier Tagen bewältigt, was selbst Euricius Cordus, der große Harzreisende, vor drei Jahrzehnten nicht gewagt … Einsam, in einer Erbsensuppe aus Nebel kauernd, hatte er einen Tag in der Höhe auf die Fernsicht gewartet und war über Gebühr für alle Unbill entschädigt worden. Bis zum Mägdeburger Dom hatte er blicken können und sich ausgemalt, auf diesem weltfernen Steinbrocken einen Garten mit Alpenp?anzen anzulegen … Volpis Rücken schmerzte noch vom letzten steilen Maultierritt bergab – die Heerstraße von Osterode und Clausthal herunter war es gegangen –, und sein Magen erinnerte ihn knurrend daran, nach dem faden Rübenmus im Auerhahn-Krug nichts mehr gegessen zu haben.

In der Sakristei der Goslarer Marktkirche Sankt Cosmas und Damian stand er nun also vor dem Adressaten seiner Empfehlung. Im typischen Wackelschritt der kleinen Leute bewegte sich dieser Bartholdi durch die Folianten-Schluchten des Ratsarchivs … Archivare solcher Größe dünkten Volpi für Goslar sehr passend, denn sie waren platzsparend. Diese stolze Stadt krankte an der Schmalheit. Von allen Städten in Deutschland, durch die Volpi gekommen war, besaßen Marburg und Goslar die engsten Gassen. Er hatte bereits Stellen gesehen, an denen sich Dächer überlappten!

»Gibt es denn zwei Volpis?«, fragte der Gnom aufblickend. Er erkannte die Handschrift des Freundes und einstigen Mentors und fügte hinzu: »Ich stehe in Hanno Schuld – er hat mich im Schreiben und Archivieren unterwiesen!«

»Warum habt Ihr das Attendorner Stift verlassen?«, fragte Volpi.

»Ich hatte keinerlei Weihe, ich war nur Schreiber und Kopist. Ich wollte aber noch nicht mit dem Leben abschließen, ich wollte erst die Welt sehen! Nach meiner Zeit bei den Chorherren bin ich erst lange herumgezogen, hab etwa gegen Geld für die Illiterati Liebesgedichte und Briefe geschrieben oder mich von fahrenden Wunderdoktoren als Kuriosität vorführen lassen … Auch mit Artisten bin ich herumgezogen! Eine Zeit lang … Schließlich landete ich in Goslar. Nach zwei Jahren als Bergschreiber in der Grube des Stifts Neuwerk hatte ich Glück im Unglück … im Bergunglück, wenn man so will. Bei einem Unfall wurde ich verletzt, und unter den Bergherrn, die sich ein Bild der Lage machten, war Daniel Jobst, Goslars reichster Wandschneider, der am Neuwerk Anteile besaß. Wir freundeten uns an – über die Literatur … Herr Jobst hat mich dem Rat empfohlen. Daraufhin durfte der alte Ratsarchivar endlich seinen Dienst quittieren und auf den Turm von Sankt Stephani ziehen …«

Bartholdi lächelte über diesen Erinnerungen und musterte Volpi aufmerksam. Diese Italiener waren von Natur aus dunkler, so schien es … Die schiere Höhe einmal außer Acht gelassen … Reisende Humanisten, fahrende Weltmänner – wie beneidete er sie! Sehr glücklich sah der Große aber nicht aus. Etwas schien ihm über die Leber zu laufen … Sah ganz nach einer Laus aus …

»So ist der Traktat über den Hedonismus gar nicht von Euch?«

»Nein, bedaure …«, sagte Volpi. »Und Tomaso schrieb zudem die Traktate über das Glück, über die Spektren und den Witz. Aber von mir sind das Botanologicon und die Traktate über die Zahlen, die Blumen, den Urin und die Heuschrecken.«

»Ach? De urinis … Das schätze ich sehr!«, sagte Bartholdi, und seine Augen leuchteten.

Volpis Lächeln war wie ein ?üchtiger Sonnenstrahl, der durchs Gewölk stach.

»Lasst mich in eurem Harn lesen, und ich sage Euch, ob Ihr den Steinschneider braucht …«

Bartholdi schüttelte sich leicht pikiert und sagte:

»Über die Heuschrecken? … Davon habe ich noch nie gehört!«

»Diese Abhandlung ist auch noch ungedruckt«, sagte Volpi. »Vielleicht bleibt sie’s sogar … Ich habe darin Regio-Albanus angegriffen, der ein zwölftes Stück von Aristophanes entdeckt haben will – eben Die Heuschrecken –, das doch offenkundig von ihm selbst stammt … Ich für meinen Teil lehrte bis vor einem halben Jahr in Padua die Rechte. Zudem Logik, Kasuistik und Naturlehre, vor allem Medizin und Botanik.«

Bartholdi gluckste erstaunt.

»Was verschlägt Euch dann hierher? Mit Logik oder Kasuistik ist in Goslar kein Brot zu verdienen. Nennt mir etwas, das weniger mit Logik zu tun hätte, als die Ratschlüsse des Goslarer Rates, und ich trete Euch sofort meine gut dotierte Stelle ab! Und wie wollt Ihr in einer Stadt wie dieser je die Morallehre kasuistisch auf den Einzelfall anwenden, wo Moral den Hiesigen so gänzlich abhold ist? Für die Bergwerke seid ihr zu groß, und um die Rechte schwirren Syndici wie Schmeiß?iegen. Wir können uns nicht retten vor Rechtsverdrehern! Botanik und Medizin … Das wär zwar auch kein lohnendes Gewerbe für Euch hier, doch zwei interessierte Gesprächspartner hättet Ihr. Otto Herbst, der Feuerhüter des Rammelsberges, ist ganz verrückt nach der Botanik. Ihm gehört der schönste Garten weit und breit, drüben am Steinberg, gleich neben der Kupferhütte seines Bruders Hans …Und auch Damian Baader, unser Medikus und Stadtchirurgus, zöge sicher gerne Gewinn aus einem Gedankenaustausch mit Euch. Er hat in Paris studiert, bei Winter von Andernach.«

Bartholdi hielt inne und besann sich. Dieser Volpi hatte Hanno als Fürsprech. Aber bevor er einen Gelehrten auf die Stadt losließ, musste er doch wissen, wie es um dessen Liquidität bestellt war? Davon hinge schließlich auch ab, wen man um Beherbergung bitten könnte …

»Woher habt Ihr das Geld, in unserer armen, aber teuren Stadt Quartier zu nehmen? Jetzt dämmert mir’s: Ihr seid gar kein Magister, sondern ein Kaufmann, der aus unserer Misere Kapital schlagen will! Billig einkaufen wollt Ihr hier, wo alles die Abzucht runtergeht, gebt’s zu! Da denkt Ihr, man könnte uns jeden Preis nennen, für Tuche, für Silber, für Kupfer … Wir müssten ja doch akzeptieren. Wenn Ihr Euch da mal nur nicht täuscht! Es stimmt...


Tom Wolf, geboren 1964 in Bad Homburg, ist Schriftsteller und freier Journalist. Er schreibt u.a. für die "taz". Als Autor der erfolgreichen "Preußenkrimis" wurde er 2005 mit dem Reinickendorfer "Krimifuchs" ausgezeichnet und war 2006 "Stadtschreiber zu Rheinsberg". 2007 erschien sein erster Hansekrimi "Die Bestie im Turm" (Tatort Goslar).



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