E-Book, Deutsch, 435 Seiten
Wolff Unter dem Himmel der Highlands
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-69076-116-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Für alle Fans von »Outlander«
E-Book, Deutsch, 435 Seiten
ISBN: 978-3-69076-116-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die preisgekrönte Bestsellerautorin Veronica Wolff hat bereits in Texas, auf Hawaii und in Indien gelebt, bevor sie sich mit ihrer Familie im nördlichen Kalifornien niederließ. Sie liebt Pizza mit Peperoni und Oliven, Snowboarding und die Vielseitigkeit des Romance-Genres, in dem sie sich historischen Liebesromanen und Zeitreisegeschichten ebenso widmet wie zeitgenössischen Themen und Büchern für junge Erwachsene. Die Autorin im Internet: www.veronicawolff.com und www.facebook.com/VeronicaWolffFanPage Bei dotbooks veröffentlichte Veronica Wolff zwei Romane ihrer Highlander-Lords-Saga, die unabhängig voneinander gelesen werden können: 'Mein schottischer Ritter' und 'Mein schottischer Held'.
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Kapitel 1
Aus dem Spiegel im Badezimmer starrte Magda das Bild ihres Bruders an. Sie beugte sich nach vorn. Obwohl Peter erst seit einem Jahr tot war, fiel es ihr schwer, sich ihn vor ihrem inneren Auge vorzustellen. Wenn sie jedoch ihr Spiegelbild betrachtete, konnte sie sich sein Gesicht ins Gedächtnis rufen, sich an seine Züge nach und nach besser erinnern. Sie hatten einander sehr ähnlich gesehen, dieselbe breite Stirn, derselbe volle Mund. Und sein Haar konnte sie sich gut vorstellen: rot, aber um einiges heller als ihr eigenes, und glatt und glänzend wie Kupfer.
Magda trat vom Waschbecken zurück und richtete sich auf. Auch das war wie bei Pete – die aufrechte Haltung, passend zur aristokratischen Nase.
Das Klingeln des Telefons holte sie in die Gegenwart zurück. In letzter Zeit wurden Augenblicke wie dieser, in denen sie plötzlich den Kummer wieder spürte, seltener, doch wenn sie kamen, ließ sie den Schmerz mit all seiner Kraft zu. Sie wollte ihn herauslassen, immer wieder neu betrachten, sehen, wie er sich womöglich verändert hatte.
»Hey, Magda«, meldete sich Walters Stimme blechern vom Anrufbeantworter. »Bist du zu Hause? Na komm, geh dran, ich weiß doch, dass du da bist.«
Es entstand eine gespenstische Pause, und Magda hörte sich unwirsch »Ich komme ja schon!« murmeln, auch wenn ihr Chef sie natürlich nicht hören konnte. Sie lebte nun bereits geraume Zeit allein und ertappte sich ab und zu dabei, wie sie in ihrem Apartment vor sich selbst hingrummelte. Vermutlich war es das, was die Leute dann irgendwann dazu brachte, sich eine Katze anzuschaffen, mutmaßte sie.
»Hallo Walter.« Den Hörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, griff sie im Badezimmer nach ihrer Haarbürste. »Ja, ich bin dran.«
In ihrer kleinen Wohnung in Manhattan stellte das altmodische, an der Küchenwand befestigte Telefon mit dem langen Korkenzieherkabel kein Problem dar, denn drei der vier Wände konnte sie auch mit dem Hörer am Ohr erreichen. Ihre Eltern ärgerten sich umsonst darüber, dass Magda in so einem winzigen Studio wohnte. Denn sie lebte gerne so bescheiden, auch wenn sie sich sagte, dass sie schon deshalb nicht ausziehen wollte, damit sie es ihrer reichen Familie irgendwie zeigen konnte.
»Ich brauche dich hier im Museum.« Walter war wie immer kurz angebunden. Sein starker Long-Island-Akzent und die von jahrzehntelangem Rauchen kratzige Stimme wollten nicht recht zu seiner hohen Position am Metropolitan Museum of Art passen.
»Das sagst du immer, Walter. Bitte. Heute ist Samstag.« Sie zog die Bürste durch ihr langes Haar. »Ich habe gestern zwölf Stunden geschuftet, falls du es schon vergessen haben solltest. Und entgegen anders lautenden Gerüchten habe ich durchaus ein Leben außerhalb des Museums.« Ihr Blick schweifte durch den Raum, fiel auf die Morgenzeitung, den Rest lauwarmen Kaffees in ihrer Tasse, den Stapel längst fälliger Bücher aus der Bibliothek und einen Haufen Wäsche für die Reinigung. »Mehr oder weniger zumindest.«
»Ja, das sagst du mir auch immer. Aber pass auf, wir haben eine anonyme Hinterlassenschaft reinbekommen, und es sind ein paar hervorragende Stücke dabei, die perfekt sind für die neue Ausstellung über Landschaftsmalerei. Ich brauche dich nur, damit du mir diese Wahnsinnsbilder reinigst, also sei doch so nett und bewege deinen hübschen Hintern hierher, so schnell es geht.«
»Aber Walter …«, protestierte Magda schwach. Wieder wanderte ihr Blick durch das Apartment. Plötzlich war Peter überall. Sie legte die Bürste beiseite, kauerte sich auf die kleine Couch und versuchte, ihren Bruder aus ihren Gedanken zu verdrängen. Doch sie konnte es sich so richtig vorstellen – wie er sich auf diese Couch lümmelte, einen seiner gemeinen Witze über die »scheußlichen« rosa und grünlichen Blumen darauf machte und sie seine Schuhe von den Polstern schob.
Sie drückte eines der seidenen Kissen an sich. »Walter, die Ausstellung über Landschaftsmalerei ist fertig. Da ist nicht mehr ein Zentimeter an Platz übrig. Außerdem dauert es Wochen, ein Gemälde zu restaurieren. Ich meine, du sprichst doch von Ölbildern, richtig?«
»Mach dir nicht so große Gedanken. Es sind alles Ölbilder, ja, aber sie wurden vor Kurzem erst restauriert. Du wirst also nicht mehr viel Arbeit damit haben.«
Sie war drauf und dran nachzugeben, doch dann dachte sie daran, dass sie sowieso immer die Letzte war, die das Museum abends verließ. Und die Einzige, die auch am Wochenende hinging. Seit Peters Tod hatte sie sich kopfüber in Arbeit gestürzt. Deshalb rief Walter bei derartigen Notfällen immer nur bei ihr an. Weil Magda die Einzige war, die darauf einging.
Doch der bohrende Schmerz und die Fassungslosigkeit, die sie nach dem Unfall gelähmt hatten, begannen nachzulassen. Es war, als sei ein wichtiger Teil von ihr taub geworden, wie ein abgestorbenes Glied, von dem sie zwar wusste, dass es zu ihr gehörte, das sie aber nicht bewegen konnte. Sie hatte angefangen, sich zu fragen, was das ständige Arbeiten eigentlich sollte. Warum sie sich immer so viel Mühe machte. »Nein, Walter.« Magda war über ihre vehemente Erwiderung selbst überrascht.
»Ach, nun komm schon, Kleine«, insistierte er. »Die Bilder sind doch schon prima in Schuss. Hol jetzt einfach dein Werkzeug, und dann treffen wir uns hier.«
Wieder sah sie sich um. Sie hatte gelernt, die Erinnerung an ihren Bruder zu verdrängen, doch heute Morgen waren die Gedanken unaufhaltsam wieder aufgetaucht. Da war er nun wieder: Sie konnte ihn fast sehen, wie er in ihrem Kühlschrank herumkramte. Oder seinen zu starken Kaffee machte und mit dem Kaffeesatz die Anrichte versaute, so dass sie hinter ihm herwischen musste. Sein Sommersprossengesicht, das sich zu einem entschuldigenden Grinsen verzog …
Die Aussicht auf ein weiteres langes, einsames Wochenende ängstigte Magda. Ein weiteres Wochenende, an dem sie zusah, wie die Minuten verstrichen, um sich schließlich am Montagmorgen wieder in ihre Arbeit zu flüchten.
»Also gut.« Sie versuchte nicht einmal, den Ton der Niederlage in ihrer Stimme zu verbergen. »Ich komme.«
»Du bist ein Schatz!« Walters Gönnerhaftigkeit hätte noch herablassender gewirkt, wenn er gleich nach Peters Tod nicht so sensibel gewesen wäre. Er hatte Magda behandelt wie der liebe Onkel, den sie nie gehabt hatte. Aber von liebenswürdig und vertraulich zu anmaßend und dünkelhaft war es oft nur ein kleiner Schritt.
»Dann sehen wir uns in … dreißig Minuten?«, fügte er hinzu.
»Dreißig!?« Magda ließ das Kissen in ihrem Arm kampfbereit in ihren Schoß plumpsen.
Ihr Chef schwieg. »Okay, Walter.« Innerlich fluchte sie auf ihn. Es war nicht das erste Mal, dass er einfach nichts sagte, um sie zu etwas zu bringen, das sie eigentlich gar nicht tun wollte. »Dann in dreißig Minuten.«
Vor sich hin murrend schlurfte Magda in ihre Miniküche. »Wir haben diese Ausstellung schon vor Wochen fertig gemacht. Was will dieser Typ eigentlich? Ich meine, er kann doch nicht erwarten, dass ich etwas in achtundvierzig Stunden zum Hängen fertig mache!«
Einen Augenblick lang stand sie da und ließ ihre Wut abflauen, dann knallte sie den Hörer auf die Gabel. Zorn lag in ihrer Stimme, als sie laut zu überlegen anfing. »Geht es um Schimmel, Verfärbungen, Firnis, Schmutz, abblätternde Farbe? Sind die Bilder auf Leinwand oder auf Holz gemalt? Und er soll sich gefälligst damit zufrieden geben, sie bloß gereinigt zu bekommen und nicht restauriert!« Bei diesem Gedanken bekam sie vor Schreck große Augen. Schon kleinste Ausbesserungen konnten Tage in Anspruch nehmen.
Früher hatte sie aus Ehrgeiz hart gearbeitet. Sie hatte den Anspruch gehabt, ein so großartiges Leben zu führen wie ihre Eltern. Allerdings hatte sie sich vorgenommen, dieses Ziel ausschließlich mit harter Arbeit zu erreichen und nicht mit Hilfe ihres Nachnamens oder ihres Vermögens.
Wäre sie nur mit Peter gefahren, an jenem Wochenende, an dem es passierte. Vielleicht hätte sie seinen Unfall verhindern und Peter irgendwie retten können. Aber stattdessen hatte sie gearbeitet, und auch jetzt klammerte sie sich an ihren Job, um die Verzweiflung abzuwehren. Die Tage mit routinemäßiger Aktivität zu füllen, war das Beste, um ihren Bruder aus ihren Gedanken zu verbannen.
Magda atmete tief durch, um sich zu sammeln, straffte die Schultern, warf das lange, rote Haar zurück und strich ihr schlichtes Baumwollkleid glatt. So zwängte sie ihren Schmerz tief in sich hinein und streifte sich ihre berufliche Rolle über wie den Schellack, den sie auf ihre Gemälde auftrug.
Sie schlüpfte in ihre Sandalen und war schon auf halbem Weg zur Tür hinaus, als plötzlich der Anflug eines Lächelns auf ihren...




